Jedes fünfte Kind ist Opfer von Cybermobbing. Ein interaktives Projekt soll Eltern den Blick für das Treiben ihrer Sprösslinge mit dem Smartphone öffnen.

Stuttgart - Die Botschaft 2f4u könnten manche Väter und Mütter im Chat mit ihren Kindern als Zwischenfrage auf ihr Smartphone bekommen – falls sie überhaupt in der Lage sind, einem solchen Dialog in Kurzformeln zu folgen. Das Kürzel heißt übrigens: „too fast for you?“ – also: zu schnell für dich? Weitaus folgenreicher als solche Floskeln ist es jedoch, wenn die Generation Smartphone mit Sex-Selfies oder übler Nachrede im Netz konfrontiert oder gar bedroht wird – und dies für alle sichtbar. Das ist nicht nur peinlich, sondern auch strafbar. In dem neuen Theaterstück „Netzflimmern“ erhalten Eltern von Fünft- und Sechstklässlern ein Update – aber ganz hautnah.

 

Bei der Premiere in der BW-Bank, dem Hauptsponsor, haben sich Vertreter der Stuttgarter Sicherheitspartnerschaft – also von Stadt, Polizei, Schulamt und Landesmedienzentrum – vom interaktiven Einfallsreichtum der beiden Akteure überzeugt: dem Schauspieler Allan Mathiasch und seiner Kollegin Daniela Baumgärtner. „Wir wollen den Eltern dabei helfen, sich selbst eine Meinung zu bilden“, sagte Mathiasch. Es gehe auch darum, ein Bauchgefühl für die Tücken des Internets zu entwickeln, mit dem Eltern meist weit weniger vertraut seien als ihre Kinder. „98 Prozent unserer Kinder sind im Netz unterwegs“, sagte Polizeipräsident Franz Lutz. „Und jedes fünfte Kind war schon mal Opfer von Cybermobbing.“ Eines der Hauptprobleme sei, so Lutz, dass den Jugendlichen die Reichweite der übers Handy vermittelten Bilder, Filme und Botschaften gar nicht bewusst sei – nämlich weltweit und nicht mehr rückholbar. Und welcher Jugendliche merke schon, dass er es bei seinem vermeintlich gleichaltrigen Chatpartner mit einem Erwachsenen zu tun habe, der mit einem getürkten Nutzerprofil arbeite.

Schulleiterin: Cybermobbing gibt es an jeder Schule

Doch auch unter Schülern habe Cybermobbing längst Einzug gehalten – an jeder Schule, berichtete Barbara Graf, die geschäftsführende Leiterin der Gymnasien. So habe eine Schülerin der Mittelstufe auf einer Party den WhatsApp-Zugang einer Mitschülerin ohne deren Wissen dazu benutzt, eine Mitschülerin als „sexuell zu freizügig“ zu denunzieren. „Es brauchte sehr lange, bis klar wurde, dass der Whats-App-Zugang missbraucht worden war“, so Graf. Vieles bekämen die Lehrer nicht mit.

Auch die Polizei nicht, wie Lutz ergänzte. Diese ermittle in rund 1000 Fällen im Jahr in Sachen Internet. „Aber das Dunkelfeld ist sehr groß.“ Auch die Schulamtschefin Ulrike Brittinger verwies auf die massiven Auswirkungen dieses Treibens auf das soziale Miteinander der Kinder und deren Gesundheit. Der neue Bildungsplan lege den Fokus verstärkt auf Medienbildung. Aber: „Bei diesem Thema geht es überhaupt nicht ohne die Eltern“.

Eltern können PC-Spiele ausprobieren

Diesen bietet das Theaterstück die Möglichkeit, sich mit Erziehungsmaßnahmen in punkto Internet zu befassen. Als Ergänzung können sie im Landesmedienzentrum im geschützten Raum Facebook und PC-Spiele ausprobieren. „Wir werden nicht verhindern können, dass unsere Kinder sich intensiv im Netz bewegen“, so LMZ-Chef Wolfgang Kraft. „Aber wir wollen, dass sie wissen, was sie tun.“

Netzflimmern“ und andere Angebote zur Medienbildung

Theaterstück: Das Theaterstück „Netzflimmern“ wurde im Auftrag der Stuttgarter Sicherheitspartnerschaft entwickelt. Es richtet sich an die Eltern aller Fünft- und Sechstklässler in Stuttgart. Es wird auf Initiative der jeweiligen Schule vorgeführt.

Landesmedienzentrum: Das LMZ bietet ergänzend zu dem Theaterstück Workshops für Schüler, Eltern und Lehrer an. So wird Jugendlichen vermittelt, wie sie ihre Daten schützen und die Sichtbarkeit ihres Profils in sozialen Netzwerken einschränken können. Und Eltern erhalten praktische Tipps, wie sie die Mediennutzung ihrer Kinder besser einschätzen können. Die medienpädagogische Beratungsstelle ist unter Telefon 28 50-7 77 oder unter beratungsstelle@lmz-bw.de zu erreichen sowie unter www.lmz-bw.de.