Es gibt viele Bücher über Demenz, doch die Betroffenen kommen selten zu Wort. Anders beim Thementag Demenz mit Buchvorstellung im Bandhaus Theater Backnang, wo Erkrankte in Texten und Tonaufnahmen zu hören waren.

Backnang - Frau Ebner versteht die Welt nicht mehr. Sie weiß schlichtweg nicht, wo sie sich befindet. Herr Köhler betont: „Das Wesentliche vergesse ich nicht.“ Frau Wunderle sagt resigniert: „Mein Kopf ist dumm.“ Und Herr Häberle, in seinem früheren Leben war er Hausmeister, ist pausenlos im Altenheim unterwegs, rückt Stühle zurecht, zupft Bettdecken glatt. Das sind nur vier der Menschen, welche Margarethe Mehring-Fuchs und Kathrin Feldhaus bei den Recherchen für ihr nun im Patmos-Verlag erschienenes neues Buch „Wenn der Kopf hinausgeht, ganz weit fort“ getroffen haben.

 

Viele Besuche bei an Demenz Erkrankten

Das Buch haben sie am Sonntag im Rahmen eines Thementags zur Demenz im Backnanger Bandhaus Theater vorgestellt. Alle darin Porträtierten sind an Demenz erkrankt. Was geht in ihnen vor? Das war die Frage, der die Autorinnen im Auftrag der Veronika-Stiftung Rottenburg nachgegangen sind. Diese setzt sich besonders für schwer kranke Kinder und ältere Menschen ein. Der Stiftungsvorstand Robert Antretter, über viele Jahre SPD-Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd, brachte es so auf den Punkt: „Man muss lernen, dass Demenz nicht nur eine Indikation ist. Es geht um Menschen, die in einer anderen Welt leben. Und die müssen wir erkunden.“

Genau das haben die Autorinnen getan, indem sie im Laufe eines Jahres immer wieder Bewohner von drei Seniorenheimen in Oberndorf, Kirchheim und Filderstadt besucht haben. Insbesondere vor ihrem ersten Besuch in der zuletzt genannten Einrichtung habe sie ein mulmiges Gefühl gehabt, erzählte Margarethe Mehring-Fuchs am Sonntag. Denn im geschlossenen Bereich lebten dort Menschen, die ein sehr auffälliges, etwa aggressives oder stark ausgeprägtes sexuelles Verhalten an den Tag legten.

Betroffene kommen nur selten zu Wort

Vor dem Projekt habe sie ganz bewusst keine Fachliteratur gelesen, erzählte Mehring-Fuchs. Die Strategie von Kathrin Feldhaus, der jüngeren im Duo, war hingegen, sich vorab so viel theoretisches Wissen wie möglich anzueignen: „Wir beide ergänzen uns da gut.“ Es gebe Unmengen von Büchern über Demenz, so Feldhaus, „aber nur sehr wenige, in denen die an Demenz Erkrankten selbst zu Wort kommen.“

Ihre Gespräche mit den Betroffenen haben die Frauen aufgezeichnet – auf Papier, aber auch im Audioformat. Die Texte für das Buch zu verfassen war ihre Aufgabe. Zusätzlich hat der 25-jährige Slam Poet Tobias Gralke die Interviews mit den Heimbewohnern gesichtet, sich interessante Aspekte und Sätze herausgepickt und die Einzelfragmente aus verschiedenen Gesprächen zu neuen Texten zusammengefügt. Daraus ist eine CD mit dem Titel „Bruchstücke“ entstanden, die dem Buch beiliegt.

Demenz bedeutet nicht nur Trauer und Angst

„Ich hatte vorher keine Berührung mit dem Thema Demenz. Das Projekt war ein guter Zugang und ich habe dabei Ängste abgebaut“, sagt Gralke. Eine neue Erfahrung sei es auch gewesen, nicht eigene Texte zu verfassen, sondern mit vorhandenem Material zu arbeiten. „Das war eine dankbare Arbeit, denn es steckte sehr viel drin in den Texten, die teils sehr poetisch waren. Das Ganze hat sich fast wie von selbst zusammengefügt.“ Beim Thementag gab es in einer Art Wort-Ton-Collage sowohl Texte des Autorenduos wie vom Slam Poeten zu hören. Die Medizinerin Ute Ulfert rundete das Programm mit Infos zur Demenz ab.

„Was haben Sie aus dem Buchprojekt mitgenommen?“ wollte Jasmin Meindl vom Bandhaus Theater zum Schluss wissen. „Dass Demenz nicht nur Trauer und Angst bedeutet, sondern auch Humor eine große Rolle spielt“, sagte Kathrin Feldhaus.