Exklusiv Soll ein bedeutender Preis der deutschen Politikwissenschaft weiter nach ihrem Mitbegründer Theodor Eschenburg benannt werden? In einem offenen Brief sprechen sich wichtige Wissenschaftler dafür aus.

Stuttgart - Mehr als hundert Wissenschaftler und Publizisten haben sich in den laufenden Streit um den „Theodor-Eschenburg-Preis“ eingeschaltet. In einem offenen Brief an den Vorstand der „Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft“ (DVPW) fordern sie, am Namen des renommierten Wissenschaftspreises festzuhalten. Die DVPW erwägt eine Umbenennung des Preises, weil Zweifel an der Integrität Theodor Eschenburgs geäußert wurden. Er soll bei der Enteignung eines Juden während der NS-Zeit eine kritikwürdige Rolle gespielt haben.

 

In dem Schreiben, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, heißt es dazu: „Über die posthum gegen Theodor Eschenburg erhobenen Vorwürfe, die sich auf seine berufliche Tätigkeit als Verbandsfunktionär während der NS-Herrschaft und neuerdings auch auf einige publizistische Äußerungen aus seinen letzten Lebensjahrzehnten beziehen, mag das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Seine Verdienste um die Begründung der deutschen Politikwissenschaft als wissenschaftliche Disziplin, um deren öffentliches Ansehen und um die Entwicklung der Demokratie in der Bundesrepublik sind unumstritten.“ Darüber hinaus habe Eschenburg als Publizist und Politiker bis zuletzt die Weimarer Demokratie unterstützt und auch nach ihrem Zusammenbruch in erkennbarer Distanz zum Nationalsozialismus gestanden.

„Unhaltbares Unwerturteil“

Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören der Politikwissenschaftler Gerhard Lehmbruch und fünf weitere ehemalige Vorsitzende der DVPW. Ebenfalls unterschrieben haben der Theologe Hans Küng, der Historiker Hans Mommsen und der ehemalige „Zeit“-Chefredakteur Theo Sommer. Wenn die Vereinigung den Namen des Preises ändere, würde sie „ein weithin sichtbares und unhaltbares Unwerturteil über einen Mitbegründer der DVPW fällen“, heißt es in dem Brief.

Der Eschenburg-Preis wurde im Jahr 2000 begründet und würdigt den ersten Lehrstuhl-Inhaber für Politische Wissenschaften in der Bundesrepublik. Eschenburg lehrte seit 1952 in Tübingen, er verstarb 1999. Im vergangenen Jahr war Kritik an Person und Werk geäußert worden. Im Zentrum steht der Vorwurf, Eschenburg habe im Jahr 1938 an einem „Arisierungsverfahren“ mitgewirkt. Am kommenden Freitag und Samstag gibt es ein Vorstandstreffen der DVPW, auf dem über den Namen des Preises beraten werden soll.