Die Literaturkritiker Anne-Dore Krohn und Denis Scheck diskutieren im Stuttgarter Literaturhaus über einen Großen der Deutschen Literaturgeschichte. Im Interview verraten beide, welches ihre Lieblingsfiguren sind.

Stuttgart - In diesem Jahr wird der 200. Geburtstag von Theodor Fontane begangen. Auch die Literaturkritiker Anne-Dore Krohn und Denis Scheck feiern Theodor Fontane im Stuttgarter Literaturhaus und stellen ihn als Autor vor, der in seinen Büchern vor allem auch die politischen und gesellschaftlichen Kräfte seiner Zeit und Gesellschaft spiegelt.

 

Frau Krohn, Herr Scheck, Theodor Fontane gilt als einer der Großen in der deutschen Literatur. Sie nennen Ihr Programm: „Ich bin nun mal fürs Kleine.“ Warum?

Krohn: An seinen Verleger Theodor Wolff schrieb er: „Große Geschichten interessieren mich in der Geschichte, sonst ist mir das Kleinste das Liebste.“ Die Kunst seiner Romane ist es aber, mit den kleinen Geschichten, auch die der Nebenfiguren, das große Ganze zu beschreiben. Nicht umsonst ist Fontane bei Historikern so beliebt.

Scheck: Fontane ist ein Großmeister des lockeren Plaudertons, des scheinbar Nebensächlichen, das sich unter der Hand zum Weltbewegenden verwandelt. Das führt dazu, daß seine Romane sich heute noch taufrisch lesen, einfach weil sie dichter geknüpft sind als die meisten Konkurrenzprodukte.

Was hat uns Fontane heute noch zu sagen?

Scheck: Och, belehren wollte Fontane ja nun gewißlich nicht. Aber die wichtigste Erkenntnis, die ich aus meiner Fontane-Lektüre gezogen habe ist: daß man nicht gegen sein Herz leben soll.

Krohn: Fontane blieb seinem Herzenswunsch treu: vom belletristischen Schreiben zu leben. Er hat lange daran gearbeitet - um dann, mit 59, seinen ersten Roman zu veröffentlichen. Man kann von ihm also lernen: Niemals aufgeben!

Haben Sie eine Lieblingsfigur von Fontane?

Krohn: Melanie van der Straaten aus L‘Adultera: Sie ist eine der emanzipiertesten Frauenfiguren bei Fontane. Als sie sich in einen anderen verliebt, entscheidet sie sich für den Konflikt mit der Gesellschaft, nimmt sogar bescheidenere Verhältnisse in Kauf und spricht somit ein Plädoyer für die romantische Liebe.

Scheck: Rollo, der Neufundländer aus „Effi Briest“, der am Ende auf Effis Grabplatte liegt und aus Kummer nicht mehr frißt. Ich bin eben doch ein Sentimentalschwein.

Termin: 18. Juni, Literaturhaus Stuttgart, 19.30 Uhr