Bald jeder im Rathaus hat schon einmal das Ende der Raserei auf der Theodor-Heuss-Straße gefordert. Alle aktuellen Vorschläge gibt oder gab es.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Der Ordnungsbürgermeister Martin Schairer „hat bei der Bürgerversammlung keine glückliche Figur gemacht“, meint Timo John. Was insofern ungewöhnlich ist, als John für die CDU im Bezirksbeirat spricht und ihn mit Schairer das Parteibuch eint. Zumindest eine kleine Spitze mochte sich auch die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, eine Grüne, gegen den grünen Oberbürgermeister Fritz Kuhn nicht verkneifen: „Hoffen wir, dass die Chefsache nicht dazu führt, dass erst großartige Konzepte geschrieben werden müssen“ – Konzepte, um die Raserszene auf der Theodor-Heuss-Straße auszubremsen.

 

Die Christdemokraten hatten den Antrag eingereicht, auf der Partymeile stationäre Blitzanlagen aufzustellen – schon vor jenem Unfall, bei dem am 7. November ein junger Raser seinen BMW zu Schrott fuhr und dabei zwei Passanten verletzte. Dass der Antrag einstimmig beschlossen wurde, ist geradezu selbstverständlich. Nicht, „weil sich in den letzten zwei Wochen die Ereignisse etwas überschlagen haben“, wie John sagte. Sondern weil die CDU keineswegs das Urheberrecht auf dieses Ansinnen hat. Diesen oder ähnliche Anträge haben Politiker fast aller Couleur schon einmal formuliert. Beschwerden bei jener Bürgerversammlung hatte Schairer abgewiegelt. Kuhn schwieg, obwohl „Fußgänger teilweise Freiwild sind, die von den rücksichtlosen Rüpeln quasi abgeschossen werden“. So formulierten es jedenfalls die Christdemokraten.

Seit 2007 fordert der Bezirksbeirat Konsequenzen

Im Jahr 2007, erinnert sich Kienzle, hat der Bezirksbeirat erstmals Konsequenzen aus der Raserei gefordert, „und seit 2010 regelmäßig“. Aber erst seit dem Unfall des BMW-Rasers scheint das Thema in der Rathausspitze angekommen zu sein – eben, weil Kuhn es öffentlichkeitswirksam zur Chefsache erklärte. Acht Jahre des Abwiegelns und Ablehnens scheinen beendet. Nun werden Besprechungen einberufen und immer neue Vorschläge verbreitet.

Denen ist eines gemeinsam: Es gab oder gibt sie längst, alle. Die Theodor-Heuss-Straße „ist ein bekannter Schauplatz für Autorennen, muss erst ein schwerer Unfall passieren, bevor gehandelt wird?“ Das Zitat stammt von Nico Erden. Gesprochen hatte er es als Vorsitzender der Grünen Jugend Stuttgart im Sommer 2014 und gleich eine Lösung vorgeschlagen: nachts möge Tempo 30 verfügt werden. Erden ist nicht mehr im Amt, gehandelt wurde nicht, nächtliches Tempo 30 ist erneut im Gespräch, und tatsächlich waren zwei von jungen Rasern verursachte Unfälle damals Auslöser der Forderung.

Im Juni 2014 endete ein 19-Jähriger mit seinem Wagen an einer Hauswand. Er hatte versucht, einer Polizeikontrolle zu entkommen. Zwei Monate zuvor hatte ein 24-jähriger Raser den Beifahrer eines Mini getötet, zwar nicht auf, aber auf dem Weg zur Theodor-Heuss-Straße, nahe des Hauptbahnhofs. In der Folge hatte – diesmal – die SPD im Gemeinderat Gegenmaßnahmen gefordert. Sie scheiterte, wie so oft und so viele.

2011 ereignete sich ein Unfall, der an den aktuellen erinnert

Jene Fälle von Raserei waren keineswegs die ersten oder letzten. Bereits im Dezember 2011 ereignete sich ein Unfall, der sogar an den jetzt aktuellen Anlass der Aufregung im Rathaus erinnert. Ein 22jähriger verlor beim Schaurennen die Kontrolle und schleuderte gegen einen Smart, der an einer roten Ampel wartete. Dessen Fahrer und Beifahrer wurden verletzt. Hinzu kommen Meldungen von Fahrern, die mit mehr als 100 Stundenkilometer in der Stadt erwischt wurden, sich teilweise betrunken, teilweise unter Drogen Verfolgungsjagden mit der Polizei lieferten.

Die Argumente gegen alle Vorschläge waren stets vielfältig: Auf der Partymeile könnten allein deswegen keine hohen Geschwindigkeiten gefahren werden, weil die Ampeln auf rote Welle geschaltet sind. Stationäre Blitzanlagen seien technisch nicht darauf ausgelegt, schnell beschleunigende Autos zu erfassen – und sie würden ohnehin binnen kurzem von der Szene zerstört.

An mangelnder Information kann wirkungsvolles Eingreifen nicht gescheitert sein. Nach schier jeder spektakulären Meldung lud die Polizei Presse und Lokalprominenz zu Schwerpunktaktionen. Die Überschrift „Polizei macht Jagd auf Raser“ wurde in allen Stuttgarter Zeitungen regelrecht zum Recyclingobjekt. Auch Tempo 30 ist schon erprobt, wegen einer Baustelle auf Höhe des Kleinen Schlossplatzes. Die Polizei kontrollierte an einem Samstag und gab bekannt, wie viele Fahrer sich ans Limit gehalten hatten: keiner.