London legt ein neues Konzept vor, das weitreichende Integration mit Europa vorsieht. Konservative Hardliner in Großbritannien sind empört.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Die britische Premierministerin Theresa May hat nach einer Klausur ihres Kabinetts einen neuen Plan zur Zukunft der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU nach dem Brexit vorgelegt. Der neue Plan, der bis auf Weiteres auf eine enge Anbindung Großbritanniens an die EU zielt statt auf einen radikalen Bruch mit Europa, stellt ein merkliches Abrücken von Mays ursprünglichen Vorstellungen dar.

 

Noch bis vor Kurzem hatte May versprochen, ihr Land „hundertprozentig“ aus Zollunion und Binnenmarkt der EU zu führen, keinerlei Freizügigkeit zwischen Großbritannien und dem Kontinent mehr zu dulden und europäischen Gerichten alle Befugnisse abzusprechen. Nachdem aber immer mehr Unternehmen in letzter Zeit vor den „katastrophalen“ Folgen eines harten Brexit gewarnt und immer mehr Abgeordnete im Unterhaus für eine weichere Linie plädiert hatten, milderte May die Regierungsposition ab.

Plan einer Freihandelszone

Nunmehr wünscht sich London eine gemeinsame Freihandelszone mit der EU, in der die Briten dem jetzigen und künftigen „Regelwerk“ der EU treulich folgen würden. Diese „Harmonisierung“ soll einen reibungslosen Handel in Gütern und landwirtschaftlichen Erzeugnissen möglich machen – und so auch eine offene Grenze in Irland garantieren. Der Dienstleistungsbereich, darunter der für London wichtige Finanzsektor, soll nicht eingeschlossen sein. Hier sollen Verbindungen zur EU durch flexible Vereinbarungen geregelt werden.

Wo es Unstimmigkeiten gibt zwischen britischen und europäischen Gerichten, will London in Schiedsverfahren, die das gemeinsame „Regelwerk“ betreffen, Urteile des Europäischen Gerichtshofs akzeptieren. Was Zölle und Tarife angeht, will sich London nach dem Brexit einerseits das Recht sichern, eigene Handelsverträge mit aller Welt einzugehen und Zölle eigener Art zu erheben. Auf Waren, die in den EU-Bereich gehen, will es andererseits aber EU-Zölle erheben und diese an die EU abführen. Dafür ist ein kompliziertes System vorgesehen, das den Namen „vereinfachtes Zollverfahren“ tragen soll. „Automatische“ Personenfreizügigkeit zwischen Großbritannien und der EU soll es zwar nach dem Austritt nicht mehr geben. Aber einen „speziellen Zugang“ für EU-Bürger nach Britannien schließt May nicht aus.

Brexit-Hardliner sprechen von Verrat

Brexit-Hardliner der britischen Konservativen werfen Premierministerin May nun vor, sie „total verraten“ zu haben. Mit Mays Schwenk zu einem „weichen Brexit“, klagten sie, habe die Regierungschefin alle Schwüre gebrochen, die sie der Partei und der Nation in den letzten zwei Jahren gab. Der EU-Chefunterhändler Michael Barnier kündigte an, die Details abwarten zu wollen: „Wir werden die Vorschläge überprüfen, um zu sehen, ob sie umsetzbar und realistisch sind.“