Die EU bietet Premierministerin Theresa May nur kosmetische Verschönerungen am Brexit-Deal an. Ein harter Brexit wird wahrscheinlicher. Aber noch gibt es Alternativen, kommentiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Viel ist es nicht, was Theresa May vom Brüsseler Gipfel mit nach Hause nimmt. Die europäischen Staats- und Regierungschefs stellen der Premierministerin einen raschen Handelsdeal nach dem Verlassen der EU in Aussicht. Sie versichern zugleich, dass die in Großbritannien hoch umstrittene „Backstop“-Regel für die Grenze zwischen Irland und Nordirland nur im Notfall und nur vorübergehend greifen soll.

 

Das alles ist nichts Neues. Genauso steht es eigentlich in dem zwischen der EU und Großbritannien ausgehandelten Brexit-Vertrag. Vielleicht legen die EU-Chefs auf einem weiteren Gipfel im Januar noch ein bisschen nach und gießen diese Zusagen in eine rechtsverbindliche Form. Aber auch das wird an der Substanz des Verhandelten nichts Grundstürzendes ändern.

Die EU kann keine Regelung akzeptieren, die zu einer harten Grenze zwischen ihrem EU-Mitglied Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland führt. Und sie wird das Austrittsabkommen, das sie mit der britischen Regierung verhandelt hat, nicht aufschnüren. Wenn sie es täte, käme der gesamte Brexit-Deal ins Wanken. Denn dann hätten nicht nur britische Hardliner Nachbesserungswünsche, sondern auch viele europäische Staaten.

Im Parlament ist keine Mehrheit in Sicht

Reichen die kosmetischen Verschönerungen, die von der EU vorgenommen werden, für ein Ja des britischen Parlaments? Theresa Mays Chancen, eine parlamentarische Mehrheit für den Brexit-Vertrag zu bekommen, stehen weiterhin sehr schlecht. Mehr als hundert Abgeordnete der eigenen Fraktion haben ihr am Dienstag das Misstrauen ausgesprochen. Wenn diese Konservativen zu einem Austausch der eigenen Premierministerin mitten in einer historisch entscheidenden Phase bereit sind, warum sollten sie kurz darauf für Mays Brexit-Vertrag stimmen? Nein, im Moment ist eine Mehrheit im Unterhaus nicht erkennbar.

Wird das britische Volk noch einmal gefragt?

Aber noch gibt es Alternativen zu einem harten Brexit – dem Ausstieg der Briten ohne ein Regelwerk mit der Europäischen Union.

Alternative eins: Torschlusspanik. May scheint darauf zu spekulieren, dass bei einer Abstimmung erst ganz kurz vor Toresschluss eine größere Zahl von Parlamentariern aus Angst vor einem harten Brexit doch noch umkippen und zähneknirschend mit Ja stimmt; dies allerdings ist eine Hochrisiko-Strategie, denn im Falle ihres Scheiterns wären die ökonomischen und politischen Folgen verheerend.

Alternative zwei: Volksbefragung. Wenn für alle absehbar ist, dass definitiv keine Mehrheit im Parlament für den Brexit-Vertrag zu finden ist, könnte May das britische Volk befragen – entweder auf dem Umweg über eine Parlamentsneuwahl oder direkt durch ein zweites Brexit-Referendum.

Das Austrittsdatum kann verschoben werden

Alternative drei: Aufschub. Die Zeit für die Variante „Volksbefragung“ ist extrem knapp, vielleicht schon zu knapp. Im Einvernehmen mit der EU könnten die Briten allerdings den bisher fixierten Ausstiegstag 29. März 2019 nach hinten schieben. Wenn auch nicht auf lange Frist, dann doch um einige Wochen. So bliebe etwas mehr Zeit, den ganz großen Schlamassel zu vermeiden.

Und schließlich gibt es immer noch die Alternative vier: Absage. Die Briten könnten auch ohne ein neues Referendum einseitig erklären, dass sie vom Austritt zurücktreten. Rechtlich ist das möglich, ein Brief in Richtung Brüssel würde genügen – und die Kontinentaleuropäer würden es durchweg begrüßen. Dieses ist angesichts der Stimmungslage auf der Insel sicherlich die am wenigsten wahrscheinliche Variante.

Aber kurz vor Weihnachten ist Träumen vielleicht ausnahmsweise erlaubt.