Thomas D. leitete die "Unser Star für Baku"-Jury. Beim ESC in Aserbaidschan führt er die deutsche Delegation an - und warnt vor Politisierung.

Stuttgart - Thomas D ist der Mann hinter Roman Lob. Der Jurypräsident von „Unser Star für Baku“ wird den deutschen Teilnehmer des „Eurovision Song Contest“ in der Hauptstadt Aserbaidschans betreuen. Zu seinen Erwartungen beim ESC und zur problematischen Menschenrechtslage im Gastgeberland am Kaspischen Meer befragten ihn Erhard Stern und Sebastian Riemer.

 

Haben Sie schon die Badehose eingepackt?

Ich bin einer, der in letzter Sekunde packt. Eine Badehose wird man in Baku sicher gut gebrauchen können. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen: Beim ESC kannst du zehn Tage durchreden. Wahrscheinlich habe ich gar keine Zeit am Pool abzuhängen und leckere Drinks zu schlürfen.

Tatsächlich betreuen Sie den deutschen Teilnehmer. Haben Sie bereits bei der Konkurrenz reingehört?

Teilweise. Die Kuriositäten bekommt man natürlich als erstes mit. Viele Länder setzen auf Sensation, auf ein Spektakel bei Gesang und Darbietung. Roman kommt dagegen nicht so bombastisch, dafür mit einem sehr schönen Popsong daher. Möglicherweise bräuchten wir auch mehr Feuerwerk. Andererseits ist es vielleicht gerade gut, dass wir nicht so hochstapeln, sondern versuchen, durch ehrliche Gefühle, eine gute Gesangsperformance und einen tollen Typen zu punkten. Das muss die Welt entscheiden.

Für wen lohnt es sich denn – außer für Roman Lob selbstverständlich – am 26. Mai beim ESC einzuschalten?

Die singenden Omas aus Russland muss man gesehen haben. Mich persönlich interessiert, wie Engelbert Humperdinck für Großbritannien auf der Bühne besteht.

Haben Sie sich gemeinsam mit Roman Lob ein Ziel gesetzt?

Wenn wir zum Vorjahr, als Lena Zehnte wurde, keinen Platz verlieren, wären wir total gut dran. Natürlich spinnt man ab und zu auch und hofft, dass sich das Wunder wiederholt und wir gewinnen. Aber das haben wir nicht in der Hand. Da kann ich träumen, solange ich will.

Ist ein Sieg wirklich erstrebenswert: Dann müsste Roman Lob die Titelverteidigung versuchen und Sie wären den Job des Jurypräsidenten los …

Es gibt das Sprichwort „Wenn es am Schönsten ist, soll man aufhören“. Ich würde nicht unbedingt das Lena-Modell wiederholen. Selbst bei einem ersten Platz fände ich es interessant zu sagen: Okay, Roman geht seinen Weg. Den muss er unabhängig von der ESC-Platzierung und der „Unser Star für Baku“-Castingshow auch machen. Er muss sich jetzt als Künstler etablieren. Er muss weitergehen.

Sie selbst hätte man bislang eher nicht mit dem Song Contest in Verbindung gebracht. Wie kam es dazu?

Natürlich habe ich mich gefragt, ob die Kurzlebigkeit eines solchen Wettbewerbs das Richtige für mich ist. „Unser Star für Baku“ ist andererseits das Gegenmodell einer Castingshow. Stefan Raab hat mit Max Mutzke oder Stefanie Heinzmann schon mehrfach Vollblutmusiker gefunden, die ihren Weg als Künstler beschreiten – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Leider haben Plattenfirmen heute oft nicht mehr Zeit und Geld, um eine Karriere langfristig zu planen: Wenn etwas nicht sofort funktioniert, muss es weg. Und wenn es funktioniert, kommt trotzdem das Nächste. Vielleicht kann man die scheinbaren Gegensätze aber auch kombinieren – indem man durch eine Castingshow einen Künstler ins Rampenlicht katapultiert und trotzdem seine Karriere aufbaut. Genau das ist mein Plan mit Roman: ihn langfristig zu begleiten.

Ihre Song-Contest-Premiere wird überlagert von einer Diskussion über Demokratie und Menschenrechte im Gastgeberland Aserbaidschan. Wie politisch darf beziehungsweise sollte Unterhaltung sein?

Die Welt blickt durch den ESC auf Aserbaidschan – und somit auf die Schattenseiten und die politische Situation dort. Das ist sehr gut. Wir müssen aber aufpassen, dass sich nicht alle abwenden, wenn der Vorhang fällt. Dann besteht die Gefahr, dass sich die Lage für die Menschen sogar verschlechtert und sie für die internationale Aufmerksamkeit bestraft werden. Allerdings machen wir uns aus einer luxuriösen Situation heraus Gedanken. Politiker rufen, die Musiker sollten T-Shirts tragen, auf denen „Human rights“ für die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte steht. Als würde das etwas ändern. Trotzdem dürfen wir uns nicht abwenden, müssen solche Länder im Boot behalten. Ich denke, dass sich nur etwas verbessert, wenn man darüber spricht, wenn man darauf aufmerksam macht, wenn man mit den Menschen dort spricht und sie nicht ausklammert.

Darf sich der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Hoffnung machen, dass die deutsche Delegation und speziell Sie ein Zeichen setzen?

Ich sage meine Meinung. Das habe ich immer getan. Ein Musikwettbewerb sollte aber nicht politisch überladen werden. Mehr als Aufmerksamkeit kann der ESC nicht schaffen. Um die Lage in Aserbaidschan zu verbessern, bedarf es einer stetigen politischen Anstrengung.