Thomas Gottschalk ist der beste Moderator von Liveshows. Das liegt daran, dass er Menschen ernst nimmt.

Stuttgart - Thomas Gottschalk zum Dritten: Nach "Wetten, dass...?" und "Menschen 2010" werden am Samstag bei der Sendung "Ein Herz für Kinder" fleißig Spenden gesammelt. Gottschalk, so viel darf man annehmen, wird in der Liveshow vom Berliner Publikum wieder mit einem warmen Applaus empfangen werden. Der Moderator genießt seit seinem Krisenmanagement nach dem Unfall des Wettkandidaten Samuel Koch bei Kritikern und vielen Zuschauern großen Respekt. Nicht bei allen freilich: im ZDF-Forum zur Unglückssendung geht es hoch her, da tobt eine nicht immer sachliche Debatte über die Quotenfixierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und den Voyeurismus des Publikums.

Allerdings hat Gottschalk mit seinem mitfühlenden, ehrlich wirkenden Umgang mit dem Unglück für das Fernsehen zweifellos ein Stück Reputation zurückgewonnen. Und siehe da: das Fernsehen kann auch abbrechen, kann sich selbst infrage stellen, ein bisschen wenigstens, kann Empathie ohne maßlose Gefühlsduselei entwickeln. Die Folgen sind absehbar: Riskante TV-Unterhaltung wird es weiter geben, auch im ZDF, aber der Show-Dinosaurier "Wetten, dass...?" hat seine Unschuld verloren. Vor jeder sportlichen oder gar artistischen Einlage eines Kandidaten wird der Moderator Thomas Gottschalk ausführlich die Sicherheitsvorkehrungen erläutern, aber das immer noch stattliche Millionenpublikum wird ihm weiter vertrauen. Vielleicht sogar mehr denn je.

Allein Stefan Raab kann eine Konkurrenz für Gottschalk werden


Das ist die auf den ersten Blick widersprüchliche Wirkung des verhängnisvollen Fehlers, Samuel Kochs Wette mit ins Programm zu nehmen. Gottschalk kann das eben, er kann plötzliche Herausforderungen live meistern. "Je mehr schiefgeht, umso besser werde ich", sagte er mal. Das ist nichts Neues, aber den genervten Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der nach stundenlanger Wartezeit auf einmal seinen Fernsehpreis verschmäht, wieder auf Normaltemperatur herunterzukochen ist noch etwas anderes, als im Unglücksfall den richtigen Ton zu treffen. Zumal sich Gottschalk, nebenbei bemerkt, in seiner langen Karriere durchaus gerne mal im Ton vergriff, insbesondere gegenüber attraktiven Schauspielerinnen. Da blühte der Herrenwitz, da hatte der Sonnyboy seine Hände nicht immer unter Kontrolle. Von seinen journalistischen Missgriffen – der Höhepunkt war das Interview mit dem Republikaner-Chef Franz Schönhuber bei RTL 1992 – ganz zu schweigen.

Als Live-Entertainer ist der Sechzigjährige dennoch schwer zu übertreffen, da hebt sich der aus dem "Tommy"-Alter längst entwachsene Wahlkalifornier ab von den rouftinierten Langweilern Oliver Geißen und Jörg Pilawa. Der mindestens ebenso beliebte Günther Jauch, sein Exkollege aus den frühen Radiozeiten beim Bayerischen Rundfunk, bedient verstärkt das journalistische Fach. Der brave Eckart von Hirschhausen übt noch, und der weniger brave Dieter Bohlen mag zwar auch am Samstag wieder beim "Supertalent"-Finale für eine Superquote gut sein, doch er spaltet die Fernsehnation, statt sie wie Thomas Gottschalk am gesellschaftlichen Lagerfeuer zu vereinen.