Reportage: Robin Szuttor (szu)

Schon als Erstklässler sieht er sich als etwas ganz Besonderes, tut sich als Wortführer hervor, wo es nur geht – „das ist mein Kommunikationschakra.“ Er lernt alle Songs aus der Jukebox der elterlichen Schenke. Nach der Hauptschule macht er eine Handformerlehre bei Bauknecht. Abends ist er „Thomas Benz“, ein Schlagersänger in Schlaghosen und Pullunder. Er lässt sich als einer der ersten Männer im Remstal Dauerwellen machen, sein Spitzname: Joe Locke. Mit den Rangers spielt er Tanzmusik im Gmünder Lido, mit der Joe Locke Band macht er Cover-Rock.

 

Er wird Wirt des Colibri I und Colibri II – Kneipen, wo man das Bier in Bügelflaschen oder besser gleich in Kästen auf den Tisch stellt. Und der Wirt selber trinkt kräftig mit. „Ich musste erst meine Süchte abstreifen, um Mut, Temperament, Freude zu entfalten und frei zu werden für meinen grandiosen Lebensweg“, sagt Hornauer.

Er macht sich selbstständig mit Fotodrucken für T-Shirts. Sein Vertreternetz umspannt bald ganz Deutschland. Weil er für seine Kataloge gut aussehende Frauen braucht, gründet er auch gleich eine Modelagentur. Die Geschäfte laufen.

Reich mit Chat-Nummern

Doch Thomas Hornauer sattelt um, sichert sich 0190- und 01805-Nummern für kostenpflichtige Powerflirt-, Chat- und Astro-Lines, produziert dazu TV-Werbeclips. „Das Business explodierte“, sagt er. In Topjahren verzeichnet er Hundert Millionen Gesprächsminuten. Das Geld strömt nur so nach Plüderhausen.

Als der Landessender B.TV Insolvenz anmeldet, geht er „in den Markt rein wie eine energetisierte Welzheimer Wildsau“. Er kauft B.TV und macht daraus einen interaktiven Call-in-Sender mit Regionalberichten. Die teuren Telefonnummern gehören natürlich seiner Firma. Einmal tritt er mit der Joe Locke Band auf. „Ich musste mir erst einen Sender kaufen, um als Musiker ins Fernsehen zu kommen.“

Früher Ehrgeiz

Schon als Erstklässler sieht er sich als etwas ganz Besonderes, tut sich als Wortführer hervor, wo es nur geht – „das ist mein Kommunikationschakra.“ Er lernt alle Songs aus der Jukebox der elterlichen Schenke. Nach der Hauptschule macht er eine Handformerlehre bei Bauknecht. Abends ist er „Thomas Benz“, ein Schlagersänger in Schlaghosen und Pullunder. Er lässt sich als einer der ersten Männer im Remstal Dauerwellen machen, sein Spitzname: Joe Locke. Mit den Rangers spielt er Tanzmusik im Gmünder Lido, mit der Joe Locke Band macht er Cover-Rock.

Er wird Wirt des Colibri I und Colibri II – Kneipen, wo man das Bier in Bügelflaschen oder besser gleich in Kästen auf den Tisch stellt. Und der Wirt selber trinkt kräftig mit. „Ich musste erst meine Süchte abstreifen, um Mut, Temperament, Freude zu entfalten und frei zu werden für meinen grandiosen Lebensweg“, sagt Hornauer.

Er macht sich selbstständig mit Fotodrucken für T-Shirts. Sein Vertreternetz umspannt bald ganz Deutschland. Weil er für seine Kataloge gut aussehende Frauen braucht, gründet er auch gleich eine Modelagentur. Die Geschäfte laufen.

Reich mit Chat-Nummern

Doch Thomas Hornauer sattelt um, sichert sich 0190- und 01805-Nummern für kostenpflichtige Powerflirt-, Chat- und Astro-Lines, produziert dazu TV-Werbeclips. „Das Business explodierte“, sagt er. In Topjahren verzeichnet er Hundert Millionen Gesprächsminuten. Das Geld strömt nur so nach Plüderhausen.

Als der Landessender B.TV Insolvenz anmeldet, geht er „in den Markt rein wie eine energetisierte Welzheimer Wildsau“. Er kauft B.TV und macht daraus einen interaktiven Call-in-Sender mit Regionalberichten. Die teuren Telefonnummern gehören natürlich seiner Firma. Einmal tritt er mit der Joe Locke Band auf. „Ich musste mir erst einen Sender kaufen, um als Musiker ins Fernsehen zu kommen.“

Neu erfinden? Kein Problem!

Mitarbeiter erleben B.TV wie ein Wechselbad aus Gulag und Gummizelle. „Ich wollte zurückgehen in die Wildheit, emotionale Bindungen und Kreativräume schaffen“, sagt Hornauer. Am Ende verweigert ihm die Landesregierung die Sendelizenz. Seine Bilanz: „Social-Network und interaktive Telekommunikation erfunden. Zig Millionen verloren, als Geschäftsmann in den Dreck gezogen, als Mensch entehrt.“

Er macht mit österreichischer Lizenz weiter und geht selber vor die Kamera. Mit seinem Kanal Telemedial, einer Mischung aus Internationalem Frühschoppen und indianischer Schwitzhütte, erreicht er 60 Millionen Haushalte. Und nun wird es richtig abenteuerlich: Frauen und Männer machen Initiativtänze vor Aquarellbildern, summen Regenlieder, trommeln für den Weltfrieden. Hornauer verausgabt sich, stößt Jubelschreie aus wie ein Kind, heult gottserbärmlich, sagt Sätze wie „Im Hochmut empfange ich Wissen nicht in der Hingabe, sondern im Rahmen meiner Gestattung.“ Mitunter muss er sich aufregen: „Du kommst als Gast und willst mir sagen, ob ich an mein Handy rangehen darf? Das geht dich einen Scheißdreck an, lass dich einsalzen, du Nase“. Er bleibt stets überraschend: In einer Sendung befasst er sich gerade mit dem Thema Unterdrückung, als der Hund Bancho vor die Kamera trottet. Hornauer unterbricht den Monolog und streichelt Bancho lange den Kopf: „Na du, hasch a bissle a Wasser tronka, ja?“

Bei keiner Sendung weiß man vorher, was passiert oder wann Schluss ist: mal um 23 Uhr, mal um 3 Uhr – wie es eben gerade läuft. Hornauers Kanal gehört zu den abgefahrensten Kapiteln deutscher Fernseh-Geschichte – alles von 21 Uhr an gleich nach „Der kleine Prinz“ oder „Coco, der Affe“ auf Kika. 2008 ist Sendeschluss.

Immer was los

In seiner Fabrik lagert noch die Studioausrüstung, Technik vom Feinsten. In den Regalen: 10 000 Tapes mit alten B.TV-Nachrichten – „vielleicht schmeiß ich die alle weg“ – und stapelweise „Deutschmarkt“-Geldscheine, eine von ihm kreierte „Wurzelwährung“, deren Sinn schwer zu erklären ist. Auf dem 500er-Schein ist Hornauer mit Rokoko-Perücke abgebildet. Nur Jesus auf dem 1000er steht über ihm.

Charity in Monaco, Dornröschen in Thailand

Was ist passiert seit seinem TV-Abschied? Er sei den Weg in die Weisheit gegangen, sagen er und seine Schüler. Manche wollten seinen Genius zwar nicht erkennen, doch das sei der reine Neid. Er rief das Vereinte Heilige Deutsche Königreich aus, eine „Mentaldemokratie gegen die Volksverblödung“. Er gründete den Christ-Buddhismus. Heimaterde für die Christbuddhisten ist Paradise Valley, das er in den thailändischen Dschungel gepflanzt hat. Ein Wallfahrtsort für Erleuchtete und Schüler. Eine Million Quadratmeter mit Bungalows, Tempel, Meditationsräumen, Plantagen, Fischzucht, Amphitheater und einer Trinkwasserfabrik. Und dort läuft es wie immer: Ist der Chef nicht da, weil er mal auf dem Rotkreuz-Ball in Monaco oder in seiner Fabrik vorbeischauen muss, versinkt alles in einen Dornröschenschlaf.

Was auch noch passierte: der Yoruba-Stammeskönig Odu-Dua von Benin krönte ihn zum Prinzen, 90 buddhistische Mönche und Meister Kittichet Siriwatako segneten die Krone. Die Krönungsfeierlichkeiten in Afrika verpasste Hornauer, weil man ihn am Pariser Flughafen aufhielt: den Zöllnern waren die 60 Kilo „Deutschmarkt“-Scheine in Lidl-Tüten nicht geheuer. In Benin schaffte er übrigens als Berater der Stammeskönige die Beschneidung ab, doch das ist eine andere Geschichte.

Edelsteine in Hülle und Fülle

Schließlich kam es, dass Hornauer eine hellsichtige Nonne traf. Sie riet ihm: „Gib den Prinzentitel ab, sonst fängst du dir ein Karma ein.“ Also verbrannte er die Urkunde und transformierte sich als Mönch eines buddhistischen Klosters in 44 Tagen vom Prinzen zum König der Herzen für das Vereinte Heilige Deutsche Königreich.

Jetzt baut er in der Heimat seine Edelstein-Verkaufsausstellung. Achatmandeln pflastern die Räume. Mit 24-Karat-Blattgold veredelte Amethysten. Ein 250-Kilo-Brummer schaukelt in einer von Hornauer designten Metallspange. Eine Lichtkristallpyramide vereint alle sieben Chakren, was immer das heißen mag. „Ich habe eine neue Welt geschaffen“, sagt Hornauer.

Die Exzentriker

„Indem sie Wünsche, Sehnsüchte und Fantasien an unserer statt ausleben, erinnern sie uns daran, wie viel Freiheit wir verschenken“, schreibt der Autor Frank Müller in einem Aufsatz über Exzentriker. Der Psychologe David Weeks vom Royal Edinburgh Hospital hat sich wissenschaftlich mit den Sonderlingen beschäftigt. Einige Kriterien fand er bei fast allen Exzentrikern: Sie sind intelligent, unangepasst, kreativ. Ihre Mission ist, die Welt zu verbessern und die Menschen glücklich zu machen. Sie haben den Hang zu abstrusen Sprachneuschöpfungen. Sie betrachten sich gar nicht als absonderlich, vielmehr ist der Rest der Welt aus dem Tritt geraten. Und sie haben einen schelmischen Sinn für Humor. Passt auch ganz gut auf Hornauer.

Raus aus der gesellschaftlichen Domestizierung

Früher war das Exzentrikertum eng mit dem Hochadel verbunden. „Extravaganzen erfordern eine gewisse Entlastung vom unmittelbaren Daseinsdruck“, schreibt Frank Müller. Dies galt auch für Lord Rokeby (1712–1800), der während einer Kur beschloss, als Lurch weiterzuleben und fortan den Großteil seiner Tage am eigenen Pool zubrachte. Der reiche Kaufmann Joshua Norton rief sich an einem Septemberabend 1859 zum Kaiser der USA aus, erklärte die Verfassung für ungültig, löste alle Parteien auf, druckte 25- und 50-Dollar-Scheine in seiner eigenen Währung. Zwanzig Jahre lang soll er in seinen Fantasieuniformen durch die Straßen patrouilliert sein.

„Ich gehe den Weg der Seltenen“, sagt Hornauer. „Ich tu seit zwölf Jahren nichts anderes, als mich von der gesellschaftlichen Domestizierung zu befreien. Das kostet Kraft ohne Ende.“ In seinem Büro hängen Fotos von seinen Töchtern. Am Wochenende hat er die Mittlere in Konstanz besucht, wo sie studiert. Die Große ist Kindergärtnerin, die Kleine sucht gerade eine Lehrstelle. Sie sind alle katholisch und noch „sehr im Bürgerlichen verhaftet“, meint der Vater. Er wollte ihnen drei Corvettes schenken, die er als Geschäftswagen nutzte. Aber sie fahren lieber Polo und Golf. Schon durch ihre Mutter seien sie nie verschwenderisch erzogen worden, sagt Hornauer. Aber auch er brauche keinen Luxus: „In meiner Villa bewohne ich zwei, drei Zimmer, betrete ganze Etagen wochenlang nicht.“ Morgens fährt er dann runter ins Städtle zum Frühstücken und zum Steineklopfen mit seinen Mitarbeitern.

Erkenntnis nach anstrengenden Stunden

Warum nennt seine Assistentin Hornauer „Königliche Hoheit“? „Weil er es ist. Weil keiner ist wie er“, sagt sie. Sie sei immer niedergedrückt worden. Er habe ihr Selbstbewusstsein gegeben und die Kraft, ihre Ängste zu überwinden. Neulich ist sie zum Beispiel nachts allein mit dem Auto nach München gefahren, früher undenkbar. Sie lerne im Alltag mit seiner Majestät, aber auch durch seine Vorträge oder bei Empfängen, bei denen er sich gern in einen indischen Maharadscha-Mantel hüllt.

Am besten wird das Gespräch mit Hornauer, wenn er nach recht anstrengenden fünf Stunden seinen predigenden Ton etwas runterfährt, nicht mehr so arg angibt und nicht mehr so arg esoterisch redet. Wenn er von Zweifeln erzählt, von seinen Herzproblemen, von seiner Familie – seiner Frau, die im Nachbarort wohnt, den Kindern, für die sie immer das gemeinsame Sorgerecht hatten. Wenn er von seiner Liebe zur Musik spricht, den Kinks, den Bellamy Brothers. Wo der Mensch durchscheint, kommt er dem Königsein am nächsten.