Thomas Pynchons „Die Enden der Parabel“ gilt als harter Lesebrocken. Es spielt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, es geht um Hitlers Wunderwaffen – und um die Auflösung der Wirklichkeit. SWR 2 sendet die mutige Radio-Adaption.

Stuttgart - Fast möchte man sich einen Kraftmaxe im geringelten Jahrmarktsringerleibchen vorstellen, der im Zirkuszelt alle Welt damit verblüfft, ein unstemmbares Gewicht an zitterfreien Armen in die Höhe zu recken. Anders kann man den Kraftakt des SWR kaum bildhaft fassen, „Die Enden der Parabel“, ein Hörspiel von beinahe 15 Stunden Dauer, das von diesem Freitag an gesendet wird.

 

Hitlers Wunderwaffen

Die Hörspieldauer ist noch nicht einmal das Verblüffendste bei diesem Projekt. Über zehn Jahre hat sich der heikle Prozess des Rechteerwerbs hingezogen, gilt der Amerikaner Thomas Pynchon, der Autor der Romanvorlage, doch als einer der eigenbrötlerischsten Schriftsteller der Welt, als Mann, der aus völliger Zurückgezogenheit weniger ein Arbeitsprinzip als einen integren Teil seines Werks gemacht hat. Doch der Rechteerwerb hat schließlich geklappt, gefolgt von drei Jahren Vorbereitungs- und Produktionszeit.

Pynchons Roman entzieht sich nach Meinung vieler gescheiterter Leser dem Verständnis, erst recht der Umsetzbarkeit in ein anderes Medium. „Gravity’s Rainbow“, so der Originaltitel, ist 1973 erschienen und spielt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Auf London regnen Schrecken und Tod bringend die Wunderwaffen Adolf Hitlers nieder, die ersten Lenkraketen der Welt, genannt V2 – das V steht für Vergeltungswaffe. Kopf des Raketenprogramms ist der Ingenieur und SS-Sturmbannführer Wernher von Braun, den seine Expertise zur interessanten Beute für die Amerikaner macht. Er wird später zur zentralen Figur des US-Raumfahrtprogramms, zum Vater der Mondlandungen.

Rammbock der Postmoderne

So weit voraus erzählt „Die Enden der Parabel“ nicht. Roman und Hörspiel enden kurz nach dem Einsatz der Atombombe gegen Japan. Pynchon nutzt historische Fakten und Elemente des Thrillers, er schildert die Jagd nach den Plänen der neuen Waffe und die Traumata einer Welt, die mit der Erfahrung des stückweisen Zersprengtwerdens lebt.

So eine Inhaltsangabe vermittelt vermutlich einen falschen Eindruck von Griffigkeit. „Gravity’s Rainbow“ löst logische Verbindungen auf, verschiebt Bedeutungen, foppt den Leser, erklärt den festen Zugriffsversuch auf die Welt zur Posse und stellt das Unfassbare, Fluide der sogenannten Realität heraus. Der Roman gilt als Wegmarke der Literatur, als vielleicht wirkungsvollster Rammbock postmoderner Konzepte. Er sorgte auch gleich für einen Eklat. Das Vergabekomitee des Pulitzer-Preises weigerte sich, ihn zu würdigen – obwohl die Auswahljury Pynchons Großwerk zum Gewinner erkoren hatte.

Reiche Belohnung

Der Regisseur Klaus Buhlert ist Spezialist für vertrackte, als unlesbar verrufene Bücher, er hat schon „Ulysses“ von James Joyce als Hörspiel adaptiert und ist überzeugt, auch bei Pynchon werde man für alle Mühen der Überblickswahrung reich belohnt. Buhlert hat mit einem beeindruckenden Ensemble gearbeitet, von Felix Goeser über Bibiana Beglau und Manfred Zapatka bis Corinna Harfouch. Man muss immer wieder staunen über die Stimmigkeit, mit der das Team Pynchon umsetzt.

Das Hörspiel bietet den leichteren Einstieg in die Romanwelt als die Lektüre, vereinfacht Pynchons Irrgarten aber nicht. Will heißen: auch hier lösen sich die Gewissheiten auf. Damit das nicht zum völligen Fadenriss führt, wird zumindest die Premierenausstrahlung von Zwischenmoderationen des Literaturkritikers Denis Scheck strukturiert.

Sendung: SWR 2,
Freitag 20.03 bis 6.00 Uhr, Samstag 20.03 bis 4.00 Uhr. Bis 25. April ist das Hörspiel via Website des Senders, SWR-2-App und ARD-Audiothek abrufbar.