In den Niederlanden beginnen die Feierlichkeiten für die Übergabe der Regentschaft von Beatrix an ihren ältesten Sohn Willem-Alexander. Die Bürger sind begeistert, versprechen sie sich von dem Wechsel doch eine zeitgemäße Monarchie.

Stuttgart - Niederländische Straßen, Schulen und Kanäle werden nach ihm genannt, Bäume gepflanzt, Fahnen entworfen. Bürger malen, zeichnen und machen sich ihren eigenen Reim auf Willem-Alexander. Was auch immer mit dem niederländischen König in spe in Verbindung gebracht werden kann, wird von Bäckereien, Supermärkten, in Zeitungen und in Magazinen genutzt. Im kleinen Königreich an der Nordsee herrscht Oranje-Fieber – abgeleitet von dem Familiennamen der königlichen Familie: van Oranje-Nassau.

 

Am Donnerstag werden die Feierlichkeiten zum Thronwechsel eröffnet. Am kommenden Dienstag soll Willem-Alexander, der älteste Sohn von Königin Beatrix und dem 2002 verstorbenen deutschen Diplomaten Claus von Amsberg, mit einer grandiosen Staatszeremonie in Amsterdam als Regent eingesetzt werden. Nach 123 Jahre bekommt das Land damit wieder einen Mann als Staatsoberhaupt. Und abgesehen von einigen republikanischen Nörglern stehen die Niederländer kollektiv hinter ihrem künftigen Staatsoberhaupt.

Der Antritt des 46-Jährigen und seiner Ehefrau, der Argentinierin Máxima Zorreguieta (41), steht für einen Generationswechsel und damit möglicherweise auch eine zeitgemäßere Monarchie. In einem Fernsehinterview Mitte April inszenierte sich der neue König als bodenständig, sympathisch, selbstkritisch und pfiffig. Vorsichtig suchte er auch die Abgrenzung zu seiner Mutter, die etwas affektiert spricht, gern Majestät genannt wird und sich, anders als ihr Sohn, nie auf einem Fahrrad zeigen würde. Willem-Alexander betonte dagegen, er sei kein „Protokollfetischist“: „Die Leute dürfen mich anreden, wie sie wollen.“Die Niederländer kennen Willem-Alexander schon, seit er ein Baby war. Deshalb hat er weniger Abstand zum Volk als seine Mutter, die während des Krieges in der Emigration aufwuchs und erst nach ihrem 7. Geburtstag zurückkehrte. Die Bürger haben ihn als einen enthusiastischen Sportler und Unterstützer ihrer Sportmannschaften sowie in seinen Studententagen als Bierliebhaber kennengelernt. So lautete sein Spitzname lange Zeit „Prinz Pils“. In den vergangenen Jahren sind die Zweifel, die viele an seinen intellektuellen Kapazitäten äußerten, so gut wie verstummt. Dank einer intensiven Vorbereitung seit seinem 18. Geburtstag, dank wichtiger Funktionen innerhalb des Internationalen Olympischen Komitees und der Vereinten Nationen und nicht zuletzt dank des Einflusses der charismatischen Latina Máxima ist er ein gereifter Mann. Eine große Mehrheit der Bevölkerung traut ihm jetzt zu, ein guter König zu sein. Und die beliebte und attraktive Máxima, die am 30. April zur Königin wird, verleiht dem etwas steifen Willem-Alexander den für eine funktionierende Monarchie notwendigen Zauber.

Zwei Ereignisse wirken bei den Niederländern besonders nach

Das Königshaus hat turbulente Zeiten hinter sich, mit peinlichen Diskussionen, die sein Ansehen beschädigt haben. Groß war die Empörung angesichts der Vergangenheit von Máximas Vater, einem ehemaligen Minister der argentinischen Diktatur. Später provozierte der Kauf einer luxuriösen Ferienwohnung im fernen Mosambik einigen Ärger. Nur nach großem Wirbel in Medien und Politik sahen Willem-Alexander und Máxima vom Kauf ab. Auch die hohen Kosten für die Monarchie und Beatrix’ politischer Einfluss entfachten viele Diskussionen. Willem-Alexander hatte zudem oft bittere Auseinandersetzungen über die Privatsphäre seiner Familie, erschien in der Presse als Kontrollfreak. Außerdem haben die Niederlande seit Jahren mit einer wirtschaftlichen Krise zu kämpfen. Die Skepsis gegen die EU ist enorm; bedauert wird der Verlust der nationalen Souveränität an Brüssel.

Enge emotionale Beziehung zwischen Volk und Monarchen

Zudem wirken bei den Niederländern zwei Ereignisse besonders nach: Die beiden politisch motivierten Morde an dem rechtspopulistischen Politiker Pim Fortuyn im Jahr 2002 und an dem Filmregisseur Theo van Gogh 2004 änderten das grundsätzlich auf Konsens gerichtete gesellschaftliche Klima. Fortuyns politischer Erbe, Geert Wilders, profitierte davon mit einer Reihe großer Wahlsiege.

In der Folge machte Königin Beatrix Rechtspopulisten wie Wilders und seine Partei indirekt verantwortlich für das Schüren von Hass und Diskriminierung. Daraufhin prangerte Wilders die wichtige politische Rolle der Königin bei der Regierungsbildung an. In einer Koalition mit linken Parteien gelang es ihm 2012, die Befugnisse der Regentin stark einzuschränken. Diese Konfrontation verdeutlicht, dass die niederländische Monarchie ihren Platz als verbindende, überparteiliche und über gesellschaftlichen Turbulenzen stehende Instanz neu finden muss. Die Frage nach dem Abdanken der 75-Jährigen wurde auch deshalb immer lauter gestellt.Ob Willem-Alexander die einflussreiche politische Rolle des Staatsoberhauptes je zurückgewinnt, muss abgewartet werden. Die emotionale Beziehung zwischen der Familie van Oranje-Nassau und der Mehrheit des Volkes ist trotzdem sehr eng. Dazu haben auch der Anschlag während des Königinnentages in Apeldoorn 2009 und der schlimme Skiunfall von Prinz Friso, Beatrix’ zweitem Sohn, im vergangenen Jahr beigetragen.

Am Dienstag wird Ausnahmezustand herrschen

Doch der neue König wird seine Rolle auch neu definieren und eigene Akzente setzen müssen. Wie sehr er sich politisch einmischen kann, wird vom Rückhalt innerhalb der Bevölkerung abhängen. Und gerade darüber können Willem-Alexander und Máxima momentan nicht klagen. Allen Anzeichen nach werden sie ihre Popularität nutzen, um die Monarchie zu modernisieren und zukunftsfähig zu machen. Denn der Zukünftige sieht das Königshaus als eine Art Unternehmen und sich selbst als Manager. Er will liefern für das viele Steuergeld, das sich die Niederländer ihre Monarchie kosten lassen. Aber das Paar wird aufpassen müssen, dass dabei Tradition, Zauber und Würde der Monarchie, welche die historische Kontinuität und die Einheit der Nation verkörpern, nicht verloren gehen.

Das Märchen von König und Königin, Prinzen, Prinzessinnen und Palästen funktioniert auch nach 200 Jahren noch fabelhaft in den Niederlanden. Am kommenden Dienstag wird das nach einem positiven, nationalen Ereignis schmachtende Land im Ausnahmezustand sein. Das bevorstehende Volksfest für den Thronwechsel soll nicht nur als Liebeserklärung an die Monarchie zelebriert werden: Willem-Alexander und Máxima werden den Niederländern ihre sprichwörtliche Lockerheit zurückgeben. Zumindest für diesen einen Tag.