Ein Tag nach der Wahl erklärt der neue thüringische Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) seinen Rücktritt. Doch für eine Auflösung des Landtags zeichnet sich derzeit keine Mehrheit ab. Welche Möglichkeiten gibt es noch?

Erfurt - Nach der Rücktrittsankündigung des umstrittenen Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) scheinen Neuwahlen im Freistaat immer unwahrscheinlicher. Für die von Kemmerich angestrebte Auflösung des Landtags zeichnet sich derzeit keine Mehrheit ab. Es gibt aber andere parlamentarische Instrumente, um den Weg für die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten zu ebnen. Ein Überblick:

 

Was passiert bei einem Rücktritt?

In Artikel 75 Absatz 1 der Thüringer Landesverfassung ist geregelt, dass die Landesregierung und „jedes ihrer Mitglieder“ jederzeit ihren Rücktritt erklären können. Kemmerich kündigte dies an, trat aber offiziell noch nicht zurück. Danach bliebe er bis zur Wahl eines Nachfolgers geschäftsführend im Amt.

Was folgt nach dem Rücktritt?

Der Landtag würde einen neuen Ministerpräsidenten wählen - und zwar nach demselben Prozedere wie bei der umstrittenen Wahl Kemmerichs am Mittwoch. In den ersten beiden Wahlgängen ist laut Artikel 70 Absatz drei gewählt, wer die absolute Mehrheit der Landtagsmitglieder auf sich vereint - das wären im 90-köpfigen Parlament mindestens 46 Stimmen. Im dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Gewählt ist laut Landesverfassung, „wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält“.

Wie realistisch ist eine Auflösung des Landtags?

Kemmerich kündigte an, die Auflösung des Landtags mit dem Ziel von Neuwahlen zu beantragen. Doch die Hürden dafür sind hoch, und weder Rot-Rot-Grün noch die CDU streben Neuwahlen an. Gemäß Artikel 50 Absatz zwei muss die vorzeitige Auflösung des Landtags von einem Drittel der Abgeordneten beantragt werden - das wären 30 Parlamentarier. Die FDP-Fraktion hat lediglich fünf Mandate.

Diesem Antrag müssen wiederum zwei Drittel - also 60 Abgeordnete - zustimmen. Linke, SPD und Grüne haben zusammen 42 Sitze - FDP, CDU und AfD 48 Sitze. Mehrheiten sind daher unwahrscheinlich. Über den Antrag zur Auflösung darf frühestens am elften und muss spätestens am 30. Tag nach Antragstellung abgestimmt werden. Ist der Antrag auf Auflösung des Parlaments erfolgreich, muss die vorzeitige Neuwahl binnen 70 Tagen stattfinden.

Welche Optionen gibt es noch?

Sollte keine Mehrheit für eine Auflösung des Parlaments zustande kommen, will Kemmerich einen Vertrauensantrag stellen. Laut Artikel 74 der Landesverfassung ist der Vertrauensantrag abgelehnt, wenn ihm nicht mindestens 46 Abgeordnete und damit die Mehrheit des Landtags zustimmen.

Wie geht es nach einer verlorenen Vertrauensabstimmung weiter?

Das Parlament hat dann Zeit, binnen drei Wochen einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen. Ansonsten werden Neuwahlen angesetzt.

Können Neuwahlen auch auf andere Weise vermieden werden?

Ja. Eine Fraktion oder ein Fünftel der Abgeordneten kann ein konstruktives Misstrauensvotum beantragen. Artikel 73 legt fest, dass der Landtag dem Ministerpräsidenten das Misstrauen dadurch aussprechen kann, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt. Zwischen dem Antrag und der Wahl müssen mindestens drei, höchstens aber zehn Tage liegen.

Es gibt nur einen Wahlgang. Für die Wahl eines neuen Regierungschefs wären mindestens 46 Stimmen nötig. Linke, SPD und Grüne können aufgrund fehlender Mehrheiten den von Kemmerich aus dem Amt gestürzten Bodo Ramelow (Linke) nicht allein wählen. Sie bräuchten dazu Stimmen der anderen Parteien. Die CDU signalisierte inzwischen, dass sie sich der Rückkehr von Ramelow ins Amt offenbar nicht mehr in den Weg stellen will.