Wenn gar nichts mehr geht, muss das Technische Hilfswerk ran. 11 000 Ehrenamtliche im Land helfen bei Katastrophen, Kriegen, Unwettern – oft unter schwierigsten Bedingungen und unter Einsatz ihres Lebens.

Stuttgart - Dietmar Löffler ist mit Blaulicht groß geworden. „Ich bin in einer Feuerwehrfamilie aufgewachsen“, sagt der 55-Jährige. Als Teenager heuerte er selbst bei den Floriansjüngern an und absolvierte sämtliche Ausbildungen, die man als Feuerwehrler so absolvieren kann. Mittlerweile hat der Verwaltungswissenschaftler, der seine Diplomarbeit über den Katastrophenschutz geschrieben hat, zwar die Fahrzeugfarbe gewechselt. Dem Blaulicht ist er aber treu geblieben. Seit Kurzem leitet er als hauptamtlicher Landesbeauftragter das Technische Hilfswerk in Baden-Württemberg (THW) und löste nach fünf Jahren Stephan Bröckmann ab, der als Beauftragter für das Ehrenamt in die Bonner Zentrale gewechselt ist. Damit ist er Herr über knapp 11 000 ehrenamtliche und 108 hauptamtliche Helfer, die dann anrücken, wenn Not am Mann ist.

 

Unterstützt wird Löffler dabei von Michael Hambsch. Als neu gewählter Landessprecher folgt der 45-Jährige aus Waghäusel bei Karlsruhe auf Walter Nock. Der 67-Jährige aus Zell am Harmersbach (Ortenaukreis) hatte 27 Jahre die Belange der Freiwilligen innerhalb des THW und gegenüber der Politik vertreten. „Politiker können nur reagieren, wenn sie wissen, wo uns der Schuh drückt“, sagt Nock. Also hat er ihnen die drückenden THW-Schuhe gezeigt, wieder und wieder: die überalterten Fahrzeuge etwa oder die rückständige Ausstattung.

Zwischen Behörde und Verein

Ob es Nocks Beharrlichkeit war oder die Zeitläufte, die zeigten, wie notwendig das Hilfswerk im 65. Jahr seines Bestehens ist, man weiß es nicht. Fakt ist: „Es ist viel investiert worden in den letzten Jahren“, sagt Löffler. Der Etat ist seit 2015 bis heute von 15 auf 20 Millionen Euro gestiegen. Das THW ist ein weltweit einmaliges Konstrukt. Einerseits ist das Hilfswerk als Bundesbehörde dem Bundesinnenministerium zugeordnet. Andererseits wird die Arbeit des THW getragen von Freiwilligen, nur ein Prozent sind Hauptamtliche. 99 Prozent der blau Uniformierten lassen sich als ehrenamtliche Helfer zu Einsätzen in aller Welt entsenden. Wenn nach Katastrophen möglichst schnell viele Menschen ein provisorisches Dach über dem Kopf brauchen, wenn Trinkwasserversorgungen aufgebaut, Stromleitungen gelegt, Hochwasser abgepumpt und Menschen geborgen werden müssen – dann sind die THW-Helfer gefragt.

Auslandseinsätze gab es schon immer. Zur großen Sturmflut, die 1953 Holland und England unter Wasser setzte, entsendete die Bundesrepublik THW-Helfer ebenso wie 1988 nach Armenien, als dort ein schweres Erdbeben eine ganze Region erschüttert hat. Heute allerdings gehören die Hilfe im Notfall und die Unterstützung beim Wiederaufbau im Ausland zu den gesetzlichen Aufgaben, das THW ist andauernd unterwegs. Der neue Landessprecher Michael Hambsch etwa sitzt ständig auf gepackten Koffern. Als Schnelleinsatzleiter Wasser muss er innerhalb von sechs Stunden am Flughafen sein, wenn irgendwo in der Welt schnell Trinkwasserstationen aufgebaut werden müssen. Der Berufsschullehrer war in Ruanda, als zwei Millionen Menschen vor dem Völkermord der Hutus flohen. Er half 2004 nach dem Tsunami in Sri Lanka, er arbeitete in Indonesien, Pakistan, Ghana, Bosnien, Russland.

Manche Bilder lassen die Helfer nicht mehr los

Michael Hambsch ist als Jugendlicher über einen Klassenkameraden zum THW gekommen. Nach der Schule verpflichtete er sich für zehn Jahre beim THW und musste als Ersatzdienstleistender weder Zivildienst noch Bundeswehr ableisten. Hambsch blieb auch danach dabei, nicht nur der Auslandseinsätze wegen. Auch im Land sind die Zivilschützer immer wieder gefragt – bei den Starkregen im vergangenen Jahr ebenso wie zu Hochzeiten der Flüchtlingskrise 2015. Hambsch wurde damals für ein Jahr vom Schuldienst beurlaubt, um die schnelle Unterbringung und Versorgung der Menschen im Heidelberger Raum zu organisieren. Von Einsätzen komme man immer zufrieden zurück: „Man konnte helfen“, sagt Hambschs Vorgänger Walter Nock, der sich jetzt Ehren-Landessprecher nennen darf. Diesem erfüllenden Gefühl gehen indes harte Arbeit und Erlebnisse voraus, die nicht leicht zu verarbeiten sind. Nach manchen Einsätzen habe er „den Leichengeruch noch vier Wochen später in der Nase gehabt“, sagt Nock.

Es hat Zeiten gegeben, da schien das THW ausgedient zu haben. Nach der Wiedervereinigung hat Dietmar Löffler in der Bonner Zentrale an Abwicklungskonzepten für den Zivilschutz mitgearbeitet. Der Kalte Krieg war beendet, die Bedrohung durch Kriege, so schien es, war vorbei. Das änderte sich mit den Anschlägen vom 11. September 2001 und den Ereignissen danach. Seitdem ist auf der Welt wieder vieles aus den Fugen geraten. Das erzeugt eine Dynamik, die sich auch beim THW bemerkbar macht: „Die Anforderungen an uns sind größer geworden“, sagt der neue Landesbeauftragte Dietmar Löffler. Die Kernaufgabe indes bleibt: der Schutz der Bevölkerung.

Das THW und seine Geschichte

Die Gründung

Am 22. August 1950 vereinbarten der damalige Bundesinnenminister Gustav Heinemann und der Architekt Otto Lummitzsch den Aufbau einer Zivil- und Katastrophenschutzorganisation. 1952 wurde das Technische Hilfswerk offiziell gegründet und ein Jahr später zur Bundesanstalt erklärt. Lummitzsch war bis 1955 der erste Direktor. Allein in diesem Zeitraum wuchs die Zahl der ehrenamtlichen Helfer bundesweit von 6000 auf 40 000. Heute sind es mehr als doppelt so viele, die in 668 Ortsverbänden organisiert sind. In Baden-Württemberg sind die 11 000 Helfer in 93 Ortsverbänden zusammengeschlossen.

Die Aufgaben

Das THW verfügt über verschiedene Fachgruppen. Die Helfer können binnen Kurzem Beleuchtungen installieren, Brücken bauen, die Versorgung mit Strom oder Trinkwasser aufbauen. Sie helfen bei Öl- oder Wasserschäden, beim Räumen und Bergen oder bei der Ortung. Dieses Ehrenamt fordert den Einzelnen und auch ihren Arbeitgebern, die ihre Mitarbeiter für einen THW-Einsatz freistellen müssen, eine ganze Menge ab. 2015, im Jahr der Flüchtlingskrise, leisteten die Ehrenamtlichen bundesweit mehr als eine Million Einsatzstunden. Die zentrale Ausbildungsstätte für THW-Helfer befindet sich übrigens in der Region Stuttgart. In der THW-Schule in Neuhausen auf den Fildern werden jährlich etwa 2500 Schüler unterrichtet.