Ende August machte ein Jungtier aus dem Norden bundesweit Schlagzeilen: Flumo. Es bestand die Möglichkeit, dass es eine Mischung aus Schaf und Ziege ist. Nun liegt das Ergebnis der DNA-Analyse vor.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Enttäuschung in Schafstall und Universität: Bei dem Mitte August auf einem Resthof bei Glücksburg an der Flensburger Förde geborenen Jungtier Flumo handelt es sich nicht wie vermutet um eine seltene Schiege.

 

Die Analyse des Blutes habe ergeben, dass es sich um ein Schaf handelt, und nicht um eine Mischung aus Schaf und Ziege, sagt der Nutztierforscher Clemens Falker-Gieske von der Universität Göttingen. „Wir sind schon ein bisschen enttäuscht, dass Flumo nun doch ein Schaf ist.“ Man habe gehofft, dass Flumo ein zweiter Ziege-Schaf-Hybrid ist, den man erforschen könnte.

Vor Jahren machte schon einmal eine Schiege Schlagzeilen

Schafe und Ziegen gehören biologisch zur gleichen Unterfamilie der Ziegenartigen. Sie haben aber einen unterschiedlichen Chromosomensatz. Während Ziegen 60 Chromosomen aufweisen, haben Schafe nur 54. Dies macht Kreuzungen schwierig.

Vor zehn Jahren sorgte schon einmal ein solches Mischwesen für bundesweite Schlagzeilen, als im Landkreis Göttingen eine Schiege geboren wurde. Flumo sei der einzige Fall seitdem, der ihm bekannt sei, erklärt Falker-Gieske. „Die Dunkelziffer kennen wir nicht.“ Es könne natürlich sein, dass es „hier und da“ mal auftrete, dass Ziegen und Schafe Nachkommen zeugten.

Schiege: Im Gegensatz zum Cama kann es in freier Wildbahn zur Paarung zwischen Schafbock und Ziege (oder umgekehrt) kommen. Selten wird eine Schiege geboren. Foto: dpa

Flumo bleibt Maskottchen des Flugmodus-Festivals

Der kleine Bock Flumo hat weißes Fell mit braunen Flecken – genauso wie Ziegenbock Rune, der seit Jahren mit einer kleinen Schafsherde auf der Koppel hinter dem Haus lebt. Der einzige Schafsbock in der Herde hat dunkles Fell. Der kleine Bock ist geboren worden, als auf dem Hof das Flugmodus-Festival veranstaltet wurde. Daher war der Name für den Nachwuchs schnell klar: Flumo.

Der Hofbesitzer Dag sagt: „Ich bin nicht tieftraurig, aber enttäuscht bin ich schon.“ Auch, weil die Geschichte damit zu Ende sei. An seinem Verhältnis zu dem kleinen Bock ändere sich nicht. „Flumo bleibt auch das Maskottchen des Flugmodus-Festivals.“

Zebresel

Als im Erlenbacher Bergtierpark in Rheinland-Pfalz ein Eselhengst 1979 unbeobachtet in das Steppenzebragatter gelangen konnte, ließ eine Zebra-Dame offenbar ihre Scheu fallen und gebar nach erfolgreicher Paarung 1980 ein weibliches Zebroid. Dieses Zebresel genannte Tier lebte 29 Jahre lang als Rarität im Bergtierpark bis zu seinem natürlichen Tod im Jahr 2009.

In der Pferdeausstellung des Naturhistorischen Museums in Mainz (Rheinland-Pfalz) steht seit 2016 der präparierte Zebresel. Bei dem Tier handelt es sich um eine Kreuzung aus einem Eselhengst und einer Zebrastute und ist in dieser Form sehr selten, da die Paarung der beiden Arten ausgesprochen schwierig ist. Foto: dpa

Nach seinem Ableben wurde das Tier präpariert und steht seitdem im Naturhistorischen Museum Mainz. Kreuzungen zwischen Zebra und Esel werden Zebrule (von englisch „zebra“ und „mule“), Zonkey (von „zebra“ und „donkey“), Zesel oder Zebresel genannt, wobei der Vater ein Zebra ist. Fohlen einer Zebrastute sind aufgrund des aggressiveren Paarungsverhaltens der weiblichen Tiere noch sehr viel seltener als Zesel.

Der Zebresel gehört zu den Zebroiden – Hybride innerhalb der Gattung Pferde aus Kreuzungen zwischen einem Zebra und einer anderen Pferdeart.

Grolar und Pizzly

Auch der Bär, den ein Jäger 2010 in der westkanadischen Arktis vor die Flinte bekam, war ein zoologisches Kuriosum. Braune Beine und Tatzen wie ein Grizzly, dickes weißes Fell wie ein Polarbär. Grolar oder Pizzly nennen die Kanadier diese ungewöhnliche Kreuzung, von der bisher nur wenige Exemplare gesichtet wurden. Die Tiere sind eine Hybrid-Bildung, die aus der Paarung zwischen Eltern verschiedener Arten hervorgegangen ist: Mutter Eisbär, Vater Grizzly.

izzly/Grolar: Von dieser Hybridart sind zwei Exemplare aufgetaucht: 2006 und 2010. Beim zweiten Individuum handelte es sich um die zweite Generation-Grolar-Bär. Die Mutter war eine Kreuzung aus Grizzly und Eisbär. Foto: AP/dpa

Betriebsunfall der Natur?

Lange Zeit dachte man, dass Seitensprünge im Tierreich eine Art Betriebsunfall der Natur seien. Hybrid-Individuen galten als seltene Ausnahme, die in der Evolution nicht vorgesehen war. Die Paarung verschiedener Arten war das Ergebnis menschlicher Zucht und nicht natürlicher Arterhaltung.

In der Regel ist der Nachwuchs (zwischenartliche Hybride) steril und kann sich nicht fortpflanzen. Biologen haben ihnen deshalb in freier Wildbahn kaum Beachtung geschenkt.

Hinzu kommt: Hybride sind von ihrer Elternart kaum zu unterscheiden. Die morphologische Ähnlichkeit ist in der Natur so groß, dass man spezielle genetische Methoden benötigt, um sie zu identifizieren.

Tigon: Wenn man die Kreuzung umkehrt – Vater Tiger, Mutter Löwin –, ergibt dies einen Tigon. Im Gegensatz zum Liger sind Tigons deutlich kleiner als ihre Elternart, zudem ist die Sterberate der Föten weit höher. Foto: dp
Liger: Liger sind Kreuzungen aus Löwenmännchen und Tigerweibchen. In freier Wildbahn gibt es keine Paarung, weil sich die Lebensräume nicht überlappen. Liger werden in Zoos und Zirkussen geboren. Foto: dpa

Hoher Anteil an hybridisierenden Arten

Erst nachdem Ende der 1980er Jahre molekulargenetische Verfahren auch in der Zoologie Anwendung fanden, zeigte sich, dass Kreuzungen unterschiedlicher Arten gar nicht so selten vorkommen wie angenommen. Hybride sind Biologen zufolge kein Betriebsunfall der Evolution, sondern ein Nebeneffekt, der auftritt, wenn Arten entstehen.

In allen Tiergruppen gibt es einen relativ hohen Anteil hybridisierender Arten. Anders als bei Säugetieren findet sich bei Vögeln, Amphibien und Reptilien nur eine geringe Sterilitätsrate. Kreuzungen zwischen Individuen unterschiedlicher Arten oder Entwicklungslinien sind bei Organismen also die Regel und nicht die Ausnahme.

Eigentlich nicht möglich: 2006 wurden im Zoo von Kopenhagen Ferkel geboren, deren Vater ein wilder Eber und deren Mutter eine zahme Sau war. Foto: dpa
Cama: Das Wort stammt aus dem Spanischen und bedeutet Bett. Das Cama ist eine Kreuzung aus Lama und Kamel, also ebenfalls eine Züchtung in Gefangenschaft. Foto: dpa

Durch die Vermischung der Genome (Erbgut) könne es zur Ausbildung von Genotypen (genetischer Ausstattung) kommen, die unter Umständen besser an die Umweltbedingungen angepasst sind als die der beiden interagierenden Elternarten. So können beispielsweise verwandte Arten wie der Narwal und Belugawal die Grenzen ihrer eigenen Art durchbrechen und erfolgreich fruchtbare Hybride zeugen.

Darwins Evolutionslehre

Die Hybridisierung passt übrigens perfekt in die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882). Nicht der Stärkere überlebt, sondern derjenige, der sich den sich den wandelnden Umweltbedingungen am besten anpasst.

Wenn die Umweltfaktoren sich verändern wie etwa durch die globale Erwärmung, entstehen neue Selektionsmechanismen. Der Eisbär muss flüchten, weil sein Lebensraum schwindet. Er trifft auf den Grizzly, es kommt zur Überlappung von Arten.

Zorse: Als Zorse bezeichnet man die Kreuzung zwischen Pferd und Zebra. Sie weist eine größere Ähnlichkeit mit einem Pferd als mit einem Zebra auf. Eine Paarung in freier Wildbahn ist äußerst selten. Foto: dpa
Maultier: Hybride Säugetierarten sind häufig steril – sie können sich nicht fortpflanzen. Das gilt auch für Maulesel und Maultier, bei denen Pferd und Esel gekreuzt werden. Foto: dpa

Botanisches Prinzip

In der Botanik ist das Prinzip der Hybridisierung seit langem bekannt und ein Garant für eine hohe genetische Variabilität. Die Folge ist ein hohes Evolutionspotenzial, da eine große Anzahl verschiedener Genotypen der Selektion angeboten wird. In der pflanzlichen Hybrid-Zucht führt dieser Effekt zu deutlich mehr Vitalität und Leistungsfähigkeit. So können die Erträge etwa bei Mais durch Kreuzungen verdoppelt werden.

Ob es auch in der menschlichen Evolutionsgeschichte ähnliche Prozesse gab und Neandertaler-Hybride (eine Vermischung von Neandertaler und Homo sapiens) – existierten, ist umstritten. DNA-Analysen haben ergeben, dass die Erbanlagen des Neandertalers sich nur in geringem Maße von denen des heutigen Menschen unterscheiden.