Sie springen sicher von Ast zu Ast, auch wenn sie dünn und wackelig sind: Eichhörnchen sind wahre Baum-Akrobaten. Ein Wissenschafts-Team hat nun untersucht, wie die Sprung-Technik funktioniert – und wie die Tiere Fehler beim Springen ausgleichen.

Omaha/Berkeley - Bei seinem ersten Ausflug zögert des kleine Eichhörnchen offensichtlich: Soll es den Sprung hinüber zum Ast des Nachbarbaumes wagen, den seine Mutter gerade vorgemacht hat? Die Entfernung ist gar nicht so groß. Aber ein Fehlgriff und ein Sturz aus der Höhe könnte den Youngster schließlich schwer verletzen oder sogar töten. Erst nach ein paar Sekunden stößt er sich ab und landet erfolgreich. Ganz ähnlich wie der Nachwuchs der Eurasischen Eichhörnchens wägen offensichtlich auch die ausgewachsenen, nahe verwandten Fuchshörnchen an der nordamerikanischen Pazifikküste kurz einen unbekannten Sprung ab, berichten Nathaniel Hunt von der University of Nebraska Omaha und sein US-Team in der Zeitschrift Science.

 

Offensichtlich werden den kleinen Akrobaten im Geäst der Wälder Europas, Asiens und Amerikas ihre fast schwerelos wirkenden Sprünge also nicht in die bei Eichhörnchen „Kobel“ genannte Wiege gelegt. Die Tiere mit den buschigen Schwänzen müssen die physikalischen Gesetze der Fortbewegung in den Baumwipfeln erst lernen.

Dünnerer Ast, kürzerer Sprung

Vom Stamm bis zu den äußersten Zweigen werden die Äste immer dünner. Das klingt trivial, bringt die Hörnchen aber in eine Zwickmühle: Klettern sie möglichst weit auf einem Ast hinaus, verringert sich meist die Entfernung zum nächsten Ast des Nachbarbaumes, und der Sprung erfordert weniger Kraft. Je dünner der Ast aber wird, umso wackliger ist er. Stößt das Eichhörnchen sich beim Sprung vom Ast ab, drückt also ein größerer Teil seiner Kraft das Ästchen nach hinten oder unten.

Für den Sprung selbst bleibt daher erheblich weniger Energie übrig und das Tier kann von einem dünnen, flexiblen Ästchen nur deutlich kürzer springen. Startet das Eichhörnchen von einer Stelle näher am Stamm, federt der dicke Ast dort praktisch kaum zurück und die ganze Kraft landet im Sprung. Der aber muss das Tier jetzt auch viel weiter durch die Luft tragen.

Wie die Hörnchen in der Praxis aus dieser Zwickmühle entkommen, untersuchte das Team in einem kleinen Wäldchen auf dem Campus der Universität in Berkeley in Kalifornien. Dort lebende Fuchshörnchen wurden mit Erdnüssen hinter eine Stahlwand gelockt. Über eine steile Rampe aus Holz flitzten die Tiere flink zu einer dünnen Stange aus Birkenholz hinauf, die nur an einem Ende befestigt war. Unter dem Gewicht der 560 bis 985 Gramm schweren zwölf Versuchstiere bog sich dieses Stängchen am nicht befestigten Ende zwar deutlich nach unten. Für die Fuchshörnchen war es aber kein Problem, die halbe Erdnuss zu holen, die sie am Ende des künstlichen Ästchens in einer Schale erspäht hatten.

Mit Überschwung ans Ziel

In der Theorie sollte diese Übung schwieriger werden, wenn das Schälchen mit dem verlockenden Futter einen halben Meter vom Ende des künstlichen Ästchens entfernt neben einer dünnen Stange lockt, die in der Stahlwand befestigt ist. Auf den Aufnahmen von Hochgeschwindigkeitskameras sahen die Forscher, dass die Hörnchen in der Praxis jeweils ein ganzes Stück vor dem Ende des Kunst-Ästchens zum Sprung ansetzten.

Offensichtlich bevorzugen die Tiere eine möglichst starre Absprungstelle und nehmen die größere Entfernung zum Ziel in Kauf. In weiteren Experimenten boten die Forscher den Fuchshörnchen daher gleich eine feste Plattform für den Absprung an. Nur befestigten sie die Stange mit der schmackhaften Erdnuss bis zu eineinhalb Metern entfernt. Obendrein lag das Ziel manchmal noch 20 Zentimeter höher oder tiefer als der Absprungpunkt. Auch diese Übung meisterten die Fuchshörnchen hervorragend, auch wenn sie die Stange teils ein wenig zu hoch oder zu tief erreichten.

Solche Fehler kann ein geschicktes Hörnchen aber ausbügeln, indem es mit den Vorder- oder Hinterfüßen das Stängchen greift und anschließend mit einem Über- oder Unterschwung um das Ziel herumwirbelt und so die Bewegung abbremst. Die Tiere lernten ihre Lektion rasch: Je öfter sie sprangen, umso genauer erreichten sie ihr Ziel und schafften manchmal sogar eine Punktlandung. Kein einziges Mal stürzte ein Hörnchen ab.

Perfekte Körperbeherrschung

Stattdessen verblüfften die Tiere Nathaniel Hunt und sein Team bei den größten Abständen zwischen Absprungpunkt und Landestange mit einer akrobatischen Einlage. Statt direkt 150 Zentimeter weit zu springen und damit die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu testen, nutzten die Hörnchen eine Art Billard-Effekt. Sie sprangen nicht direkt zur Stange, sondern stießen sich in Richtung auf die Stahlwand nach oben ab, drehten ihren Körper während des Fluges, um sich mit den Füßen von der Wand abzustoßen und so mit zusätzlichem Schwung zur Stange weiterzufliegen. Wenn sie ihr Ziel nicht perfekt erreichten, korrigierten sie ihre Flugbahn mit den Vorderpfoten und griffen die Stange mit den Hinterpfoten. Mit einer perfekten Körperbeherrschung erreichen Eichhörnchen also auch über Bande das Schälchen mit der leckeren Erdnuss.