Zehntausende Jahre ernährten sich Höhlenbären von Pflanzen. Dann verliert sich ihre Spur plötzlich. Doch nicht die Eiszeit soll dem Tier den Garaus gemacht haben, sondern der Mensch, sagen Forscher. Auch auf der schwäbischen Alb spielten sich Höhlenbär-Dramen ab.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Tübingen - Der Mensch ist deutlich stärker für das Aussterben des Höhlenbären verantwortlich als bislang angenommen. Das hat ein internationales Forscherteam durch den Vergleich von Bären-Erbgut aus mehr als einem Dutzend Höhlen in Europa herausgefunden.

 

„Der dramatische Einbruch in Vielfalt und Population des Höhlenbären geht nach einer vergleichsweise stabilen Phase zeitlich einher mit dem Auftreten des modernen Menschen“, sagt Verena Schünemann vom Institut für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich.

Lebensweise des Höhlenbären hat Ausrottung beschleunigt

Aus dem mitochondrialen Erbgut von 59 Höhlenbären und aus bereits veröffentlichten Daten rekonstruierten die Wissenschaftler einen umfassenden Stammbaum. Daraus lässt sich das Aussterben der Art vor etwa 20 000 Jahren weitgehend verfolgen, wie die Experten aus Jena und Tübingen sowie aus Frankreich, Italien, Serbien, Spanien und Polen im Fachjournal „Scientific Reports“ berichten. „Erstmals sind anhand dieser Daten Diversität und Population des Höhlenbären fassbar“, erklärt Schünemann.

Die Lebensweise des Höhlenbären, der von circa 400 000 bis 20 000 Jahren lebte, hat den Wissenschaftlern zufolge die Ausrottung sicher beschleunigt: Die Pflanzenfresser lebten demnach in der Nähe ihrer Geburtshöhlen, die meist in besonders günstigem und fruchtbarem Gelände lagen. So sei der Mensch, der ebenfalls Höhlen für sich beanspruchte, zunehmend zum natürlichen Konkurrenten des ortstreuen Bären geworden.

Die durch die hohe Zahl erlegter Exemplare dezimierte Bären-Population habe sich nicht mehr erholen können. Zusätzlich verwundbar wurde das Pelztier durch die Pflanzenknappheit während der letzten Eiszeit.

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Funde auf der Schwäbischen Alb

Es sei anzunehmen, dass Jagd, Klima und Nahrungsknappheit Einfluss auf das Aussterben gehabt hätten. „Aber mit unseren Daten rücken wir den Menschen mehr in den Focus und gewichten den menschlichen Einfluss stärker“, sagte Schünemann. Insgesamt nahmen die Wissenschaftler Knochen und Höhlenbär-Erbgut aus 14 Höhlen in Europa in den Blick, darunter die Karsthöhle Hohler Fels im GeoPark Schwäbische Alb.

Drama im Hohle Fels

Vor Zehntausenden von Jahren war auch auf der Schwäbischen Alb das Reich des mächtigen „Ursus spelaeus“. Im Schutz des Felsengewölbes verbrachte er seinen Winterschlaf, während draußen eisige Winde fegten und meterhoher Schnee die baumlose Tundra bedeckte. Irgendwann vor 35 000 Jahren könnte sich im Dunkel der Höhle ein Drama abgespielt haben.

Menschen der steinzeitlichen Kultur des Aurignacien stießen auf der Suche nach Unterschlupf und Beute auf einen schlafenden Bären und töteten ihn. Von dem Kampf auf Leben und Tod zeugt bis heute ein Brustwirbel des Raubtieres, in dem noch die abgebrochene Spitze eines Speeres aus Feuerstein steckt und auf dem Schnittspuren zu sehen sind. Es ist der weltweit einzige Hinweis für die Jagd auf den vor Tausenden von Jahren ausgestorbenen Predator.

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Im Winterschlaf verendet

Bislang waren die Gründe für das Aussterben des Höhlenbären unklar. Manche Forscher vermuteten, die Spezialisierung auf bestimmte Nahrung könnte dazu geführt haben. Oft sei der Bär im Winterschlaf verendet, weil der Pflanzenfresser nicht ausreichend Winterspeck ansetzen konnte für längere und strengere Kälteperioden.

Allerdings habe der Höhlenbär vorher zwei Kältephasen überstanden, sein Aussterben begann zudem bereits vor dem letzteiszeitlichen Maximum vor rund 25 000 Jahren, schreiben die Wissenschaftler in „Scientific Reports“.

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Höhlenbären dienten Steinzeitmenschen als Nahrung

Dass Höhlenbären von Menschen gejagt wurden, ist kein Geheimnis, nur der Umfang war bislang unklar. Es wurden Skelettreste der Bären mit Pfeilspitzen gefunden, andere Knochenfunde weisen Schrammen und Schnitte auf. „Höhlenbären wurde auch der Kopf abgetrennt, sie wurden entfleischt und dienten dem Menschen als Nahrung“, sagt Ko-Autorin Susanne Münzel vom Institut für naturwissenschaftliche Archäologie an der Universität Tübingen.

Der Höhlenbär (Ursus spelaeus) gehörte zur sogenannten Megafauna – also Großtieren. Erste Exemplare stammen aus der Zeit vor rund 47 000 Jahren, sein Aussterben datieren die Experten derzeit ungefähr auf die Zeit vor 20 000 Jahren. Der Höhlenbär tritt somit ungefähr zur selben Zeit auf wie der Mammut, das Wollnashorn, der Riesenhirsch und der Höhlenlöwe, die ebenfalls alle ausgestorben sind.