Eine Spinnenart hat sich in ganz Deutschland ausgebreitet: Die recht schön gezeichnete Wespenspinne (Argiope bruennichi) baut ihr Netz niedrig in der Vegetation – und hat es hauptsächlich auf Grashüpfer abgesehen.

Fellbach - Zugegeben, Spinnen sind nicht bei jedem beliebt. Doch diese ist eine echte Schönheit. Auf ihrem Hinterleib ist sie gelb, schwarz und weiß gestreift, auch die Beine sind gelb-schwarz. Den Namen Wespenspinne hat sie nicht zu unrecht bekommen. Doch mit Wespen hat sie ansonsten wenig zu tun, sie ist kein Insekt, wie man beim Nachzählen der Beine feststellen kann. Selbstverständlich hat sie als Spinne acht. Zebra- oder Tigerspinne wird sie auch genannt. Mit letzterem Namensgeber teilt sie allenfalls die Eigenschaft, dass sie im hohen Gras auf Jagd geht.

 

Meistens gehen ihr Grashüpfer ins Netz

Dabei ist gehen nicht ganz richtig. Sie hängt sich vielmehr richtig rein, kopfüber und mittendrin – in ihrem Netz, das sie gerne an Stellen mit höherem Gras oder niedrigen Sträuchern spannt. Auf den ersten Blick ähnelt es dem Netz einer Kreuzspinne. Doch deren feine Fangkonstruktion ist meist in größerer Höhe gewoben. Die Wespenspinne dagegen baut nie über Kniehöhe. Außerdem erkennt man in ihrem Netz ein feines, weißes zickzackförmiges Band, das aus einem Gespinst mehrerer Spinnweben besteht. So lauert die Wespenspinne auf Beute. Meist Heuschrecken, aber auch mal eine Wespe, Wildbiene oder ein Nachtfalter. Meistens gehen ihr Grashüpfer ins Netz. Die Beute wird blitzschnell eingepackt und mit einem Biss gelähmt, bevor sie innerlich verflüssigt und dann ausgesaugt wird.

Besonders erfolgreich ist die schöne Spinne auf wärmebegünstigten Flächen mit halbhoher und strukturreicher Vegetation, wo viele Heuschrecken und andere Beutetiere herumhüpfen. So findet man sie vor allem auf Brachen und Ruderalflächen, anderen grasigen Standorten wie den Streuobstwiesen rund um Hartwald und Kappelberg, auch an breiten Wegrändern.

Ein idealer Standort wäre das Naturdenkmal Pfeiferhalde unterhalb des Waldschlössles

Während sie auf dem Schmidener Feld kaum zu finden ist, bieten die Magerrasen auf dem Kappelberg ideale Bedingungen. In den angrenzenden Weinbergen kann man sie antreffen, wo zwischen den Rebzeilen oder an den Rändern die Vegetation etwas höher steht.

Ein idealer Standort wäre das Naturdenkmal Pfeiferhalde unterhalb des Waldschlössles. Doch diese Fläche wurde kürzlich gründlich gemäht. Nur noch ein Wespenspinnennetz wurde dort gefunden, aber leer. Überall dort, wo im Spätsommer gemulcht und gemäht wird, sinken die Überlebenschancen dieser Art gegen null. Kleine Randbereiche oder ein paar Quadratmeter, die ausgespart bleiben, können zur „Rettungsinsel“ werden.

Auf solche teilweise isoliert liegenden Flächen wandern die Spinnen nicht zu Fuß ein. Nein, sie schweben ein. Die Jungspinnen, die im Mai aus dem Kokon hervorkommen, lassen sich mit einem seidenen Faden vom Wind tragen und gelangen so an bisweilen weit entfernte Habitate.

Mit der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau hat es die Wespenspinne nicht so sehr

So erklärt sich auch, warum diese Spinnenart Mittel- und sogar Nordeuropa geradezu rasant erobert hat. In Deutschland gab es vor etwa 100 Jahren nur zwei Gegenden, in denen sie vorkam: den Oberrheingraben und Berlin, beides Wärmeinseln. Von diesen beiden Gebieten breitete sie sich in alle Richtungen weiter aus. So wurde die erste Wespenspinne 2004 in Norwegen gefunden. Ihre Verbreitungsgrenze verschiebt sich immer weiter nordwärts, insofern scheint diese Art ein Gewinner der Klimaerwärmung zu sein. Die Spezies scheint ihre exklusive ökologische Nische zu haben und macht den anderen Spinnenarten keine Konkurrenz, vermutlich alleine aufgrund der niedrigen Netzhöhe. Ein gelungenes Beispiel für Integration, könnte man sagen. Mit der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau hat es die Wespenspinne nicht so sehr. Bei ihr haben die großen Weibchen das Sagen. Sie sind gut viermal so groß wie die Männchen. Diese trauen sich zur Paarung nur mit höchster Vorsicht an das Netz der auserwählten Spinnendame. Dabei geben sie am Faden zupfend ein Erkennungssignal, um nicht sogleich mit Beute verwechselt zu werden. Nach erfolgreicher Begattung werden die meisten Männchen von den Weibchen dennoch geschnappt und wie ein Beutetier verarbeitet – als Ressource für die gemeinsame Nachkommenschaft.

Nach der Paarung produzieren die Weibchen in der näheren Umgebung ihr Gelege

Das Männchen hat sich immerhin eine exklusive Vaterschaft gesichert, weil der Körperteil für die Übertragung der Spermien in der Geschlechtsöffnung des Weibchens abbricht und diese gegenüber weiteren Begattungen verschließt.

Nach der Paarung produzieren die Weibchen in der näheren Umgebung ihr Gelege, das sie mit einem dicht gewobenem, hellbraunen Kokon umspinnen. Diese kugelig-eiförmige Struktur ist etwa ein bis drei Zentimeter im Durchmesser und erinnert an einen Lampion. Die Mutterspinne bewacht das Gelege bis zu ihrem baldigen Tod. Etwa in dieser Zeit schlüpfen die Jungspinnen aus den Eiern, verbleiben aber den Winter über im Kokon. Im Frühjahr krabbeln sie hervor und erklimmen eine erhöhte Stelle. Von dort beginnt die Reise ins Irgendwo. Mit ihrem Spinnfaden lassen sie sich in die Lüfte heben, bis sie wieder Boden unter den Füßen haben. Je nach Strömung und Thermik kann das auf dem Kappelberg sein oder erst an den Katzenstufen bei Meißen.

Steckbrief

Die Wespenspinne ist sicherlich eine der attraktivsten einheimischen Spinnenarten. Die Weibchen werden eineinhalb bis fast zwei Zentimeter lang. Die Färbung ihres Hinterleibs hat ihr die Bezeichnungen Wespen-, Zebra- oder Tigerspinne eingebracht. Die Männchen werden nur etwa einen halben Zentimeter groß. Sie sind eher unscheinbar braun gefärbt, der Hinterleib hat helle und dunkle Längsstreifen.

Als Beute gehen ihnen hauptsächlich Feldheuschrecken in das bodennahe Netz. Sie treten dadurch nicht in Nahrungskonkurrenz zu anderen Radnetzspinnen, die ihre Fangnetze in der Regel viel höher anbringen und hauptsächlich fliegende Insekten erbeuten.

Der – theoretische – Biss einer Wespenspinne wäre für einen Menschen ungefährlich, allenfalls schmerzhaft. Die Kieferklauen können die Haut gar nicht durchdringen, da sie zu kurz sind. Nur an ganz dünnen Hautpartien wäre das möglich.