Ob auf dem Schmidener Feld oder in den Weinbergen, der Bluthänfling (Carduelis cannabina) kommt hie und da noch recht häufig vor. Trotzdem werden die meisten den Vogel gar nicht kennen.

Fellbach - Überall rings um Fellbach zwitschert ein Vogel auf Sträuchern und Büschen, aber auch im Wengert auf den Rebdrähten sitzend. Ein Vogel, der den meisten Spaziergängern gänzlich unbekannt sein dürfte, obwohl er eigentlich bei uns recht häufig vorkommt. Es ist der Hänfling, genauer gesagt der Bluthänfling. Na? Hand aufs Herz. Hätten Sie den Piepmatz gekannt?

 

Aktuell in der Paarungszeit sieht man Männchen und Weibchen sehr eng zusammen

Der Bluthänfling ist ein schlanker, langschwänziger Fink, etwas kleiner als ein Buchfink oder ein Sperling, dem er auf den ersten Blick sehr ähnelt. Sein Rücken ist braun mit dunkler Strichelung, die Bauchseite hell, der Kopf ist matt grau, ebenso die Schwanzfedern. Auffallend sind im Prachtkleid der Männchen die blutroten Flecken an der Stirn und an den beiden Seiten der Brust. Diese Färbung verliert sich außerhalb der Brutzeit, den Weibchen fehlt sie ohnehin. Bei ihnen und jungen Männchen ist die beige Brust leicht dunkel gestrichelt. Im Flug kann man einen gegabelten Schwanz mit hellen Außenfahnen sowie helle Bereiche an den Handschwingen der Flügel erkennen. Die oberflächliche Ähnlichkeit mit Spatzen ist sicher Grund dafür, warum diese Vogelart ein so unerkanntes Dasein führt.

Aktuell in der Paarungszeit sieht man Männchen und Weibchen sehr eng zusammen. Hänflinge sind eigentlich fast immer paarweise unterwegs. Und wo ein Hänflingpärchen zu sehen ist, ist meistens das nächste nicht sehr weit. Dieser sehr gesellige Vogel brütet also gerne in Nachbarschaft anderer Artgenossen. Dabei kommt es auch vor, dass mehrere Hänflinge gemeinsam zwitschern und singen, ein bisschen wie im Chor. Der Gesang ist ein melodischer Mix aus Silben, die dem Flugruf („gigig“) ähneln und mit wohlklingenden Pfeiftönen („Piuu“) und sprudelnden und trillernden Phasen aneinandergereiht werden. Wegen des schönen Klangs wurden Hänflinge in früheren Zeiten immer wieder als Käfigvogel gehalten und dafür aus der Natur entnommen. Eine Praxis, die zum Glück der Vergangenheit angehört.

Den Gesang kann man ab dem zeitigen Frühling oft den ganzen Sommer über hören

Genauso wie die illegale Praxis des Kleinvogelfangs auf Malta, bei der immer wieder die sehr fleißig singenden Hänflinge in kleine Käfige gesperrt wurden, um so andere Vögel in die Falle zu locken. Gesanglich kann es der Finkenvogel locker mit anderen Kandidaten wie beispielsweise dem Kanarienvogel – übrigens auch ein Finkenverwandter – oder mit dem Stieglitz, der früher auch im Käfig gehalten wurde, aufnehmen.

Den Gesang kann man ab dem zeitigen Frühling oft den ganzen Sommer über hören und zwar am ehesten in halb offenen bis offenen Lebensräumen. Bluthänflinge findet man also in sämtlichen Weinberglagen rings um den Kappelberg genauso wie auf dem Schmidener Feld. Er bevorzugt als Brutplatz dichte Sträucher, gerne Koniferen. Dementsprechend brüten in praktisch allen Baumschulanpflanzungen Hänflinge – oft in der Nachbarschaft von Goldammern, Dorngrasmücken und Heckenbraunellen. Diese Mischung in der Landschaft, nämlich Baumschulen auf dem Feld und Weinberge, die ringsherum von Gärten und Streuobstwiesen eingesäumt sind, ist wohl ausschlaggebend dafür, dass der Bluthänfling in unserer Gegend zu den häufigeren Vögeln zählt – noch. Denn in weiten Landstrichen ist er ähnlich wie andere Feldvögel immer seltener geworden.

Zum Glück finden sie auf den Buntbrachen fürs Rebhuhn allerhand Wildpflanzen

Namensgebend für den Hänfling sind drei für ihn typische Pflanzen: der Hanf, die Distel und der Lein. In Zeiten, in denen Hanf und Lein noch zu den häufigeren Anbaupflanzen gehört haben, muss der Bluthänfling sogar noch sehr häufig gewesen sein, denn die Namensgebung lässt auf eine ganz enge Bindung zu diesen Nahrungspflanzen schließen. Auch wenn Hänflinge, so wie auch andere Finkenvögel, Sämereien aller Art von Gräsern, Getreiden, Beifuß, Disteln und so weiter verspeisen, so hat doch jeder Fink ein paar bevorzugte Pflanzen, auf deren Samen der Schnabel eben besonders gut passt.

Da Hänflinge im Gegensatz zu den allermeisten Vogelarten ihre Jungen ausschließlich mit pflanzlicher Nahrung aufziehen sind sie besonders anfällig für Herbizide. Die Unkrautvernichtungsmittel beseitigen ihnen und ihrem Nachwuchs nämlich direkt die Nahrungsquelle – Knöterichgewächse, Ampfer, Ackersenf oder andere Ackerbeikräuter. Zum Glück finden sie auf den Buntbrachen fürs Rebhuhn allerhand Wildpflanzen und können sich an der dortigen Körnertheke ausgiebig bedienen. Auch im Weinberg sieht man immer mehr Rebzeilen, die nicht einfach nur mit Gras begrünt sind, sondern in denen verschiedene Wildkräuter wachsen. Hier fühlt sich der Hänfling wohl – auch ganz ohne Hanf. Es muss also niemand die Hanfpflanzen auf seinem Balkon züchten – und das auch noch als „Hänfling-Schutzgebiet“ ausweisen.

Steckbrief

Das Gefieder des Bluthänflings ist am Körper braun, am Rücken sind dunkle Strichel. Kopf und Schwanz sind matt grau, das Männchen hat an Stirn und an der Brust im Prachtkleid eine leuchtend rote Färbung. Der Bluthänfling ist etwa 12,5 bis 14 Zentimeter groß und hat eine Flügelspannweite von 21 bis 25,5 Zentimetern. Der Vogel hat ein Normalgewicht von 15 bis 20 Gramm.

Die Nahrung ist vielseitig, im Sommerhalbjahr stehen Insekten, Spinnen, kleine Schnecken und Regenwürmer auf dem Speiseplan. In den kalten Wintermonaten frisst der Bluthänfling dagegen überwiegend Pflanzenteile und Samen.

Zu den natürlichen Feinden des Bluthänflings zählen Rabenvögel, Greifvögel, Steinmarder und Katzen.

Der Vogel bevorzugt ein gebüschreiches Gelände in der weitgehend offenen Landschaft. Er ist auf Feldern, in Weinbergen, aber auch in Gärten und an den Ortsrändern zu finden.

In ganz Europa – außer Island und dem nördlichen Skandinavien – bis etwa zum Ural verbreitet. Auch in Vorderasien und westlichem Zentralasien verbreitet