Effiziente Maschinentechnik und Pestizide auf den Äckern: Dem Feldhamster wird das Überleben im Lebensraum Feld schwer gemacht. Er ist eines der am stärksten gefährdeten Säugetiere im westlichen Europa.

Fellbach - Einst als Plage verfolgt, ist der Feldhamster inzwischen streng geschützt. Das fleißige Kerlchen hat eine konfliktreiche Existenz und kämpft tapfer ums Überleben.

 

Zurzeit, da in der Corona-Krise der Begriff „hamstern“ wieder in aller Munde ist, sollte man sich die Zeit nehmen und einen Blick auf das Original werfen – den Feldhamster.

Die nachtaktiven Feldhamster ernähren sich überwiegend vegetarisch

Mit Klopapier-Rollen und Nudeln hat der meerschweinchengroße Nager wenig am Hut, wenn es um seine Vorratshaltung geht. Wobei, das stimmt nicht ganz: Nudeln aus Hartweizengrieß würden eigentlich auch ganz gut in sein Ernährungsschema passen, denn Getreide steht ganz oben auf seinem Speiseplan. Die nachtaktiven Feldhamster ernähren sich überwiegend vegetarisch und knabbern auch Luzerne, Rüben, Erbsen und andere Feldfrüchte, natürlich auch wilde Ackerkräuter. Während der Aufzucht der Jungen ist dann tierisches Protein sehr wichtig, da werden durchaus auch mal Insekten wie Feldgrillen oder Laufkäfer erbeutet.

Im Herbst kommt dann die große Zeit des Anlegens von Vorrat: Die Hamster wuseln über die Felder und sammeln allerlei Samen und vor allem Getreidekörner ein. Diese Nahrung, aber auch Material zum Auspolstern seines Baues, transportieren die Tiere in den großen Backentaschen, die sie damit vollstopfen.

Doch ein Hamster bekommt immer seltener seine Backen voll

Diese enorm dehnbaren Hamsterbacken sind quasi seine Einkaufstaschen. So kann er auf ein Mal eine große Portion Futter transportieren. In einer eigens eingerichteten Vorratskammer seines unterirdischen Baus lagert er dann bis zu eineinhalb Kilogramm Vorräte ein. Dort bleiben sie den Winter über frisch, und der Hamster kann in kurzen Pausen während seines sechsmonatigen Winterschlafes etwas von seinen Nahrungsreserven naschen. Ohne diese Vorräte würde er über den Winter verhungern.

Doch ein Hamster bekommt immer seltener seine Backen voll. Der Trend, dass immer mehr von Sommergetreide auf Wintergetreide umgestellt wird, führt dazu, dass die Erntetermine immer früher liegen und so im Herbst weniger Nahrung zum Einsammeln auf den Feldern zu finden ist.

Diese Baue liegen mitten in Getreidefeldern oder in breiten Ackerrandstreifen

Wenn durch die Ernte dann auch noch auf einen Schlag die schützende Deckung weg ist, sind die Hamster gezwungen umzuziehen und ihren mühsam errichteten Bau neu anzulegen. Diese Baue liegen mitten in Getreidefeldern oder in breiten Ackerrandstreifen, aber auch mal in einer Straßenböschungen. Von außen fallen nur einige größere Löcher auf. Weil Feldhamster territoriale Einzelgänger sind, kann man über die Zahl der Baue recht gut die Populationsgröße ermitteln.

In den letzten Jahrzehnten haben der Einsatz von effizienter Maschinentechnik und Pestiziden auf den Äckern dem Hamster ein Überleben im Lebensraum Feld unmöglich gemacht. Das possierliche Tierchen war damit eines der ersten Opfer einer zu intensiv betriebenen und optimierten Landwirtschaft. Nun muss ein Landwirt eben vom selben Feld leben, in dem sich auch der Hamster besonders wohl fühlt. Hier sind Konflikte programmiert. Und so gab es eine Zeit, in der die einstmals überall häufigen Feldhamster als Getreideschädlinge verfolgt und gezielt vernichtet wurden.

Die Umsiedlungen sind sehr umstritten und gelingen nicht immer

Von dieser schlimmen Phase hat sich der Bestand bis heute nicht mehr erholen können. Der Feldhamster ist nun eines der am stärksten gefährdeten Säugetiere im westlichen Europa und genießt mittlerweile strengsten Schutz. So hat er als „Bauprojekt-Schreck“ und „Wirtschaftsschädling“ eine neue konfliktträchtige Karriere begonnen, der Straßenbau und neue Industriegebiete ausbremst. So kommt es immer wieder vor, dass die letzten überlebenden Feldhamster einem großen Bauvorhaben im Weg sind. Prominentes Beispiel: die SAP Arena des Eishockeyteams Mannheim Adler.

Die Umsiedlungen sind sehr umstritten und gelingen nicht immer. Das Beispiel des Feldhamster ist damit symptomatisch für den hohen Flächenverbrauch im Industrieland Deutschland, wo täglich rund 70 Hektar versiegelt werden. Wo der Lebensraum derart schrumpft und zerstückelt wird, wird es schwer für Tiere wie den Feldhamster zu überleben. In den meisten Regionen Deutschlands ist er daher längst ausgestorben. Auch auf dem Schmidener Feld findet man keine Hamster mehr. Wenn man sich bei kundigen Leuten umhört, erfährt man, dass es noch in den 1950er und 1960er Jahren hier welche gegeben hat. Beim Bau der Remstalstraße von Schmiden in Richtung Waiblingen wurden seinerzeit unzählige Feldhamster überfahren. Heutzutage hat der niedliche Nager wohl in Fellbach und der Region ausgehamstert.

Das possierlich wirkende Tier kann sich bei Gefahr auch knurrend Respekt verschaffen

Der Feldhamster, wissenschaftlich: Cricetus cricetus, ist an der Oberseite hell bräunlich mit einem warmen Ton, die Unterseite ist schwarz. Am Kopf, vor allem an den Backen und der Schnauze sowie im Schulterbereich hat das Tier weiße Flecken. Der Feldhamster kann bis zu 35 Zentimeter lang werden und ein Gewicht von 400 bis 500 Gramm haben. Er ernährt sich von Feldfrüchten, Kräutern, Gräsern und Insekten.

Fortpflanzung Männchen und Weibchen treffen im Sommer nur kurz zur Paarung aufeinander. Nach 20 Tagen Tragzeit werden die Jungen geboren. Schon im selben Sommer können die Weibchen geschlechtsreif werden und sich fortpflanzen. Während es früher bis zu dreimal pro Jahr Würfe mit sechs bis zehn Jungen gab, reicht es heute oft nur für einen Wurf. Weil die Hamster zu wenig Nachwuchs haben, können sie auf Dauer nicht überleben.

Entwicklung Ein neugeborener Feldhamster wiegt lediglich sieben Gramm. Als ausgewachsener Hamster bringt er dann rund ein halbes Kilogramm auf die Waage. Das ist mehr als das Siebzigfache des Geburtsgewichtes. Wenn ein Mensch im selben Verhältnis zunehmen würde, käme er demnach bei einem Gewicht von mehr 200 Kilogramm an.

Wehrhaft Ein Feldhamster wirkt zwar ziemlich pummelig und harmlos. Aber dieser kleine Kerl kann sich bei Gefahr massiv wehren. Er stellt sich fauchend und knurrend auf die Hinterbeine und versucht so, sich Respekt gegenüber Feinden zu verschaffen. Wer es dann immer noch nicht glaubt, macht unter Umständen Bekanntschaft mit den scharfen Zähnen des in diesem Augenblick recht aggressiven Nagers. Rotfuchs, Hermelin und Rotmilan zählen zu den natürlichen Feinden des Feldhamsters.