Die Turteltaube (Streptopelia turtur) wäre eigentlich ein typischer Vertreter der Landschaft bei uns. Doch die vegane Liebesbotin ist längst auf der Roten Liste. Ursache dafür sind Lebensraumverlust, Abschüsse – und Grillkohle.

Fellbach - Eigentlich ist sie ein Symbol für die Liebe. Ihr Name ist längst prägend für verliebte Menschen. Doch kaum jemand kennt die Turteltaube aus eigener Anschauung. Ihre aktuellen Lebensbedingungen sind nämlich alles andere als lieblich. Seit 1980 sind ihre Bestände um knapp 90 zurückgegangen – ganze Landstriche sind mittlerweile „turteltaubenfrei“.

 

In und um Fellbach sucht man die kleine Taube heutzutage vergeblich

Weil es der Turteltaube immer schlechter geht und sie mittlerweile stark gefährdet ist, wurde sie übrigens vom Naturschutzbund (Nabu) zum „Vogel des Jahres 2020“ gewählt. Wenn eine Art zum Jahresvogel wird, ist das also meist kein gutes Zeichen für den betreffenden Vogel. Das trifft auch auf die Turteltaube zu.

In und um Fellbach sucht man die kleine Taube heutzutage vergeblich, obwohl sie hier in historischen Zeiten sicher einmal eine ganz gewöhnliche Vogelart der offenen Feldlandschaft war. Das markante Gurren der Turteltaube konnte man früher rings um den Kappelberg und an jedem Dorfrand oder Flussufer in der Region hören.

Doch „früher“ ist schon eine Weile vorbei. Immerhin wurde sie vor wenigen Jahren in Fellbach gesichtet, genauer zwischen Oeffingen und Waiblingen, wo ein Pärchen im Jahr 2003 am Rande eines Hohlweges beobachtet wurde. Seither keine Spur mehr von den beiden. Ab und zu wird einmal ein Exemplar des sehr selten gewordenen Vogels auf dem Durchzug registriert, denn die Turteltaube ist ein Zugvogel. Und damit sind die Probleme, die diese Vogelart hat, vielfältig und beschränken sich nicht nur auf den heimischen Lebensraum.

Die Turteltauben haben ihre Futterzusammensetzung umgestellt

Dereinst boten an Feldwegen und auf Brachen Wildkräutersamen und Feldfrüchte aus Zwischensaaten ausreichend Nahrung. Der etwa 25 Zentimeter große Vogel mit dem hübschen braunen und blaugrauen Gefieder ernährt sich nämlich praktisch ausschließlich vegan. Bevorzugt werden Samen von Klee, Vogelwicke, Erdrauch und Leimkraut. Diese Ackerwildkräuter findet man jedoch so gut wie gar nicht mehr auf den Feldern, auch weil diese vielerorts mit Herbiziden behandelt werden. Was für den einen eben „Unkraut“ ist, bedeutet für den anderen lebenswichtige Nahrung.

Die Turteltauben sind aber offenbar bis zu einem gewissen Grad flexibel und haben ihre Futterzusammensetzung umgestellt. Während früher nur rund 20 Prozent Sämereien aus landwirtschaftlichen Kulturen waren, machen diese mittlerweile mehr als die Hälfte der Nahrung aus. Allerdings stehen diese im Gegensatz zu Wildkrautsamen nur für kurze Zeit bis zur Ernte zur Verfügung. Im Frühsommer – in der wichtigen Phase der Jungenaufzucht – fehlen sie jedoch ganz. Aber es kommt noch ein weiteres Problem für die Turteltauben hinzu: Besonders gefährlich ist nämlich chemisch behandeltes Saatgut. Dieses kann die Tauben direkt vergiften. Schon vier gebeizte Maiskörner oder 20 behandelte Rapssamen sind tödlich für eine Turteltaube

Die kleinste Taube Europas ist in die weltweite Rote Liste aufgenommen worden

So hat die fortschreitende Intensivierung der Landwirtschaft in weiten Teilen Europas die Lebensbedingungen der Turteltauben enorm verschlechtert – ein Schicksal, das sie mit vielen anderen Jahresvögeln teilt. Diese Veränderungen haben auch vor den Feldern im Unteren Remstal nicht Halt gemacht und gingen einher mit einem Verlust von Brachen, Ackersäumen, Feldgehölzen und Kleingewässern. Damit verschwanden Nistplätze sowie wichtige Nahrungs- und Trinkstellen. Der einstige Allerweltsvogel hat sich noch auf ehemaligen Truppenübungsplätzen oder in manchen Weinbauregionen, beispielsweise in der Pfalz, gehalten. In Gegenden, in denen die Rebflurbereinigung nicht auch den letzten Rest an Gebüschen beseitigt hat.

Weil es um die kleinste Taube Europas mittlerweile fast überall schlecht steht, ist sie in die weltweite Rote Liste aufgenommen worden und gilt damit als global gefährdete Art.

Doch nicht nur in ihrem Heimatkontinent kämpft die kleine Taube ums Überleben

Die meisten Turteltauben kommen in Südeuropa vor. Dort droht ihnen eine zusätzliche Bedrohung: die Vogeljagd. Besonders skandalös: In manchen Ländern gilt das Schießen der stark gefährdeten Turteltauben als „Sport“ zum eigenen Vergnügen und ist immer noch legal. Gegen Spanien und Frankreich wurden deshalb bereits Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission eingeleitet. Der jährliche Abschuss von etwa eineinhalb Millionen Turteltauben wird sonst zum Aussterben der Art führen.

Doch nicht nur in ihrem Heimatkontinent kämpft die kleine Taube ums Überleben. Als Langstreckenzieher führt sie ihre winterliche Reise in Länder Afrikas südlich der Sahara. Die dortigen Akazienwälder sind sichere Schlafplätze. Doch genau diese Wälder werden nun für die Herstellung von Holzkohle abgeholzt, die dann als billige Grillkohle bei unseren Discountern in den Handel kommt.

Deshalb sollte man beim Kauf genau auf die Herkunft und Siegel wie FSC oder Naturland achten und besser Kohle aus heimischem Laubholz oder aus Reststoffen wie Kokosfasern oder Olivenkernen unter den Rost legen. So kann unsereins hierzulande dazu beitragen, die Überwinterungsgebiete der Turteltaube zu schützen und nicht bei der nächsten Grillparty zu verheizen.

Steckbrief

Die Turteltaube ist bei uns die kleinste Taube, kleiner als die sehr häufige Türkentaube. Ihre Körperlänge beträgt keine 30 Zentimeter und ihre Flügelspannweite etwa 50 Zentimeter. Sie bekommt gerade mal 100 bis kaum 200 Gramm auf die Waage. Im Flug erkennt man einen breiten weißen Rand an dem ansonsten dualen Schwanz. Die Flügeldecken tragen rostorangene Federn mit mittigen schwarzen Tupfen. Der Kopf ist blaugrau, im Nacken ist eine markante schwarze-weißen Streifung.

Die Geschlechter sind äußerlich nicht voneinander zu unterscheiden, auch nicht durch den sonst bei anderen Vögeln fehlenden Gesang bei den Weibchen. Bei Turteltauben „singen“ auch sie wie die Männchen und zwar ein schnurrendes „Turrr, Turrr“, das immer wieder in Serie wiederholt wird und der Art ihren Namen eingebracht hat.