Tiere in Haus und Garten Der Herbst ist Spinnenzeit
Spinnen gehören nicht unbedingt zu den Lieblingstieren der Deutschen. Trotzdem sind sie wichtig für unser Ökosystem. So können Sie die Tiere – ohne Töten – aus dem Haus entfernen.
Spinnen gehören nicht unbedingt zu den Lieblingstieren der Deutschen. Trotzdem sind sie wichtig für unser Ökosystem. So können Sie die Tiere – ohne Töten – aus dem Haus entfernen.
Cottbus - Naturschützer haben gute Gründe, ihre Initiativen zur Erhaltung der Artenvielfalt „Rettet die Bienen“ zu nennen. Schließlich gelten die fleißig Pollen und Nektar sammelnden Insekten als Sympathieträger, während Spinnen bei manchen Menschen Ekel hervorrufen. Dabei sind die kleinen Achtbeiner in der Natur mindestens genauso wichtig wie die auf sechs Beinen stehenden Bienen. Und da Spinnen von der intensiven Landwirtschaft wohl, ähnlich wie auch Insekten und eine Reihe anderer Tiergruppen, in die Ecke gedrängt werden, hätten Initiativen mit dem Motto „Rettet die Spinnen“ durchaus ihre Berechtigung.
Nur sinkt die Bereitschaft, ein solches Volksbegehren zu unterstützen wohl, wenn jemand mit Angst vor Spinnen einer Hauswinkelspinne über den Weg läuft. Und das auf Beinen, mit denen sie ein sieben Zentimeter breites Handy locker umspannen kann. „Diese Tiere leben oft in Haus und Garten, im Herbst streifen die Männchen zum Schrecken aller Spinnen-Phobiker auf der Suche nach Beute durchs Haus“, erklärt Klaus Birkhofer von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. „Finden die Spinnen genug zu fressen, richten sie sich in dunklen Ecken ein, in denen sie ungestört bleiben“, sagt der Spinnenforscher. Ihr Netz ähnelt einem Trichter und ist gleichzeitig ihre Wohnung. Berührt eine mögliche Beute die vor ihrem Heim ausgespannte Spinnseide, werden die Opfer festgehalten, mit den Kieferklauen gebissen, mit Magensäften verflüssigt und anschließend aufgesaugt.
Oft erwischen die Hauswinkelspinnen dabei andere Spinnen, Fliegen und Mücken. Da der sogenannte „Schrecken der Hausfrau“ meist nur im Dunkeln unterwegs ist, entpuppt er sich als nützlicher Mitbewohner, der eigentlich kaum stört. Wenn ein Spinnen-Phobiker, nachts das Licht im Bad anknipst und dabei eine kräftige Spinne beim Beutefang ertappt, erschrickt der Achtbeiner anscheinend genauso wie der Zweibeiner und versucht, ins schützende Dunkel zu fliehen. Wer Angst vor Spinnen hat, vermutet bei dieser Reaktion leicht einen Angriff. „In solchen Fällen sollte man keineswegs zum Staubsauger greifen, sondern die Spinne mit einem umgestülpten Glas fangen, ein Blatt unterschieben und sie so außer Haus bringen“, erklärt Spinnenforscher Klaus Birkhofer.
Für einen Spinnen-Phobiker ist das allerdings leicht gesagt. Aber vielleicht übernimmt ja ein Mitbewohner diesen Job, der beim Anblick der Tiere keine Panik-Attacke bekommt. Er kann das Tier dann in den Garten tragen, oder notfalls über die Brüstung des Balkons in die Tiefe fallen lassen. „Vom zweiten oder dritten Stock aus überleben die Spinnen einen solchen Sturz problemlos“, meint Klaus Birkhofer. Besser ist es allerdings, die Tiere wenige hundert Meter weit weg zu tragen und dort auszusetzen. Sonst könnten sie zurückkommen, um ihr angestammtes Revier wieder zu besetzen.
Neben der Hauswinkelspinne gibt es auch die Zitterspinne. „Die hängen normalerweise tagsüber faul in einer Zimmerecke“, berichtet der Forscher. Auf nächtlichen Wanderungen beißen diese Tiere ihr Opfer mit ihren Kieferzangen und injizieren ihm dabei ein tödliches Gift. Dabei überwältigen die Zitterspinnen auch viel größere und stärkere Beute wie Hauswinkelspinnen.
Andere Gruppen der nach Angaben der Arachnologischen Gesellschaft weltweit rund 48 000 und in Mitteleuropa rund tausend Spinnen-Arten verirren sich eher selten in Häuser und Wohnungen, sondern gehen lieber im Freien auf die Jagd. „Dort spannen die Radnetzspinnen ihre Netze auf, in denen sich dann Insekten verheddern“, berichtet Peter Michalik, der an der Universität Greifswald ebenfalls über Spinnen forscht. Die Vogelspinnenverwandten bauen dagegen Röhren, von denen aus sie Beute machen.
Die meisten Spinnen aber scheuen das Rampenlicht und werden leicht übersehen. Als Klaus Birkhofer im US-Bundesstaat Kentucky auf einem Luzernefeld genau nachzählte, fand er auf einem einzigen Quadratmeter bis zu 250 Spinnen. „Alle Spinnen der Welt könnten zusammen 25 Tonnen auf die Waage bringen“, rechnet der Wissenschaftler aus. Diese Tiere töten so jedes Jahr 400 bis 800 Millionen Tonnen Beute, wobei die allermeisten Opfer Insekten sein dürften. „Damit könnten Spinnen sogar die gesamte Menschheit übertreffen, die jährlich etwa 400 Millionen Tonnen Fleisch und Fisch verspeist“, sagt Klaus Birkhofer.
In der Natur spielen Spinnen daher ähnlich wie Löwen, Wölfe und Co. bei größeren Arten eine entscheidende Rolle als Top-Jäger von kleinen, wirbellosen Tieren. „Diese Funktion aber stört der Mensch an entscheidender Stelle“, meint der Forscher. Behandeln Bauern ihre Felder mit chemischen Insekten- oder Pflanzenmitteln, finden die Spinnen kaum noch Beute und keine Acker-Wildkräuter mehr, in denen sie sich vor Feinden verstecken oder an denen sie ihre Netze befestigen können. „Im ökologischen Landbau, der auf solche Mittel verzichtet, leben daher oft mehr Spinnen auf den Felder“, sagt Spinnenforscher Klaus Birkhofer. Diese höhere Vielfalt aber vertilgt auch viele Schädlinge und schützt so die Ernte.
Da sowohl der Klimawandel die Vielfalt der Spinnen kräftig durcheinander bringt und die moderne Landwirtschaft manche Arten verschwinden lässt, blinken auch in Bezug auf diese Tiere längst die Warnlampen auf.