Die Polizei hatte in Kirchheim/Teck ein Muntjak eingefangen. Nun ist das exotische Tier bei Artgenossen im Wildparadies von Tripsdrill untergebracht. Doch wo ist der Klein-Hirsch ausgebüxt?
Wäre er ein Bühnendarsteller, würde man sagen: er weiß, wie man einen großen Auftritt inszeniert. Alle Augen suchen nach ihm, aber erst nach ein paar Minuten lässt er sich blicken. Doch weil es sich um einen tierischen Neuzugang handelt, der der Presse am Donnerstag im Wildparadies Tripsdrill präsentiert wurde, dürfte das verspätete Erscheinen des Muntjaks keine dramaturgischen Gründe haben. Dabei hat der Klein-Hirsch durchaus eine gewisse Berühmtheit erlangt – und zwar als eine Art Kriminalfall.
Das männliche Tier war am 26. Februar von Anwohnern in ihrem Garten in Kirchheim unter Teck entdeckt worden. Sie informierten die Polizei, die den Muntjak einfing. Anschließend wurde der Hirsch in den Freizeitpark Tripsdrill an der Grenze zwischen den Landkreisen Ludwigsburg und Heilbronn transportiert, wo man Erfahrung mit dieser aus Asien stammenden Art hat und eine Herde hält. Seitdem wird aber auch gerätselt, wo der Kirchheimer Muntjak ausgebüxt oder ausgesetzt worden sein könnte.
Beim zuständigen Polizeipräsidium Reutlingen ist man nach wie vor ratlos. „Die Herkunft des Tieres konnte trotz umfangreicher Ermittlungen und Recherchen verschiedener Stellen bislang nicht geklärt werden“, konstatiert Pressesprecher Gerhard Jaudas. Es habe sich auch niemand gemeldet, der einen Muntjak vermisse. Möglicherweise stamme der Hirsch aus einer unerlaubten Haltung. Doch auch dafür gebe es keine konkreteren Hinweise.
Bei der Frage habe auch die Untersuchung durch einen Veterinär keine neuen Erkenntnisse erbracht, sagt Andreas Fischer von der Tripsdrill-Betreiber-Familie. Man habe lediglich feststellen können, dass der Muntjak gesund sei, aber unter einem leichten Wurmbefall gelitten habe. „Das ist aber völlig normal“, sagt Fischer. Nach einer Quarantäne und einer Wurmkur habe der Neuzugang am 7. März in den Kreis der restlichen 13 Artgenossen in dem Wildpark aufgenommen werden können.
Fischer selbst vermutet, dass der nicht gechippte Muntjak privat gehalten wurde und wohl ausgebüxt ist. Theoretisch sei es gestattet, solchen Arten als Otto Normalbürger ein Zuhause zu bieten. Das müsse man aber melden. Zudem prüfe das Veterinäramt, ob die betreffende Person dafür geeignet ist und die Bedingungen adäquat sind. Sein Chef-Tierpfleger Benedict Stirblies denkt in eine ähnliche Richtung. „Dadurch, dass die Muntjaks so einen Niedlichkeitsfaktor haben, waren sie sehr beliebt in der Privathaltung. Da gehören sie aber nicht hin“, sagt er. Die so harmlos wirkenden Klein-Hirsche könnten untereinander ziemlich rabiat werden. Deswegen könne man in dem Gehege in Tripsdrill nicht mehr als zwei männliche Exemplare unterbringen, sonst drohe Ärger.
Davon ist an diesem Donnerstagmorgen aber nichts zu spüren. Die insgesamt 14 Muntjaks flitzen über das Gelände und schnappen sich das Futter, das Benedict Stirblies und sein Team ausgeschüttet haben. Unter anderem stehen Salat und Paprika auf der Speisekarte. „In freier Wildbahn fressen sie alles, was in niedriger Höhe zu erreichen ist wie wilde Erdbeeren“, sagt Andreas Fischer. Er betont allerdings auch, dass die Muntjaks außerhalb von Zäunen in hiesigen Gefilden als invasive Arten wie der Waschbär nicht erwünscht seien. „Sie zerstören Fauna und Flora. Und das will man nicht“, erklärt er. Chinesische Muntjaks seien dennoch vereinzelt anzutreffen, dürfen dann bejagt werden.
In Tripsdrill können die Besucher indes Indische Muntjaks bewundern, die laut Fischer etwas kleiner als ihre chinesischen Pendants sind und eine Schulterhöhe von grob 35 Zentimetern haben. Dank dem prominenten, ungefähr ein Jahr alten Neuzugang aus Kirchheim unter Teck dürfte sich das Gehege die nächsten Wochen ganz besonderer Beliebtheit erfreuen – wenngleich sich der Star manchmal erst spät blicken lässt.