Nilgänse sind auch an der Rems zu Hause. In Waiblingen fühlen sich Anwohner von ihnen gestört. Was tut die Stadt, und welche Tipps hat ein Vogelkenner auf Lager?
Nilgänse sind ziemlich laut, ziemlich selbstbewusst – und bei manchen Menschen ziemlich unbeliebt wegen ihres lauten Organs und der recht großen Kothaufen, die sie ausscheiden. Auch in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) fühlen sich die ursprünglich in Afrika beheimateten Wasservögel wohl. Das führt nicht zum ersten Mal zu Beschwerden.
Manche Anwohner in der Kernstadt, insbesondere im Bereich des an der höchsten Stelle der Altstadt stehenden Hochwachtturms, klagen über morgendliches Geschnatter am Wochenende sowie die unhygienischen Hinterlassenschaften der Grasfresser und werfen der Stadtverwaltung vor, sie kümmere sich nicht ausreichend um das Problem.
Die städtische Pressesprecherin Gabriele Simmendinger bestätigt Beschwerden aus der Nachbarschaft des Hochwachtturms. Bei einer Begehung des Waiblinger Wahrzeichens habe man aber weder ein Nest noch Eier gefunden. Auch sei man beim Turm, der mit Netzen gegen den Einflug der Vögel gesichert ist, auf wenig Kot gestoßen. Das Fazit der Besichtigung: „Die Nilgänse halten sich hier nicht mehr oder weniger auf, als auf anderen Gebäuden.“
Nilgans-Population in Waiblingen: Keine signifikante Zunahme
Wie viele Nilgänse exakt auf Waiblinger Gemarkung watscheln, ist nicht bekannt. Es gebe keine Zählungen, heißt es vonseiten der Stadtverwaltung. Nach deren Einschätzung hat die Zahl der Nilgänse im Vergleich zum Vorjahr aber nicht signifikant zugenommen.
Probleme mit Kot gebe es vor allem im Landschaftspark Talaue und auf den Stufen, die anlässlich der Remstal-Gartenschau am Ufer der Erleninsel gebaut wurden, sagt Gabriele Simmendinger: „Der Betriebshof dampft dort immer wieder ab.“ Wichtig sei es, die Tiere nicht zu füttern. Deshalb stehen dort Verbotsschilder, die manche aber ignorierten.
Austausch mit Stadtjägern und Wildtierbeauftragtem über Nilgänse
Die Verwaltung hat sich in Sachen Nilgänse von den Stadtjägern und dem Wildtierbeauftragten des Landratsamts beraten lassen. Auf deren Empfehlung hin lässt der Betriebshof nun im Bereich der Erleninsel einen Grasstreifen hochwachsen, sodass die Gänse vom Wasser aus keine freie Sicht zum Ufer haben. Das verunsichere die Vögel und verleide ihnen den Aufenthalt an dieser Stelle, teilt die Stadt mit und ergänzt: „Jagdliche Maßnahmen im Bereich der Erleninsel und der Talaue sind extrem schwierig, da wir uns hier im Siedlungs- und Naherholungsbereich befinden.“
Nilgans ist keine geschützte Art
Das sieht Bruno Lorinser, der Vorsitzende des Nabu Waiblingen, auch so. Generell hat er zwar kein Problem mit dem Abschuss von Nilgänsen, denn „das ist ja kein geschütztes Tier“. Er ist aber überzeugt, dass sich das Nilgans-Problem nicht durch Bejagung lösen lässt. Und betont: „Wenn man ein Tier tötet, dann muss man es auch verwerten. Also entweder das Fleisch essen, den Pelz verarbeiten, oder mit den Federn ein Kopfkissen füllen.“
Dass die Nilgans lästig sein kann, bestreitet Bruno Lorinser nicht. Im Gegensatz zum Waschbären stelle sie aber nach bisherigen Erkenntnissen keine Gefahr für heimische Tierarten dar. Während beispielsweise der Waschbär Frösche, Kleinsäuger, Vögel und Insekten frisst und einigen Schaden anrichtet, ernährt sich die Nilgans rein vegetarisch. „Nilgänse sind praktisch Weidetiere wie Kühe. Sie fressen am liebsten frisches, zartes, sehr eiweißhaltiges Gras und suchen deshalb gerne Rasenflächen auf.“
Nilgans-Skandal: Tierleid und Jobverlust im Freibad
So fühlen sich die Wasservögel gerade im eher städtischen Bereich wohl – auf Liegewiesen am Wasser oder in Freibädern zum Beispiel. In Fellbach sorgte vor zwei Jahren eine Nilgansfamilie, die sich im Familien- und Freizeitbad F3 niedergelassen hatte, für Schlagzeilen. Der damalige, von den Tieren entnervte Geschäftsführer hatte sich dazu hinreißen lassen, einem der Elterntiere den Hals umzudrehen. Das schwer verletzte Tier musste eingeschläfert werden, der Schwimmbad-Chef verlor seinen Job.
Bruno Lorinsers Tipp zur Abschreckung von Nilgänsen lautet: weniger ist mehr. „Wenn man das Gras höher wachsen lässt, dann geht da keine Nilgans mehr rein. Eine frisch gemähte Rasenfläche lockt sie dagegen an.“ Damit ließen sich – wenn auch nicht im Freibad, wo hohes Gras keine Option ist – gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denn weniger Mähen vergrätzt nicht nur Nilgänse, sondern bringt zugleich mehr Artenvielfalt in die Stadt. „Man muss da ein Bewusstsein schaffen, die Natur ein Stück weit sein lassen und beobachten“, sagt Bruno Lorinser. Sein weiterer Tipp zum Thema Nilgans: „Ich rate zu Gelassenheit.“
Neue Tierart
Nilgans
Die ursprüngliche Heimat der Nilgans liegt in Ägypten und südlich der Sahara. Die Tiere hierzulande sind Nachkommen von Nilgänsen, die im 20. Jahrhundert in Großbritannien und den Niederlanden ausgesetzt wurden oder ausgebüxt sind. Sie gelten daher als Neozoen.
Folgen
Der Nabu stuft die ökologische Schädlichkeit der Nilgans aktuell als gering bis nicht vorhanden ein. Sie scheint andere Wasservögel nicht zu verdrängen und ernährt sich vegetarisch.