Im Fall der Tierquälerei-Vorwürfe im Allgäu geht es Schlag auf Schlag: Die Staatsregierung kündigt neue Kontrollstrukturen an, die Kripo gründet eine Soko, und es folgt eine große Razzia – auch in Baden-Württemberg. Nun geben die Behörden Einblick in ihre Ermittlungen.

Memmingen - Rund drei Wochen nach dem Bekanntwerden von Tierquälerei-Vorwürfen gegen einen Milchviehbetrieb aus dem Allgäu hat es eine große Razzia bei dem Unternehmen und Geschäftspartnern gegeben. Mittlerweile werde gegen neun Verdächtige ermittelt, sagte Staatsanwalt Thomas Hörmann am Mittwoch in Memmingen.

 

Es handele sich um den Inhaber und Mitarbeiter des Betriebes sowie drei Tierärzte. Zuvor waren am Mittwoch 21 Objekte in Bayern und Baden-Württemberg durchsucht worden, darunter der Hauptbetrieb in Bad Grönenbach und mehrere Nebenbetriebe.

Bei der Aktion wurden seit 8.00 Uhr sieben Milchviehbetriebe, zwei Praxen und zwölf Wohnungen durchsucht. Die Razzia fand in den Landkreisen Unter- und Oberallgäu, Weilheim-Schongau, Haßberge und Ravensburg sowie in der Stadt Kempten statt. Mehr als 160 Polizisten, 11 Staatsanwälte und mehrere Veterinäre waren im Einsatz.

In dem Großbetrieb im Unterallgäu sollen Kühe misshandelt worden sein. Eine Tierrechtsorganisation hatte entsprechende Videoaufnahmen öffentlich gemacht. Das Unternehmen hat sich bislang zu den Anschuldigungen öffentlich nicht geäußert. Am Mittwoch war in dem Betrieb ebenfalls niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.

Zwölf Tiere mussten eingeschläfert werden

Das Unternehmen hält nach Angaben der Behörden in den beiden Bundesländern rund 2850 Rinder. Bei zwei Kontrollen im Juli wurden bei dem Betrieb etliche kranke und verletzte Tiere entdeckt. Es seien an den beiden Tagen insgesamt zwölf Tiere wegen des schlechten Zustands sofort eingeschläfert worden, sagte Martina Sedlmayer vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

Beim Polizeipräsidium in Kempten wurde zur Aufklärung der Vorwürfe eine 30-köpfige Sonderkommission gegründet. Die Soko „Fundus“, benannt nach der lateinischen Bezeichnung für Landgut, wertet auch mehr als 400 Stunden Videoaufnahmen aus, die der Tierschutzverein den Ermittlern zur Verfügung gestellt hat. Etwa zwei Drittel des Materials seien bereits gesichtet, sagte Soko-Chef Michael Haber. Zudem müssen nun die bei der Razzia sichergestellten Unterlagen überprüft werden. „Wann erste Ergebnisse dieser Durchsuchungen zu erwarten sind, kann ich derzeit nicht einschätzen“, sagte Haber.

Durch die bisherigen Prüfungen sieht die Staatsanwaltschaft den Verdacht von tierschutzrechtlichen Verstößen gegeben. So werde gegen den Inhaber des Betriebes ermittelt, weil der Verdacht bestehe, dass der Mann durch Unterlassen von Behandlungen oder das Einschläfern kranker Rinder den Tieren Schmerzen zugefügt habe, erklärte Hörmann.

Beschuldigte machen bislang keine Angaben

Auch gegen fünf Mitarbeiter und drei Hoftierärzte gebe es Ermittlungen wegen Verdachts von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. In dem bisherigen Verfahren hätten die Beschuldigten keine Angaben zu den Vorwürfen gemacht, sagte er.

Nach Angaben der Ermittler hat es nach Bekanntwerden der Vorwürfe auch etwa 30 Straftaten wie „Bedrohungen, Beleidigungen und Sachbeschädigungen zum Nachteil der Betreiberfamilie“ des Hofs gegeben. Es gebe Beleidigungen in sozialen Netzwerken und sogar eine Bedrohung mit einem Messer. Auch diese Taten will die Polizei verfolgen.

Bayerns Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe angekündigt, die Kontrollen von Großbetrieben neu zu organisieren. Die dafür zuständige Spezialbehörde soll zwei neue Standorte und 25 neue Stellen dafür erhalten.