Mit Taubenschlägen und kontrolliertem Füttern gegen Tierleid. Der Verein Stadttaube setzt sich für eine teilweise Aufhebung des Fütterungsverbots ein

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart - Jetzt ist wieder die Zeit, in der vermehrt Tauben in der Stadt zu sehen sind, die ziemlich aufgeplustert und apathisch sind, die sich zurückgezogen haben vom unmittelbaren Trubel rundum. Das ist kein Zeichen von Satt sein und in Ruhe verdauen, wie viele glauben, die sich nicht so sehr mit Tauben auskennen. Genau das Gegenteil ist der Fall. „Tauben mit solch einem Verhalten leiden sehr qualvoll an Hunger“, weiß Britta Leins vom Stuttgarter Verein Stadttaube und Stadtleben. Ihr dringender Appell an die Stadt: „Um Tierleid zu vermeiden, muss kontrolliertes Füttern an bestimmten Plätzen von bestimmten Leuten möglichst bald erlaubt sein“.

 

Vor allem die Jungtauben sind untergewichtig

Mit anderen Aktiven des Vereins macht sie auch jetzt regelmäßig Kontrollgänge durch die Innenstadt, inspiziert die Tauben, entfernt bei ihnen Bändel, Folien, Haare und vieles andere, das droht, die Beine der Tiere abzuschnüren. Dabei stellt sie oft fest: „Viele Jungtauben sind absolut untergewichtig. Eigentlich sollten sie jetzt so um die 280 Gramm wiegen, häufig bringen sie aber gerade mal 120 Gramm auf die Waage.“

Den Stadtbesuchern mag der Verweis auf hungernde Tauben paradox erscheinen. Tauben sind lästig, weil sie vehement Reste menschlicher Nahrung aufpicken, weil sie dabei noch nervig durch die Laufwege der Passanten flattern. Das Fütterungsverbot, das in Stuttgart gilt, erscheint da plausibel nach dem Motto: Noch mehr Futter lockt noch mehr Tauben an, die sich dann auf der Basis von mehr Nahrung noch mehr vermehren.

Fütterungsverbot verstößt gegen Tierschutz

Doch genau das Gegenteil sei der Fall, argumentiert der Verein Stadttauben seit langem. Die Vogelfreunde sehen sich allein gelassen von der Stadt, die an dem Fütterungsverbot festhält und damit nach Ansicht des Vereins gegen den Tierschutz verstößt.

Die Nahrung der Menschen – in der Innenstadt ist das häufig Brot, Brötchen, Pommes, Döner – ist keine Nahrung für Tauben, sondern Krankheitserreger. So wird der Kampf um Nahrung noch verzweifelter, ebenso die Notwendigkeit des Brütens zur Arterhaltung. Denn das ist die Kenntnis der Taubenschützer bundesweit: „Stadttauben sind keine Wildtiere, sondern verwaiste Haustiere. Über Jahrtausende wurden sie von Menschen gezüchtet, um ihre Eier, Fleisch und ihre Federn zu nutzen“, erklärt Maria Hanika vom Verein Hamburger Stadttauben: „Deswegen brüten die Tauben heute fünf bis sechs Mal im Jahr. Anders als Wildvögel können sie ihre Fruchtbarkeit nicht mehr den Umweltbedingungen anpassen und brüten auch, wenn sie hungern.“ Durch wissenschaftliche Untersuchungen lasse sich das belegen.

Nachwuchskontrolle im Taubenschlag

Die Stuttgarter Taubenfreunde haben eine Lösung dieses Problems: Taubenschläge. In diesen erhalten die Tiere Futter, fallen also weniger im Straßenbild auf. Dort wird auch der Nachwuchs kontrolliert, indem Eier zum Brüten durch Attrappen ersetzt werden. Bei der Stadt gibt es dafür Zustimmung, gern wird auf den Taubenschlag am Marienplatz verwiesen. Aber sie tut sich sehr schwer bei der Suche nach neuen Plätzen.

So bleibt das Problem mit unterernährten und sterbenden Tauben auf den Straßen und in den Unterführungen der Innenstadt präsent. Auf 12 000 bis 20 000 wird die Taubenpopulation in Stuttgart geschätzt. Betreut werden mit den jetzigen Möglichkeiten etwa 2000 Tiere, so Leins. Durch kontrolliertes Füttern könnten es wesentlich mehr sein, die tierschutzgerecht durch den Winter kommen.

Füttern in Absprache mit der Stadt

Kontrolliertes Füttern bedeutet, dass Personen von Tierschutzeinrichtungen zu regelmäßigen Zeiten an einem konkreten Ort artgerechtes Futter ausstreuen, und zwar dort, wo Tauben weder stören noch Ärgernis erregen. Geeignet sind Grünanlagen, in denen die Tauben in den Bäumen auf die Fütterung warten und so auch nicht Gebäude verschmutzen. Dies muss in Absprache mit dem Ordnungsamt geschehen. Diese Mühen sind vor allem dann ein Erfolg, wenn dort später ein Taubenschlag eingerichtet wird. Für Stuttgart haben die Taubenfreunde bereits Orte ausgemacht wie den Schlossgarten beim Hauptbahnhof, den Berliner Platz, den Feuersee, den Wilhelmsplatz sowie den Bahnhof in Bad Cannstatt, den Schlossplatz, den Marktplatz in der Innenstadt, das Milaneo sowie den Hauptbahnhof.