Bad Waldsee - Schon seit 20 Jahren fährt Iris Baumgärtner von der Tierschutzorganisation Animal Welfare Foundation mit Sitz in Freiburg hinter Tiertransporten her, oft bis nach Spanien – im Blick hat sie dabei vor allem eine Firma aus Bad Waldsee, die wöchentlich rund 200 Kälber nach Katalonien bringt. Baumgärtner wirft der Firma vor, die Tiere nicht artgerecht zu transportieren; auch das örtliche Veterinäramt und zuletzt sogar das Agrarministerium haben Zweifel. Dennoch gehen die Transporte weiter.
Zur Sache: Die Kälber sind zwischen zwei und sechs Wochen alt und noch nicht entwöhnt, sie brauchen also weiter Milch. Da es für sie in Deutschland keinen Markt gibt, werden sie quer durch Europa gekarrt. Die Preise sind derart im Keller, dass die Landwirte draufzahlen – teilweise bekommen sie nur um die zehn Euro. Nicht pro Kilo, sondern für das ganze Tier.
Die europäische Transportverordnung für Nutztiere sieht vor, dass Kälber nach neun Stunden eine Pause benötigen und angemessen versorgt werden; danach dürfen sie weitere neun Stunden transportiert werden. Die Fahrtzeiten halte der Transporteur auch ein, sagt Iris Baumgärtner. Doch ansonsten sei der Transport aus ihrer Sicht nicht tierschutzkonform. Denn es gebe in den Lastwagen keine Vorrichtungen, damit die Kälber aus Milchsaugern etwas zu trinken bekämen. Die Wassertränken würden viele Tiere gar nicht als solche erkennen oder aus Hunger dann zu viel trinken.
Geheime Kameras zeigen den Umgang mit den Kälbern
Die vorgeschriebene Pause werde ebenfalls gemacht; in der Nähe von Bourg-en-Bresse, nördlich von Lyon, gibt es eine Einrichtung für Nutztiertransporte. Früher seien die Tiere aber im Lastwagen verblieben und nicht versorgt worden, erzählt Baumgärtner; nach ihren Protesten würden die Tiere jetzt entladen, aber teilweise stelle man den Tieren gar nichts oder nur einen Eimer mit Milch hin: „Aber nur wenige Kälber kapieren, dass sie dort etwas bekommen.“ Ihr selbst war der Zutritt immer verwehrt worden; doch im vergangenen Jahr hatten französische Tierschützer in der Einrichtung versteckte Kameras installiert und den Umgang mit den Tieren dokumentiert.
Im Veterinäramt des Landkreises Ravensburg sieht man die Transporte schon länger ebenfalls kritisch und hat auch versucht, sie zu untersagen. Doch der Betreiber wehrte sich und bekam im Dezember 2019 vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen Recht. Alle Vorgaben der Transportverordnung seien erfüllt, betonte der Betreiber, und dieser Ansicht folgte das Gericht. Als dann die Videoaufnahmen im Sommer publik wurden und im Herbst mehrere Fernsehsender berichteten, nahm sich auch das Agrarministerium des Themas an. Vermutlich sensibilisiert durch die Vorgänge in den Schlachthöfen Gärtringen und Biberach, durch die der Minister Peter Hauk (CDU) persönlich unter Druck geraten ist, gab das Ministerium vor vier Wochen einen Erlass heraus, in dem es heißt: „Aufgrund neuer Erkenntnisse sind Zweifel aufgekommen, ob diese Transporte tierschutzgerecht durchgeführt werden können.“ Sie seien deshalb vorerst nicht mehr zu genehmigen.
Bauernverband fordert eine verlässliche Politik
Doch kurz vor Weihnachten urteilten das Verwaltungsgericht Sigmaringen und bald darauf auch der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in einer Eilentscheidung erneut zugunsten des Betreibers. Dabei sagte dieser, dass „die Versorgung mittels Milchaustauscher in der Ruhepause“ gewährleistet sei; so heißt es im Urteilstext des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (Kennzeichen 4 K 4721/20). Isabel Kling, die Sprecherin des Agrarministeriums, betonte: „Uns sind jetzt die Hände gebunden.“
Der dramatisch eingebrochene Preis für Kälber liegt laut Ariane Amstutz vom württembergischen Landesbauernverband am Auftreten der Blauzungenkrankheit seit 2019 und an der Coronakrise. Aber auch grundsätzlich werde es immer Transporte von Kälbern aus Baden-Württemberg nach Europa geben, da hier nur noch wenige Mastbetriebe existierten; das lohne sich nicht mehr. Um die Kälber im Land zu halten, bräuchten die Landwirte „eine verlässliche Politik“, damit sich die Investition in einen neuen Stall lohne, sagt Amstutz.