Das Management des Stern-Centers verzichtet auf Pasten zum Vertreiben der ungeliebten Vögel. Bundesweit erstatten Tierschützer Anzeigen wegen der Verwendung des umstrittenen Klebemittels Nopaloma.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Sindelfingen - Der Marktführer lehnt die Pampe ab. „In Achtung des Tierschutzgesetzes“ würden „Pasten zur Taubenvergrämung“ nicht verwendet. So schreibt es das Unternehmen Rentokil auf seiner Internetseite, der deutschlandweit größte Schädlingsbekämpfer. Diese Sätze gehen zurück auf Empfehlungen der Universität Basel, die wiederum europaweit führend ist in der Forschung über Stadttauben.

 

Die Abwehrbranche preist Pasten als Wundermittel, die Tauben das Landen auf Dächern oder an Mauern verleiden sollen. Allerdings riskiert, wer wegen solcher Versprechen einen Auftrag unterschreibt, Besuch von Tierschützern. Britta Leins zählt zu ihnen, vom Verein Straßentaube und Stadtleben. Gespräche mit ihr „können sich schon mal hochschaukeln“, sagt Jürgen Ehlen. Er leitet die Geschicke des Stern-Centers in Sindelfingen und hat regelmäßig ein Taubenproblem. Diesmal wollte er es mit Nopaloma lösen lassen – dem neusten Produkt unter den Vertreibungspasten. Für diesen Fall „haben wir mit Anzeige gedroht und eine Frist gesetzt“, sagt Leins. „Anders reagiert keiner.“

Wo Nopaloma verteilt wird, folgen mit hoher Gewissheit die Tierschützer

Nopaloma wird aus Presspistolen in Strängen verteilt, wo Tauben vertrieben werden sollen. Wird es entdeckt, folgen mit hoher Gewissheit die Tierschützer in knappem Abstand. Warum, formuliert die deutsche juristische Gesellschaft für Tierschutz am drastischsten: „Der Schädlingsbekämpfer will anscheinend das Taubenproblem lösen, indem die Taube flugunfähig woanders dahinvegetiert und stirbt.“

Wohlgemerkt ist diese Gesellschaft ein Ableger von Tierschutz-Vereinen. Aber zweifellos ist die auffälligste Eigenschaft von Nopaloma: es klebt, kräftig und dauerhaft. Es aus Kleidern zu waschen ist unmöglich. So mahnt das Produktdatenblatt. Erst recht, es aus Gefieder zu entfernen. Verteilt sich das Mittel auf dem Federkleid, wird der Vogel bewegungsunfähig. „Die Federn zu stutzen und auf die Mauser zu warten“ ist laut Leins die einzige Möglichkeit.

Zuletzt hatten die Stuttgarter Grünen gegen Nopaloma protestiert, weil in S-Bahn-Stationen verklebte Tauben entdeckt worden waren. Auch das Einkaufszentrum Milaneo und der VfB Stuttgart lassen das Mittel verteilen. Naturschützer erstatteten in Merseburg genauso Anzeige wie in Bochum, dort gegen die Firma Einheit 3. Das Unternehmen sitzt in Weil im Schönbuch und ist auch mit der Taubenabwehr im Stern-Center beauftragt. Deshalb hat die Organisation Peta wegen „potenzieller Verstöße“ gegen den Tierschutz das Veterinäramt des Kreises Böblingen alarmiert.

Dort sei das Mittel bekannt, sagt Dusan Minic, der Sprecher des Landratsamts, aber „wenn man es nach Herstellerangegaben benutzt, kommen die Tauben wieder weg, würden Tiere verenden, würden wir dem nachgehen“. Gemäß Hersteller schreckt nicht die Klebrigkeit die Vögel ab, sondern der weiche Untergrund. Um ein Verkleben zu vermeiden, müsse Nopaloma mit Sand bestreut werden. Wie Fotos zu den Anzeigen belegen, drücken die Vögel die Körner aber in die Paste, der dann auch anderes Getier ausgesetzt ist.

Im Stern-Center fehlte die Neigung, das Thema auszudiskutieren

Dem Stern-Center-Manager fehlte die Neigung, das Thema auszudiskutieren. Ehlert strich Nopaloma aus dem Auftrag und lud die Tierschützerinnen ein. „Wir möchten keine Tierquälerei und werden die Paste nicht einsetzen“, sagt er. Nebenbei ließ er noch sechs Tauben befreien, die hinter einem Absperrnetz gefangen waren. Am Ende „sind wir von der Kampfebene auf eine Kunstebene gekommen“, sagt Ehlert.

Wenn auch noch nicht ganz. Der Center-Manager hat sich überzeugen lassen, dass die beste Maßnahme gegen Tauben ein Taubenschlag wäre. In ihm nisten die Tiere und werden gefüttert. Üblicherweise übernehmen Tierschützer die Versorgung und ersetzen die Eier gegen Attrappen, um den Nachwuchs zu begrenzen. Entweder auf dem Dach des Stern-Centers oder gegenüber auf dem der AOK soll ein Schlag aufgestellt werden. „Wir prüfen noch, aber wir beschäftigen uns ernsthaft damit“, sagt Ehlert. Die Eröffnung soll verbunden sein mit einer Ausstellung von Drucken Pablo Picassos. Schon dessen Vater malte Tauben. Der Künstler verehrte sie sein Leben lang.