Der Kreistag entscheidet sich endgültig für einen Neubau, der ohne Tierschützer betrieben wird. Dem Beschluss ging ein jahrelanger Streit voraus.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Zuletzt war Friede nach einem Rosenkrieg eingekehrt. Man werde sich gegenseitig helfen, im Haupt- wie im Ehrenamt. So hatten es der Landrat Roland Bernhard, Carl Giese und Roland Baumann in einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärt. Giese und Baumann sprachen für den Tierschutzverein. Womit ein jahrelanger Streit „in freundschaftlicher Scheidung“ endete, wie Bernhard sagte. Seit zehn Jahren hatten der Kreis und der Tierschutzverein das Tierheim gemeinsam betrieben. Mit dem Einstieg des Kreises sollte damals der Betrieb gesichert werden. Stattdessen herrschte ein Dauerstreit.

 

Allerdings kommen auch harmonische Scheidungen gelegentlich teuer. Am Montag hat der Kreistag erwartungsgemäß die Pläne für den Neubau eines Tierheims gebilligt, das der Kreis künftig in alleiniger Verantwortung betreiben wird – ohne den Tierschutzverein. Die Vorentscheidung war bereits in nicht öffentlicher Sitzung gefallen. Auf rund eine Million Euro waren einst die Baukosten geschätzt worden. Daraus sind in der ersten Architektenkalkulation mehr als 3,1 Millionen geworden.

Altlasten könnten den Bau verteuern

Womöglich reicht auch diese Summe nicht. Der Bau soll auf dem Grundstück der ehemaligen Kreisautoverwertung an der Herrenberger Straße in Böblingen entstehen. Dass sich im Boden Altlasten verbergen könnten, die teuer entsorgt werden müssten, liegt angesichts der bisherigen Nutzung nahe. Das letzte Wort hierzu haben Gutachter. Der Auftrag ist erteilt. Der Preis für den Baugrund hingegen fällt nicht ins Gewicht. 600 000 Euro überweist der Landkreis – gewissermaßen an sich selbst. Denn der bisherige Eigentümer ist der kreiseigene Abfallwirtschaftsbetrieb.

Teuer wird hingegen die Zukunft – für beide Partner. In den Scheidungspapieren ist das Führen zweier getrennter Haushalte niedergeschrieben, was nicht nur zu höheren Kosten, sondern auch zu einem Kuriosum führt: Der Kreis und der Tierschutzverein werden auf benachbarten Grundstücken Tierheime nebeneinander betreiben. Ersterer erfüllt in seinem Haus die gesetzliche Pflicht, herrenlose Tiere in Obhut zu nehmen. Letzterer konzentriert sich auf Dienstleistungen wie die Tierpension. Etwa 350 000 Euro soll der Betrieb des neuen, behördlich betriebenen Heims pro Jahr kosten. Das sind rund 100 000 Euro mehr als der Landkreis in der Vergangenheit als Zuschuss beisteuerte.

Der Tierschutz im Kreis ist vergleichsweise teuer

Die Gesamtsumme war und ist weiterhin vergleichsweise üppig bemessen. Die Stadt Stuttgart hat vor drei Jahren nach einem heftigen Streit mit dem dortigen Tierschutzverein die Fördersumme für das Tierheim in Stuttgart-Botnang auf 77 Cent je Einwohner erhöht. Auf den Landkreis Böblingen umgerechnet, entspräche dies knapp 290 00 Euro pro Jahr.

Auch der Tierschutzverein muss wegen der Trennung mit Mehrausgaben rechnen. „Baustelle, wir arbeiten daran“, ist treffenderweise auf der Internetseite des Tierheims unter der Rubrik „Trägerschaft und Finanzierung“ zu lesen. Der Verein behält das einst gemeinsame Heim. Es ist marode. Die Sanierungen müssen die Tierschützer fortan allein stemmen.

Die mutmaßlich letzte Kreistagssitzung zum Rosenkrieg verlief kritikfrei. Vier Aufsichtsräte der Betreibergesellschaft des Tierheims waren in andere Städte gereist, um dortige Konzepte zu ergründen. Am besten gefiel ihnen das Tierheim in Heilbronn. Der Neubau dort überzeuge mit Funktionalität bei einfacher Bauweise. So hatte es das Quartett dem Landratsamt übermittelt. Der einzige Änderungswunsch für die Baupläne stammte von Martin Preiß. Der Grünen-Kreisrat wünscht sich, dass die Dächer des Neubaus mit Solartechnik bestückt werden. Die Sinnhaftigkeit des Anliegens wird geprüft.

Ansonsten „ist heute ein guter Tag für den Tierschutz“, sagte der alte und neue Aufsichtsratsvorsitzende der Tierheim-Gesellschaft, Wolf Eisenmann, „vor 40 Jahren hat der Kreis etwas begonnen, jetzt ist es an der Zeit, etwas Neues zu beginnen“.