Dem Tierbiologen Roland Steiner ist es gelungen, in den Krebsbachauen in Rohrau ausreichende und artgerechte Brutplätze für die Vögel zu schaffen. In diesem Sommer jedoch wurden Eier aus den Nestern geraubt.

Gärtringen - Roland Steiner deutet auf die Ackerfurchen, in denen sonst Kiebitze brüten. Die Krebsbachaue in Rohrau ist eines der wenigen Refugien der Tiere, die vom Aussterben bedroht sind. „Ich war in diesem Jahr mindestens 80 mal hier und habe das Treiben beobachtet“, berichtet der 52 Jahre alte Tierbiologe. Er gehört der Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung eines privatwirtschaftlichen Instituts in Filderstadt (Kreis Esslingen) an, das Naturschutzplanung betreibt und forscht. Eines der von Steiner begleiteten Projekte ist das der Gemeinde Gärtringen. In diesem Jahr hat er einen ungebetenen Gast beobachtet: einen Fuchs. „Er hat einige Nester ausgeraubt“, berichtet Steiner. Die Folge: Es schlüpften weniger junge Kiebitze. Mit zwölf Paaren zählte Steiner insgesamt auch weniger Tiere als zuvor.

 

Im nächsten Februar werden die Vögel wieder erwartet

Das viereinhalb Hektar große Habitat ist mit einem Elektrozaun eingezäunt. Dennoch fand ein Fuchs eine Lücke, durch die er hindurchschlüpfen konnte. „Wir wollen die Kontrollgänge künftig deshalb noch verstärken“, erklärt der Tierbiologe.

Vorerst ist das nicht nötig, weil die Kiebitze in wärmere Gefilden entschwunden sind. In Richtung des Mittelmeerraumes, wohl bis nach Israel, vermutet der Experte, und manche auch an die Nordessküste. Im nächsten Februar, spätestens im März, werden die Vögel wieder erwartet.

Sieben Pappeln sollen weichen

Laut dem Tierbiologen benötigen Kiebitze fünf bis zehn Hektar Fläche und mindestens 150 Meter freie Sicht rings um ihre Brutstätten, die weder mit Büschen noch mit Bäumen bewachsen sein dürfen. In den Krebsbachauen sollen deshalb bald sieben weitere Pappeln gefällt werden, die unweit der Autobahn stehen, außerhalb des eingezäunten Areals, das noch zum Einzugsgebiet des Kiebitzes dazugerechnet wird.

Das Gelände in den Krebsbachauen „genügt derzeit gerade so den Ansprüchen der Tiere“, untermauert Steiner. Eine Population wie die 13 Brutpaare im vorigen Jahr sei deshalb bereits ein echter Erfolg gewesen. Aber einige Naturschützer haben offenbar etwas dagegen, dass die Pappeln gefällt werden. „Dabei kollidieren freilich die Interessen. Wir wollen die Leute aber davon überzeugen, dass die Abholzung für das Tierprojekt enorm wichtig ist“, sagt Steiner. Bereits im Jahr 2011 wurden an der Pappelallee mit damals rund 60 Bäumen sieben von ihnen gefällt.

Früher gab es viel mehr Brachflächen und Feuchtgebiete

Steiner hatte das Kiebitz-Projekt zuvor übernommen, nachdem einige Artgenossen auf dem Flugfeld, dem heutigen Stadtgebiet von Böblingen und Sindelfingen, wegen der Bauvorhaben vertrieben worden waren. In den Krebsbachauen, die schon Jahre zuvor ein Platz für die Zugvögel waren, gruben Bagger in die Äcker sogenannte Blänken. Das sind bis zu einen halben Meter tiefe Furchen, in denen die Tiere mit Vorliebe nisten. Vor etwa zehn Jahren wurde zudem ein Tümpel angelegt, wo die Vögel Insekten und deren Larven finden, von denen sie sich ernähren. Auch Wechselkröten und Laubfrösche haben sich dort inzwischen angesiedelt. Im Jahr 2012 ließ Steiner das umliegende Buschgehölz roden, weil die Kiebitze freie Sicht auch auf Greifvögel wollen, die sie bedrohen. Steiner beobachtete zum Beispiel einen Rotmilan, der sich auf Beutejagd machte.

„Früher hat es viel mehr größere Feuchtgebiete und brache Ackerflächen gegeben“, erklärt Steiner den drastischen Rückgang der Tierart. Überall gibt es heutzutage Spazierwege, so dass sich die Kiebitze auch von Spaziergängern gestört fühlen. Selbst die Modellflieger des nahegelegenen Flugplatzes sind ein Problem. Und erschwerend kommt nun die wachsende Fuchspopulation hinzu. „Wir sind mit den Jägern im Gespräch“, sagt Steiner, der auf eine stärkere Bejagung drängt.

Rinder halten das Gras kurz

Um das Gras auf den Wiesen und Äckern so kurz wie möglich zu halten, lässt der Gärtringer Landwirt Klaus Sindlinger derzeit seine Rinder in den Krebsbachauen grasen. Steiner und Sindlinger planen die Brutmöglichkeiten noch auszudehnen. „15 bis 20 Paare wären optimal“, sagt der Tierbiologe, „dann können sich die Kiebitze besser gegen ihre Angreifer verteidigen.“

Noch rund 300 Paare im Land

Vorkommen:
Kiebitze sind Bodenbrüter. Ihre Eier galten früher als Delikatesse, die heute aber nicht mehr gesammelt werden dürfen, weil der Vogel in seinem Bestand global bedroht ist. 2015 kamen die Kiebitze auf die Internationale Rote Liste gefährdeter Vogelarten. Die Tiere brüten hauptsächlich in offenen, flachen Landschaften mit kurzem oder gar keinem Gras. Nahrung suchen sie sich an Gewässerrändern, in Feuchtwiesen, Heiden und Mooren. Am liebsten nisten sie auf Feldern und Äckern mit Furchen. In Baden-Württemberg, so wird geschätzt, gibt es noch etwa 300 Kiebitzpaare. In den 1980er und 1990er Jahren waren es noch 5000 bis 8000. Allein auf dem Flugfeld wurden 1990 rund 25 Paare gezählt.

Habitate
: Neben dem Refugium in den Krebsbachauen, das von der Gemeinde als Ökoausgleichsmaßnahme betrieben wird, gibt es noch ein Kiebitzprojekt in Tübingen mit derzeit sechs Tierpaaren. Ein weiteres Habitat der Tierschützer ist in Donaueschingen angesiedelt, wo 25 bis 30 Paare gezählt werden.