Trotz des Frühlings grassiert die Geflügelpest weiter, und erstmals wurde das Virus in Deutschland auch in Füchsen nachgewiesen. Menschen sind bei uns noch nicht erkrankt – weltweit aber gab es in den letzten 20 Jahren mehr als 1000 Todesfälle.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Vor kurzem hat es die Vogelgrippe sogar als „Germany’s next top virus“ in die Heute-Show geschafft, und Moderator Oliver Welke behauptete, das Geflügelvirus könne die nächste Pandemie auslösen. Wissenschaftler würden das so pauschal sicher nicht unterschreiben, aber so richtig Entwarnung geben können sie nicht. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

 

Was ist die Vogelgrippe?

Bei der aviären Influenza (avis heißt auf lateinisch Vogel) handelt es sich um eine Erkrankung von Vögeln mit Influenza-A-Viren. Wasservögel sind besonders betroffen. Es gibt Subtypen, die wenig krank machen, aber auch tödlich verlaufende Subtypen, zu denen vor allem H5 und H7 gehören. Die derzeit grassierende Vogelgrippe geht vorwiegend auf das Virus H5N1 zurück, ist also hochpathogen. Es ist vermutlich 1996 in Asien entstanden und sorgt seit 2006 mit verschiedenen H5-Subtypen auch in Europa immer wieder für starke Ausbrüche in den Winterhalbjahren.

Wie entstanden die hochpathogenen Subtypen?

Das ist weitgehend ungeklärt, doch fällt auf, dass alle gefährlichen Virentypen erstmals in Geflügelbeständen und nicht bei Wildvögeln nachgewiesen wurden. Begünstigt die Massentierhaltung also die Entstehung solcher Varianten? Das könne man nicht sagen, betont Aleksandra Brandt vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI): „Es scheint nicht so sehr auf die Größe des Bestandes, sondern auf die Spezies (Huhn, Pute) und deren Nutzung (Legetätigkeit) anzukommen.“

Wie ist die aktuelle Situation?

In Baden-Württemberg habe die Geflügelpest erst im Februar Fahrt aufgenommen, betont Sebastian Schreiber vom Agrarministerium. Der Bodensee ist dabei mit seinen vielen Wasservögeln wieder ein Hotspot. Seither wurde das Virus bei 168 Wildvögeln festgestellt. Zudem mussten Anfang April 8700 Puten eines Mastbetriebs im Landkreis Schwäbisch Hall getötet werden. Damit ist Baden-Württemberg das Bundesland mit den meisten Infektionen in Deutschland. Im Winter 2016/17 war die Seuche mit 300 nachgewiesenen Infektionen bei Wildvögeln noch stärker gewesen.

Was hat sich verändert?

Drei Entwicklungen sind besorgniserregend. Erstens verschwindet die Vogelgrippe nicht mehr. Früher ebbte sie im Frühjahr ab und wurde dann irgendwann, meist durch Zugvögel, neu eingetragen. Das derzeit dominierende Virus H5N1 resultiert dagegen laut dem FPI aus Viren, die seit dem Herbst 2020 in Europa ansässig sind. Zweitens werden immer mehr Vogelarten und auch immer mehr Säugetiere befallen. Drittens hat sich jetzt die Erkrankung über den gesamten Erdball verbreitet: „Beispiellos“, so das FPI, sei die Ausbreitung des Virus über den Atlantik hinweg nach Nord- und Südamerika.

Was bedeutet das für den Vogelbestand?

Bei Vögeln endet eine Infektion mit einem hochpathogenen Virus fast immer tödlich. Nach einer Schätzung des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten sollen allein in Europa in der Saison 2021/22 rund 50 Millionen Tiere verendet sein. Auch an der Nord- und Ostsee kam es im Frühsommer 2022 zu starken Infektionswellen insbesondere bei Seevögeln, die in Kolonien brüten. Es hat laut FPI starke Verluste „bis hin zu existenziell bedrohlichen Einbrüchen“ etwa bei Seeschwalben, Möwen oder Basstölpeln gegeben. Für den zurückliegenden Winter liegen noch keine Einschätzungen vor.

Was bedeutet es, dass sich auch Säugetiere anstecken?

Weltweit wurden immer wieder Fälle von Infektionen bei Bären, Ottern, Robben, Füchsen oder auch bei zwei Hauskatzen registriert. Ende März bestätigte das FPI, dass das Virus erstmals auch in Deutschland bei vier Füchsen in Niedersachsen nachgewiesen wurde. Das sei nicht unerwartet, urteilt das FPI. Beunruhigend ist aber ein Fall Ende Oktober 2022 in Spanien, wo sich Nerze in einer Pelztierfarm gegenseitig angesteckt haben – es scheint die erste Übertragung von Säugetier zu Säugetier zu sein.

Wie viele Menschen sind betroffen?

Auch Menschen können sich gelegentlich anstecken; fast ausnahmslos sind bisher Personen betroffen, die engen Kontakt zu Geflügel gehabt haben. Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) müssen Menschen wohl sehr große Virusmengen aufnehmen, um sich zu infizieren. In der derzeitigen Infektionswelle wird bis Ende Januar dieses Jahres von weltweit fünf Fällen berichtet. Alle Infektionen bis auf eine verliefen milde. Im März ist eine Frau in China gestorben. Grundsätzlich kann die Vogelgrippe auch für den Menschen sehr gefährlich werden: Dem RKI zufolge sind seit 2003 weltweit 2600 Erkrankungen von Menschen nachgewiesen – davon verliefen 1100 tödlich. Das bedeutet aber nicht, dass die Todesrate bei fast 50 Prozent liegt, weil viele Infektionen unbemerkt bleiben.

Wie wahrscheinlich ist eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung?

Grundsätzlich betont das RKI, dass für die Allgemeinbevölkerung kein erhöhtes Risiko bestünde. Angesichts vieler Millionen infizierter Vögel seien die bekannten Infektionen bei Menschen wenig. Allerdings seien, so das FPI, in den erwähnten Nerzen und bei anderen Säugetieren erste Virusmutationen nachgewiesen worden, „die den Viren Vorteile bei der Vermehrung in Säugetieren verschaffen.“ Es handle sich aber nur um erste Schritte: „Für eine effektive Übertragung von Säugetier zu Säugetier muss das Virus eine Reihe weiterer Hürden überwinden, wofür es bisher keine Anzeichen gibt.“ Eine Übertragung von Mensch zu Mensch gab es jedenfalls bisher nicht. Ob das passieren kann, lässt sich laut RKI nicht vorhersehen. Die WHO ist kürzlich deutlicher geworden. Die Situation sei global schlechter geworden, weshalb auch das Risiko für den Menschen gestiegen sei, sagte die Direktorin der WHO-Abteilung für die Vorbereitung auf Infektionsgefahren, Sylvie Briand: „Es besteht kein Anlass zur Panik. Aber wir müssen prüfen, wie gut wir vorbereitet sind.“

Kann man sich über das Essen von Geflügelfleisch infizieren?

Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung ist eine Übertragung des Erregers über Lebensmittel nicht ausgeschlossen, gilt aber als unwahrscheinlich. Bislang gebe es keinerlei Hinweise auf eine Infektion über diesen Weg, so die Sprecherin Jessica Ebelt. Wer sicher sein will, sollte Fleisch und Eier vor dem Verzehr ganz durcherhitzen.