Die Tagesklinik von Mentalcare in Stuttgart hat seit Jahresanfang einen tierischen Mitarbeiter: Therapiehund Milo. Zwei Patienten berichten, was der Pudel bei ihnen auslöst.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Sanft schmiegt sich Milo an das Bein von Peter Müller (Name geändert), der dem Kleinpudel auch gleich über das flauschige Fell streichelt. „Er strahlt eine Geborgenheit und Wärme aus, es tut gut, dass er da ist“, sagt er. Der 46-jährige Lehrer ist wegen einer Depression und Angstzuständen im Zentrum für psychische Gesundheit Mentacare in Behandlung – und einer der Patienten, bei denen seit einigen Wochen auch der Therapiehund Milo zum Einsatz kommt. Der Wunsch, solch eine Tiertherapie anzubieten, sei schon länger vorhanden gewesen, so der Chefarzt der Privatklinik, Thomas Bolm.

 

Ein Glücksfall sei da gewesen, dass die Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Christiane Kauffmann-Schneider, die Ambulanz und Tagesklinik Anfang Januar verstärkt hat. Denn sie kam im Doppelpack. Milo ist der Hund der Oberärztin – ein Therapiehund mit „Berufserfahrung“. Nach seiner Ausbildung vor eineinhalb Jahren an der Spürnasenakademie in Bietigheim war der Pudel bis zu ihrem Arbeitgeberwechsel im Klinikum Esslingen an der Seite seines Frauchens. Sie habe sich schon länger einen Hund gewünscht, erzählt sie. Dies sei die Möglichkeit gewesen, ihren Wunsch mit dem Beruf in Einklang zu bringen. „Ich habe kein Hundesitting-Problem“, sagt die Ärztin.

Fell ist bisher auch für Allergiker unproblematisch

Bei der „Arbeit“ trägt Milo ein Stoffabzeichen, das ihn als Therapiehund ausweist. Milo habe bessere Sensoren als wir Menschen, sagt Christiane Kauffmann-Schneider. Er höre und rieche mehr, könne unsere Körpersprache verstehen und reagiere auf den Tonfall. Nicht nur wegen seiner ruhigen, zurückhaltenden, liebebedürftigen Persönlichkeit eigne er sich als Therapiehund, sondern auch wegen seines Fells: nicht einmal Allergiker hätten darauf reagiert. „Wenn der Hund dabei ist, ist die Arbeitsatmosphäre sehr angenehm“, sagt Kauffmann-Schneider, die selbst eine tiefenpsychologische Methode anwendet. Milos Reaktionen auf einen Patienten bezieht sie aktiv ein.

Was könnte der Hund gemeint haben, warum bleibt er in einem Moment an der Seite, im anderen nicht? Was fühlt der Patient gerade? Ist es möglich, das in Worte zu fassen? Der Hund, sagt sie, sei ein Türöffner. Gerade bei Menschen, die schlechte Erfahrungen mit anderen Menschen gemacht haben, sei das Tier eine große Hilfe. „Es ist ein Beziehungsangebot, das unbelastet ist“, erklärt sie und berichtet von Studienergebnissen, die ergaben, dass die Interaktion mit dem Tier den Blutdruck und die Herzfrequenz senken und den Spiegel des Stresshormons Kortisol reduzieren kann. Über den Kontakt mit dem Hund werde das Bindungshormon Oxytovin ausgeschüttet. Dadurch entstehe Vertrauen – auch zur Therapeutin. Milo ist nur zwei Tage in der Klinik im Einsatz; er bekommt auch Ruhezeiten. Auch Tanja Jansen hilft die Tiertherapie. Die Ingenieurin ist wegen einer Erschöpfungsdepression in Behandlung – auch sie heißt eigentlich anders. Niemand an ihrer Arbeitsstelle weiß, warum sie gerade fehlt. Sie sei in einer Phase, in der sie sich am liebsten verkriechen würde. Da sei der Hund ein „Optimismusfaktor“ und „Herzensöffner“. Es tue ihr gut, sein weiches Fell zu streicheln.

Atmosphäre sei eine andere, wenn der Hund da sei, sagt ein Patient

Peter Müller erzählt, dass er am Anfang sehr mit sich beschäftigt gewesen sei. Da habe Milo ihn in Ruhe gelassen. Dann habe er einmal einen sehr schlechten Tag gehabt, alles sah düster aus. „Das hat er gespürt“, erzählt der Pädagoge, der fünf Tage die Woche in die Tagesklinik kommt. Eng schmiegte sich der Hund an sein Bein. „Er hat mir gegeben, was ich in dem Moment gebraucht habe“, sagt Müller. „Er hat etwas besänftigendes.“ Manchmal liege Milo auch einfach nur da. Er mache gar nichts, und doch sei die Atmosphäre eine andere.