Eigentlich mögen die Affen keinen Besuch, doch die Universität Tübingen gewährt Journalisten Einblick in ihre Labors. Man habe zu lange gewartet anstatt zu erklären, warum man Tierversuche für nötig hält, sagt der Rektor.

Tübingen - Die Weißbüschelaffen sind ein wenig neugierig und lugen aus ihren Metallkäfigen hervor, um zu schauen, wer sie besucht. Die Universität Tübingen führt Journalisten in kleinen Gruppen durch die Primatenhaltung des Centrums für Integrative Neurowissenschaften (CIN). Fotos sind keine erlaubt, aus Gründen des Tierschutzes, aber Markus Siegel, einer der Forschungsgruppenleiter, hat selbst einige gemacht. Wir zeigen eins davon mit diesem Beitrag. „Man kann die Debatte nicht über Bilder gewinnen“, sagt er, weil er befürchtet, dass auch seine Bilder viele abstoßen werden. „Aber mit diesen Bildern müssen wir uns eigentlich nicht verstecken.“

 

Die Weißbüschelaffen leben seit Dezember in dem Neubau und werden derzeit eine halbe Stunde am Tag auf die Aufgabe trainiert, die sie später einmal im Experiment beherrschen sollen. Weißbüschelaffen kommunizieren viel über Laute, und die Tübinger Neurowissenschaftler wollen untersuchen, wie die Rufe vom Gehirn ausgelöst werden. Wenn die Affen irgendwann auf Kommando rufen können, wird man ihnen Elektroden ins Gehirn pflanzen, um die Aktivität der Nervenzellen zu ermitteln. Die Versuche werden dann vier bis sechs Stunden dauern.

Im Käfig nebenan leben zwei Rhesusaffen, die bereits einen implantierten Titanaufsatz auf dem Kopf tragen, mit dem sie bei den Experimenten im Versuchsstuhl fixiert werden. Die Wunden sind sauber und sehen auch für den Laien besser aus als auf den kurz nach einer Operation entstandenen Bildern, die Tierschützer im vergangenen Herbst heimlich am Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik gedreht und veröffentlicht hatten.

Die Ministerin fordert auf zum Dialog

Einer der beiden Affen betrachtet die Besucher aus dem Hintergrund, ein anderer verharrt hinter der Scheibe regungslos. Später wird er den Besuchern auch drohen – die Affen sind keine Zootiere und nur den Besuch von Versuchsleitern und Pflegern gewohnt. Ein Mitarbeiter von Markus Siegel geht in den Gang zwischen den Käfigen. Einen der Affen füttert er mit Weintrauben, ein anderer versucht ihm derweil von hinten in die Tasche seines Laborkittels zu greifen. Markus Siegel will zeigen, dass die Tiere nicht aggressiv reagieren. „Es ist ein sehr persönliches Verhältnis“, sagt er.

Solche Führungen seien überfällig, sagt Bernd Engler, der Rektor der Universität Tübingen. „Wir haben viel zu lange gewartet. Die Debatte ist eigentlich schon an die Wand gefahren.“ Aber er setzt sich trotzdem für einen Tag wie diesen ein, denn die Debatte sei nicht kontrollierbar und hole einen irgendwann ein. An der Universität Tübingen sind 2013 zum Beispiel 18 Primaten als Versuchstiere eingesetzt worden – 33 waren es in Baden-Württemberg und 269 bundesweit.

Auch die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) lässt sich durch die Labors führen. Es gehe ihr heute nicht um die Frage, ob das Max-Planck-Institut alle Regeln eingehalten habe, sagt sie. Das werde von den Behörden geprüft. Sie mache sich Sorgen, weil sie immer wieder höre, dass man über Tierversuche nicht vernünftig reden könne. „Das darf es eigentlich nicht geben.“ In den vergangenen Monaten seien zwar Wissenschaftler beleidigt und bedroht worden, die Tonlage sei unerträglich gewesen. Aber trotzdem brauche man Wissenschaftler, die erklären, warum sie mit Tieren experimentieren.

Ein wissenschaftlicher Beitrag zur ethischen Debatte

Aus einer Diskussionsrunde in Tübingen nimmt Bauer die Aussage der Forscher mit, dass man auch in den kommenden Jahren nicht auf Experimente mit Affen verzichten könne. Das müsse man dann auch deutlich sagen, fordert die Ministerin. Ein Beispiel ist die Immuntherapie bei Krebs, in der das Immunsystem dazu gebracht wird, Tumorzellen anzugreifen und zu zerstören. Das Immunsystem des Menschen lasse sich nicht im Reagenzglas und auch nicht in Mäusen studieren, heißt es in Tübingen. Vor den ersten klinischen Tests bei Patienten müsse man daher Affen die Medikamente verabreichen. Die Wissenschaft müsse allerdings die richtigen Versuchstiere auswählen, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen, was nicht immer geschehe. Und sie müsse besser untersuchen, welche Strategien in der Forschung mit Tieren am meisten nützen.

Die Forscher präsentieren sich selbstkritisch. „Ich möchte nicht als Wissenschaftler hinter verschlossenen Türen und außerhalb des gesellschaftlichen Konsenses arbeiten“, sagt Hans-Peter Thier vom CIN. Einige jüngere Kollegen haben die Website www.pro-test-deutschland.de eingerichtet und erklären dort, welchen Nutzen sie in Tierversuchen sehen. Der 30-jährige Initiator Florian Dehmelt berichtet, dass sie in Tübingen auch schon Passanten angesprochen hätten – mit positiven Reaktionen. „Wissenschaftler sind nicht besser qualifiziert als alle anderen, um ethische Debatten zu führen“, sagt er. Zwischen Erkenntnisinteressen und dem Leid der Tiere müsse öffentlich abgewogen werden.

Das sieht auch die Ministerin so: „Die Wissenschaft kann uns den moralischen Diskurs nicht abnehmen“, sagt Bauer, „aber wir brauchen auch Wissenschaftler in diesem Diskurs.“ Die gegnerische Seite ist an diesem Tag jedoch nicht eingeladen. Man habe keinen Schlagabtausch inszenieren wollen, sagt Bauer.