Wer denkt, es gehe bei den nächtlichen Konzerten der Tungara-Frösche nur ums Gehörtwerden, der irrt sich. Die Weibchen wollen ihren Troubadour auch sehen, bevor sie sich ihm hüpfend nähern.

Stuttgart - Wenn in lauen Sonnennächten die Frösche lautstark aus dem nahen Tümpel quaken, verstehen menschliche Zuhörer intuitiv die Prinzipien der Partnerwahl der Tiere: Die Weibchen suchen sich den stimmgewaltigsten Quaker mit dem besten Gesang aus, weil der vermutlich auch sonst fit ist und so dem Nachwuchs gute Eigenschaften vererben dürfte. Ganz so einfach aber laufen Frosch-Romanzen in der Natur denn doch nicht ab, berichten die US-Amerikaner Ryan Taylor von der Salisbury-Universität in Maryland und Mike Ryan von der Universität von Texas in Austin in der Fachzeitschrift „Science“: Die Weibchen wollen ihren Troubadour nicht nur hören, sondern auch sehen.

 

Zumindest gilt das für den Tungara-Frosch Engystomops pustulosus, der seine Konzerte an Tümpeln in Zentral- und Südamerika veranstaltet. Die zwei oder drei Zentimeter langen Tiere blasen ihren Kehlsack auf und produzieren dabei einen lang gezogenen jammernden Heulton in höheren Frequenzen, dem mehrere kurze, knarzende Laute im Bass folgen.

Die Weibchen legen Wert auf die komplette Melodie, fanden die Forscher heraus: Sie spielten Tungara-Weibchen aus einem Lautsprecher entweder nur die hohen, jammernden Töne oder die tiefen Knarzlaute vor. Als Ergebnis halten sie fest: da mag ein Männchen noch so jämmerlich heulen, wenn kein Knarzlaut folgt, interessiert sich das andere Geschlecht einfach nicht für seine Werbung. Das Knarzen erregt zwar mehr Aufmerksamkeit als das Heulen, für einen Casanova reicht aber auch das nicht aus. Erst wenn die Forscher beide Laute kombinierten, fanden die Weibchen das interessant und hüpften auf den Lautsprecher zu.

Auch Fledermäuse haben es auf die Frosch-Männchen abgesehen

Ein einziges Knarzen genügte auch nicht, je mehr Knarzlaute dem Heulen folgen, umso mehr Sex-Appeal scheinen die Männchen zu haben. Das haben auch Fledermäuse mitbekommen, die gerne Froschschenkel fressen. Besonders häufig knarzende Männchen mögen so zwar ihre Kraft und Größe gut demonstrieren und recht attraktiv wirken. Allerdings kommen sie in den meisten Fällen trotzdem nicht zum Zug, weil die Fledermäuse sie vorher mit ihren scharfen Zähnen packen. In der Praxis des zentralamerikanischen Regenwaldes sorgt dieses Dilemma zwischen Attraktivität und Todesrisiko daher für einen Mittelweg. Die Männchen knarzen nach ihrem Heuler nur zwei oder dreimal und die Weibchen werden genau von dieser Reihenfolge besonders angezogen.

Bei der Partnerwahl gibt es aber noch ein weiteres Problem, das menschliche Party-Besucher kennen: Es ist schwer, aus den verschiedenen Stimmen, die einem ins Ohr schwirren, ein einzelnes Gespräch herauszufiltern. Behält man aber einen Sprecher im Auge, helfen die Bewegungen seiner Lippen beim Finden eines Gesprächsfadens im Stimmen-Wirrwarr. Auch die Tungara-Frosch-Weibchen könnten eine Kombination aus Hören und Sehen verwenden, um ein attraktives Männchen an einem Tümpel zu identifizieren.

Um das zu testen, kombinierten die Forscher das eigentlich unattraktive jämmerliche Heulen mit einem einzelnen Knarzlaut, der geringen Sex-Appeal offenbart. Erwartungsgemäß interessierten sich die Weibchen nicht besonders für den Lautsprecher. Das änderte sich, wenn die Forscher zusätzlich eine Frosch-Attrappe zum Einsatz brachten, die einen künstlichen Kehlsack aufblasen konnte. Saßen die Weibchen genau in der Mitte zwischen zwei Lautsprechern, hüpften sie zielstrebig auf den zu, neben dem die Attrappe sich zusätzlich zum Heulen und einmaligen Knarzen kräftig aufplusterte. Und das nur dann, wenn der künstliche Kehlsack genau zwischen Heulen und Knarzen aufgeblasen wurde. Also genau in der gleichen Reihenfolge wie ein echter Frosch-Troubadour. Das Lied allein genügt also nicht, die Weibchen wollen ihren Verehrer auch sehen, bevor sie ihre Wahl treffen.