Auch in Stuttgart leben Tiger hinter Gittern. Nach dem Drama im Kölner Zoo und den sich anschließenden Diskussionen über die Sicherheit bei der Haltung von Raubkatzen erklärt die Wilhelma ihr Konzept – und was sie im Notfall tun würde.

Stuttgart - Zwei Tage nach dem tödlichen Tigerangriff auf eine Pflegerin im Kölner Zoo sind viele der Mitarbeiter in der Stuttgarter Wilhelma am Montag angesichts des tragischen Ereignisses noch immer schockiert gewesen. Während Kripobeamte in Köln Spuren sicherten, um genau nachvollziehen zu können, wie das Sibirische Tigermännchen Altai die erfahrene Pflegerin anfallen konnte, ist eine Diskussion um die Sicherheit in Raubtieranlagen und um ethische Aspekte der Haltung von Großkatzen entbrannt.

 

Im oberen Teil der Wilhelma leben derzeit zwei Sumatratiger. Der Kater Carlos und seine Gefährtin Dumai können sich in einem Innengehege und einem Außenbereich aufhalten. Derzeit arbeiteten drei Tierpfleger in den Raubtieranlagen, sagte Karin Herczog, die Sprecherin des Stuttgarter Zoos. Die Sicherheitsaspekte seien ein Teil der tierpflegerischen Ausbildung – dabei geht es zum Einen um die technischen Standards bei den Gehegen. Zum Anderen würden die Mitarbeiter geschult, das Verhalten der Tiere zu beobachten und dieses entsprechend zu interpretieren. Darüber hinaus würden die Mitarbeiter des Zoos regelmäßige Fortbildungen besuchen. Die Arbeitssicherheit sei ein wichtiger Aspekt dabei.

In Köln müssen die Kripobeamten und die Zooleitung unterdessen vor allem die Frage klären, weshalb der Tiger sich überhaupt im selben Raum aufhalten konnte wie die Pflegerin. Normalerweise hätte die Tierpflegerin innerhalb des Geheges mit einem Schieber eine Tür zwischen sich und dem Tier verriegeln müssen. Die Zooleitung bezeichnete es als unerklärlich, weshalb sie dies unterließ.

Die Zooleitung ist ratlos

Auch in der Stuttgarter Wilhelma werden Schieber eingesetzt, mit denen sich Türen zwischen einzelnen Gehegebereichen öffnen und schließen lassen. Ein solches Sicherungssystem gehört in den meisten Zoos zum Standard. Laut Karin Herczog sei das System so eingerichtet, dass es auch dann funktioniert, falls beispielsweise ein Knochen eine Tür blockiert. In diesem Fall können die Pfleger mit einem weiteren Schieber eine andere Tür abtrennen. Auf diese Weise könne immer eine Barriere zwischen dem Raubtier und dem Menschen aufrecht erhalten werden. „Dabei ist es ausgeschlossen, dass die Tiger einen solchen Schieber auch betätigen können“, erklärte Karin Herczog.

Ein Notfallplan regelt, wer schießen muss

Es sei ein wichtiger Teil der Sorgfaltspflicht, dass sich die Pfleger immer vergewisserten, dass sich kein Tier mehr in dem Bereich aufhalte, den sie selbst betreten wollten, um beispielsweise die Käfige zu reinigen. In Köln musste der Zoodirektor am Samstag den Sibirischen Tiger erschießen, damit Rettungskräfte in die Nähe der Pflegerin gelangen konnten. Der Zoo wurde zwischenzeitlich geräumt, alle Besucher mussten die Anlage verlassen.

Auch wenn es in der Stuttgarter Wilhelma keinen vergleichbaren Zwischenfall gegeben hat, ist der Zoo dennoch mit einem Notfallplan auf Zwischenfälle vorbereitet. „Es gibt klare Anweisungen, wer in einem solchen Fall zu verständigen wäre“, so Herczog. Der Plan legt unter anderem fest, welche Mitarbeiter Zugang zu den Gewehren und Betäubungsgewehren haben. Letztere können beispielsweise vom Tierarzt eingesetzt werden.

Tierschutzorganisationen haben derweil scharfe Kritik an den Haltungsbedingungen für Raubkatzen in den Zoos geübt (siehe unterer Infokasten). Kritisiert wurde zudem auch der Kölner Zoodirektor, der Altai mit einem Jagdgewehr erschoss. Der Zoo reagierte nun darauf mit einer Erklärung. In Absprache mit der Polizei habe man vor Ort leider keine andere Wahl gehabt, als den Tigerkater zu erschießen. In diesem Moment habe sich das Tier im selben Gehege wie die Pflegerin aufgehalten und man habe noch hoffen können, die schwer verletzte Frau zu retten.

Die Tierschützer klagen über zu kleine Gehege für Großkatzen

Kritik

Mehrere Tierschutzorganisationen haben nach dem Vorfall in Köln die deutschen Zoos für die Haltung von Großkatzen kritisiert. Im Zoo gehaltene Tiger seien allesamt verhaltensgestört und würden in freier Wildbahn nicht überleben, sagte ein Sprecher des World Wildlife Fund (WWF). Die Organisation Vier Pfoten forderte mehr Platz für Löwen, Tiger und andere Raubkatzen. Der Weltzooverband empfehle deutlich größere Gehege, so ein Sprecher von Vier Pfoten – die deutschen Mindestvorgaben für die Haltung von Raubkatzen seien zu niedrig angesetzt. In freier Wildbahn legten männliche Tiger bis zu 30 Kilometer am Tag zurück.

Entgegnung

Mehrere deutsche Zoos verwiesen angesichts der Kritik auf eine stete Verbesserung der Haltungsbedingungen in den vergangenen Jahren. Die Wilhelma argumentierte, dass es Angriffe von Tigern auf Menschen auch in freier Wildbahn gegeben habe. Das Verhalten des Kölner Tigers lasse nicht auf eine durch die Gefangenschaft bedingte Verhaltensstörung zurückschließen. Das Tier habe sich so verhalten, wie es von einem Tiger zu erwarten sei, wenn jemand ungeschützt in sein Revier eindringt.