Butterweich im Reim, messerscharf in der Analyse, und deshalb setzen sich die Liedzeilen von Tim Bendzko auch so hartnäckig in den Gehörgängen fest: Am Donnerstag hat der Musiker auf dem Killesberg eine Kostprobe seine Könnensgegeben.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Nach dem zweiten oder dritten Lied will er wissen, wie viel Männer im Publikum sind, wie viel Frauen und wie viel Männer ohne weibliche Begleitung. Die Frauen, klar in der Überzahl, kreischen, die Männer recken den Arm. „Freunde, ihr sollt euch nicht melden, ihr müsst grölen“, belehrt sie Tim Bendzko; sein Berliner Akzent ist sehr dezent, aber vernehmbar. Der Songpoet aus Köpenick mit den blonden Stirnlocken reitet während seines Konzerts auf der Freilichtbühne Killesberg immer wieder auf diesem Mann-Frau-Thema rum; das macht der Echo-Gewinner und Bundesvision-Songcontest-Sieger 2011 wohl immer bei seinen Auftritten. Man fragt sich, warum. Routine? Ritual? Ratlosigkeit?

 

Bendzko jedenfalls ist von der Sorte Mann, die ganz Gefühl, ganz Innenschau ist, und das ist gar nicht negativ gemeint. Denn er singt gut, sehr gut, seine Stimme ist samtweich und hat trotzdem diesen kantig-nüchternen Deutschpop-Sound. Vor allem aber sind es seine Texte, die wie ein Seelenscanner die Befindlichkeiten seiner Generation – Bendzko ist 27 – erfassen, in extrem hoher Auflösung. Butterweich im Reim, messerscharf in der Analyse, und deshalb setzen sich die Liedzeilen auch so hartnäckig in den Gehörgängen fest, und alle singen mit, nicht bloß bei „Nur noch kurz die Welt retten“, auch bei den meisten anderen Songs seines ersten Albums: „Es kommt zurück“, „Sag einfach Ja“ (das heute als Single erscheint) und sowieso beim überragenden „Wenn Worte meine Sprache wären“. Er sei erstaunt über die Textsicherheit der Männer in Stuttgart, sagt er.

Das ewige Sich-Sehnen

Es wird ein zwar mondloser, aber dennoch melancholischer Abend auf dem Killesberg. Der Berliner Barde gibt mit „Am seidenen Faden“ auch einen Vorgeschmack auf sein nächstes Album. „Ihr entscheidet, ob das Lied mit draufkommt.“ Er singt darin viel vom Winter und meint damit wohl wieder das ewige Sich-Sehnen. Die Band, alles Männer, ist dennoch quietschfidel; einmal, nachdem sie die Welt gerettet haben, legen sie sich rücklings auf den Boden und zappeln wie Käfer mit den Beinen. Das Akkordeon tanzt, das Violoncello weint, und der Gitarrist schafft es sogar, zwei richtig rockige Soli in diese herzerwärmende und übrigens auch den Musikgeschmack einer ganzen Familie auf sich vereinende Moll-Lastigkeit hineinzuschmuggeln. Fünf Zugaben, bei „In dein Herz“ soll man die Augen schließen. Davonträumen will sich aber keiner – es ist das Hier, das zählt.