Auch die Anwälte der Angehörigen und die Nebenkläger fordern, den Vater von Tim K. wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung sowie Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer ­21-monatigen Haftstrafe zur Bewährung zu verurteilen.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart - Im Revisionsprozess gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen am Landgericht in Stuttgart haben sich die Anwälte der Nebenkläger und die Angehörigen der Getöteten dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft angeschlossen. Sie fordern ebenfalls, den 54-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung sowie Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer 21-monatigen Haftstrafe zur Bewährung zu verurteilen. Schließlich habe der Vater des Amokläufers die Tatwaffe und die Munition nicht ordnungsgemäß aufbewahrt. Tim K. hatte am 11. März 2009 mit der Pistole und mit Neun-Millimeter-Patronen des passionierten Sportschützen 15 Menschen getötet und 14 weitere verletzt.

 

Der Anwalt Jens Rabe von der Waiblinger Kanzlei Künzel und Partner, die fast 30 Mandanten vertritt, erklärte, dass es im zweiten Gerichtsverfahren gegen den Vater keine neuen Erkenntnisse gegeben habe, die ein anderes Urteil als im ersten Prozess rechtfertigen würden. „Es ist alles gesagt worden, nicht nur einmal, sondern mehrmals“, so Rabe.

Anwältin sieht Fehlverhalten des Vaters

Die Anwältin Michaela Spandau hob hervor, dass erst das Fehlverhalten des Vaters den Amoklauf ermöglicht habe. „Der Angeklagte hat von den Verhaltensauffälligkeiten seines Sohnes gewusst“, sagte Spandau mit Blick auf eine ambulante Behandlung von Tim K. im Jahr vor der Bluttat in der Klinik- und Jugendpsychiatrie Weinsberg. Dort hatte der 17-Jährige von „einem Hass auf die Welt“ und von Mordgedanken berichtet. Wenn der Vater die Tatwaffe und die Munition dazu wie vorgeschrieben verwahrt hätte, hätte das Blutbad nur in der Fantasie des Jungen stattfinden können, so Spandau.

Lediglich eine Anwältin eines Nebenklägers plädierte nicht für eine Verurteilung des Vaters, sondern für eine sogenannte Verwarnung mit Strafvorbehalt. Der Angeklagte und seine Anwälte seien während des Prozesses massiv angegangen worden. Im Blick darauf, dass der Vater zudem ebenfalls seinen Sohn verloren habe, er selbst wegen des Massakers körperlich und psychisch schwer erkrank sei, müsse der 54-Jährige nicht unbedingt verurteilt werden. Auf der übrigen Seite der Nebenkläger stieß dieses Plädoyer indes auf Unverständnis und löste Kopfschütteln aus.

Vater eines Opfers erwartet Urteil mit Signalwirkung

Auch Angehörige der Opfer des Amoklaufs kamen zu Wort – und einige von ihnen wandten sich sehr aufgewühlt direkt an den Angeklagten. Ein Vater einer getöteten Frau beklagte, dass der Mann durch sein hartnäckiges Schweigen während des Prozesses nicht dazu beigetragen habe, die Ursache des Massakers zu ergründen. Denn damit könnten möglicherweise künftige Amokläufe verhinder werden. Zudem warf der Mann dem Vater vor, dass er maßgeblich Schuld an der Tat trage. „Das Urteil muss ein Signal an alle Waffenbesitzer sein, ihrer Sorgfaltspflicht bei der Aufbewahrung nachzukommen“, so der Mann.

Eine Angehörige eines Opfers warf dem Angeklagten indirekt vor, bei der Erziehung versagt zu haben. „Meine getötete Tochter ging nicht zum Schießen, sondern zum Ballett und zum Tanzen“, sagte die Frau mit Blick darauf, dass der Vater den Jungen trotz dessen psychischer Probleme mit zum Schießstand genommen hatte.

Wegen eines Verfahrensfehlers war ein Revisionsprozess notwendig geworden. Er wird am kommenden Montag mit weiteren Plädoyers der Nebenkläger fortgesetzt. Zudem wird die Verteidigung ihren Antrag stellen.

Die Anwälte des Angeklagten haben in dem Prozess eine Mitverantwortung des Vaters abgestritten, weil Tim K. auf unbekannte Weise und ohne Wissen des Mannes an die Munition gelangt sei. Das Urteil wird für Freitag, 1. Februar, erwartet.