Der Porsche-Werksfahrer Timo Bernhard spricht im Interview über seinen Teamkollegen Mark Webber und über die Chancen auf den WM-Sieg in Bahrain.

Stuttgart - - Timo Bernhard und seine Kollegen im Porsche 919 Hybrid wollten eigentlich die 24 Stunden von Le Mans gewinnen – das gelang jedoch der Crew um Nico Hülkenberg im Schwesterauto. Immerhin aber können Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley am Samstag beim WEC-Finale in Bahrain noch Langstrecken-Weltmeister werden. Das Trio führt mit zwölf Punkten vor einem Audi. „Sicher sind wir uns da aber nicht“, sagt Timo Bernhard zu dem Vorsprung.

 
Herr Bernhard, Sie haben die Strecke in Bahrain vorsorglich am Simulator abgefahren. Hilft das für das große Finale?
Wir nutzen das als Vorbereitung auf das jeweilige Rennen. Es ist hauptsächlich für die Ingenieure gedacht. Viele Sachen, die sie gerne ausprobieren würden, können sie besser am Simulator testen als auf der Strecke. Dort sind die Testzeiten ja limitiert.
Im Wüstenstaat Bahrain erwarten Sie hohe Temperaturen und vielleicht auch Winde, die Sand auf die Strecke wehen. Können auch solche Bedingungen simuliert werden?
Das könnte man, aber wir machen es nicht. Auf solche Situationen müssen wir uns dann vor Ort einstellen. Klar, mit Sand auf dem Asphalt kann es rutschig werden. Aber ein bisschen Spannung muss ja bleiben.
Sie und Ihre Kollegen Mark Webber und Brendon Hartley haben vor dem letzten Rennen am Samstag zwölf Punkte Vorsprung auf ein Audi-Fahrertrio. Da dürfte der Gewinn der Langstrecken-WM machbar sein.
Sicher sind wir uns da nicht. Unsere Herangehensweise wird sein, weiter konzentriert zu bleiben. Wir haben einen super Lauf, fangen jetzt aber nicht mit Rechenspielen an. Wichtig ist: wir sind ein richtig gutes Team, da gehört auch unser Fahrzeug-Ingenieur Kyle Wilson-Clarke unbedingt dazu. So ein perfektes Zusammenspiel findet man im Motorport nicht immer.
Wie sieht die Reihenfolge für das Sechsstundenrennen aus? Wer fängt an?
Jeder von uns dreien kann für jede Rennphase eingesetzt werden. Für Bahrain ist vorgesehen, dass ich starte. Wer von den beiden anderen der Nächste ist, das weiß ich allerdings noch nicht.
Der ehemalige Formel-1-Pilot Mark Webber ist ein erfahrener Mann, Brendon Hartley das Küken im Team – und Sie liegen dazwischen. Eine bunte Mischung ist das.
Wir sind alle drei sehr individuell, jeder hat seine eigene Geschichte auf dem Weg zum Profi hinter sich, und wir befinden uns in einem unterschiedlichen Stadium der Karriere. Brendon ist superschnell, er kommt aus den Formel-Nachwuchsserien. Mark ist durch seine lange Formel-1-Karriere gestählt, und ich stecke zwischen den beiden mittendrin, habe aber die meiste Langstreckenerfahrung. Jeder bringt da also sein eigenes Paket mit – und zusammen sind wir stark.
Sie sind 34 Jahre alt. Mark Webber ist 39, Brendon Hartley 26. Wie kommen die beiden bei 13 Jahren Unterschied miteinander klar?
Sie verstehen sich prächtig. Brendon und Mark kommen als Neuseeländer und Australier ja auch aus einem ähnlichen Teil der Erde. Der Teamgedanke ist wichtig. Ich bin vielleicht ein bisschen das Bindeglied und die Integrationsfigur, auch weil ich der dienstälteste Werksfahrer bei Porsche bin.
Vor einigen Wochen hat Webber auf dem Weg zum Nürburgring bei Ihnen übernachtet. Eine echte Freundschaft?
Zu Mark habe ich eine sehr gute Beziehung. Wir haben uns von Anfang an bestens verstanden und auch die gleichen Werte im Leben. Mir gefällt an ihm, dass er zwar ein Superstar ist, es aber nie heraushängen lässt und sich auch nicht in den Vordergrund drückt. Er lebt den Teamgedanken quasi vor. Er würde nie vergessen, Brendon und mich zu erwähnen, obwohl er die meiste Aufmerksamkeit bekommt.
Mark Webber hatte große Probleme bei Red Bull, wo er sich gegenüber Sebastian Vettel oft benachteiligt fühlte.
Es ist schwer für mich, da aus der Ferne eine Wertung abzugeben. Es wäre den beiden gegenüber auch unfair. Ich weiß auch nicht, was vorgefallen ist. Beide sind herausragende Rennfahrer. Sebastian und seine Eltern kenne ich aus der Kart-Zeit.
Gehören Sie der Generation an, die im Sog des Schumacher-Booms im Kart fuhr?
Ich habe vor der Schumi-Ära angefangen, etwa 1986. Ich bin durch meinen Vater, der selbst Rennen fuhr, zu dem Sport gekommen. Die Kollegen meines Vaters haben gelacht, weil ich schon mit sechs Jahren sagte: „Ich will auch Rennfahrer werden, aber nicht wie ihr, ich möchte dafür bezahlt werden.“ Heute lachen sie nicht mehr.
Hätte Ihr Weg auch in die Formel 1 führen können?
Durch meine Unterschrift beim Porsche-Junior-Team war mein Weg in den Sportwagenbereich vorgezeichnet. Die Formel 1 war zwar früher das Ziel, aber man muss auch ehrlicherweise sagen, dass ich damals eine unheimliche Lobby gebraucht hätte, und die hatte ich nicht. Es gab mal Gespräche mit dem Sauber-Team, aber daraus wurde nichts. Als ich etwa 20 war, fuhren außerdem ja schon vier Deutsche in der Formel 1 mit: die Schumacher-Brüder, Frentzen und Heidfeld. Es war einfach kein Bedarf mehr da.
Ärgert Sie das?
Nein, ich bin darüber nicht traurig. Als Porsche mir ein Angebot machte, wusste ich zwar, dass ich jetzt nicht mehr auf die Formel-Sport-Schiene aufspringen werde, ich bin aber bis heute dankbar für diesen Weg. Und wenn ich in das Porsche-Museum gehe, sind da drei Autos zu sehen, mit denen ich Erfolge hatte. Ist das nicht toll?