Schlauch wechseln, neue Griffe montieren, Bremsbeläge erneuern – viele dieser kleinen Arbeiten können zuhause erledigt werden. Aber Vorsicht: Einige Bauteile darf man beim E-Bike nicht einfach nach Gusto austauschen.
Stuttgart - Bereits beim Wechsel eines abgefahrenen Reifens sollten E‑Biker genauer hinschauen, ob der neue Reifen auch wirklich gefahren werden darf. „Durch die stärkere Beschleunigung, zusätzliches Gewicht und dynamisches Kurvenfahren sind Reifen zu empfehlen, die für den E‑Bike-Einsatz freigegeben sind“, erklärt Stefan Franken, Produktmanager Tour/E‑Bike bei Schwalbe. „Wichtig: Auch auf die Einhaltung der gleichen Reifengröße sollte man immer achtgeben, um z. B. nicht ungewollt die Endgeschwindigkeit des Motors zu verändern“, ergänzt Franken.
Gewährleistung für E-Bike sichern
Die Freigabe des Bauteilherstellers ist für Verbraucher wichtig, da E‑Bikes, also rechtlich gesehen Pedelecs mit einer Motorunterstützung bis 25 Kilometer pro Stunde, unter die CE-Konformität fallen. Das Elektrofahrrad ist also in der jeweils getesteten Ausstattung zugelassen. Durch das in Deutschland für den Verkauf von Pedelecs vorgeschriebene CE-Kennzeichen wissen Kunden, dass sie ein sicheres Produkt kaufen, das den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Beim Tausch einzelner Komponenten ist es deshalb entscheidend, dass nur Teile montiert werden, die das Fahrverhalten nicht verändern. Ansonsten kann die CE-Konformität erlöschen und sogar die Gewährleistung der Fahrradhersteller und der Versicherungsschutz verloren gehen.
Grob fahrlässig handelt darüber hinaus, wer Änderungen am Elektroantrieb durchführt. „Illegales Tuning oder der Wechsel auf einen leistungsstärkeren Antrieb werden von unseren Antrieben erkannt. Außerdem sollte beim Austausch von Elektronikteilen, also beispielsweise auch des Akkus, darauf geachtet werden, Originalteile zu verwenden“, erklärt Dr. Thomas Leicht vom Antriebsspezialisten Brose.
Umbauten sind dennoch Realität
Beim Austausch von Rahmen, Gabel oder Bremsen sollten E‑Biker möglichst identische Teile verwenden, denn bei einem Tausch muss die Freigabe durch den E‑Bike-Hersteller vorliegen – und dieser testet meist nur wenige Kombinationen. Bei anderen Teilen, wie beispielsweise Bremsbelägen, ist es notwendig, dass eine Freigabe des Bremsenherstellers für den E‑Bike-Gebrauch vorliegt. So können auch andere Produkte desselben Herstellers verwendet werden, sofern sie eine Freigabe besitzen. Damit sollte man sich beschäftigen, wenn man einen Umbau vornehmen möchte, sonst drohen erhebliche Konsequenzen. Etwa wenn bei einem Unfall etwa alle Kosten selbst getragen werden müssen oder die Krankenversicherung nicht zahlt.
Schaltungswechsel mit Vorgaben
Für den Austausch der Schaltung braucht es, anders als bei vielen anderen Komponenten, überraschenderweise keine Freigabe durch den E‑Bike-Hersteller oder den Komponentenanbieter. Dennoch gibt es gewisse Regeln, an die man sich halten muss: So sollten alle Schaltungsbestandteile für die Gangzahl passend und untereinander kompatibel sein. Außerdem sind Kettenblätter oder Riemenscheiben im Durchmesser und Anzahl der Zähne identisch zu wählen.
Beim Umrüsten von einer Ketten- auf eine Nabenschaltung muss zudem ein neues Laufrad gebaut werden, das dem zuvor verwendeten in Felgendurchmesser und Breite entspricht.
Obacht bei Tausch von Licht und Radschützern
Knifflig ist auch der Umbau der Beleuchtung. „Scheinwerfer sind für eine bestimmte Spannung ausgelegt. Anders als Nabendynamos verfügen E‑Bike-Akkus nicht über Wechselstrom, sondern über nicht genormten, systemabhängigen Gleichstrom. Der Scheinwerfer braucht deshalb einen sogenannten Stromrichter, um mit unterschiedlichen Systemen kompatibel zu sein“, erklärt Sebastian Göttling, Marketingmanager beim Lichtspezialisten Busch & Müller. Hinzu komme, dass der Scheinwerfer ein potenzieller Störfaktor beim Test der elektromagnetischen Verträglichkeit ist, die einen wesentlichen Teil der CE-Konformität von E‑Bikes ausmacht. „Durch unsere speziellen E‑Bike-Scheinwerfer gewährleisten wir, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden“, erklärt Göttling.
Abnehmbare Akku- und Rücklichter dürfen hingegen problemlos ausgetauscht werden, sofern sie über eine K‑Nummer verfügen und somit für den Straßenverkehr zugelassen sind.
Auch keine besonderen Auflagen gibt es beispielsweise bei Speichen, Reflektoren, Fahrradglocken, Pedalen oder Schläuchen (mit identischem Ventil). „Bei Schutzblechen ist zu beachten, dass der Abstand zum Reifen mindestens zehn Millimeter beträgt. Ansonsten könnte sich Dreck zwischen Reifen und Radschützer verfangen“, sagt Sarah Baukmann vom Anbieter SKS Germany.
Für das Anbringen von Kinderanhängern oder Kindersitzen ist hingegen eine Freigabe durch den E‑Bike-Hersteller erforderlich. Dieser muss in der Betriebsanleitung darauf hinweisen, dass Möglichkeiten zum Kindertransport erlaubt sind – unter Berücksichtigung des zulässigen Gesamtgewichtes.
Fahrradtaschen oder Topcases auf dem Gepäckträger sind ohne besondere Genehmigung zulässig, Frontkörbe brauchen hingegen eine Freigabe, da eine ungünstige Lastverteilung sich negativ auf die Fahreigenschaften auswirken kann.
Leitfaden im Internet nachlesen
Die genannten Beispiele sind jedoch nur ein Teil der vielen Komponenten eines E‑Bikes. Damit Radfahrende und Fahrradhändler eine bessere Übersicht über alle Komponentengruppen, deren Austauschmöglichkeiten und die entsprechenden Freigaben bekommen, haben die Fahrradverbände Zweirad-Industrie-Verband (ZIV), Verbund Service und Fahrrad (VSF) und der Bundesinnungsverband Zweiradmechanikerhandwerk gemeinsam mit den Prüfdiensten Velotech.de und Zedler-Institut einen Leitfaden veröffentlicht. Zu tauschende Teile sind in fünf Kategorien eingeteilt, je nachdem, welche Freigabe sie benötigen.
Markenimporteur Messingschlager hat zudem eine übersichtliche Lösung für Endverbraucher:innen geschaffen: Der sogenannte Partfinder hilft, sich im Gewühle der Fahrradteile zurechtzufinden. Alle Teile verfügen über einen Hinweis zu Einsatzgebiet, Bike-Kategorie und maximalem Systemgewicht. Hinzu kommt ein E‑Bike-Hinweis, wenn die Komponenten auch an Elektrorädern genutzt werden dürfen. „Kaufinteressierte sehen somit auf einen Blick, ob das gewünschte Teil zu ihrem Fahrrad oder auch E‑Bike passt“, so Pressesprecher Martin Buchta. Alle Teile sind von Messingschlager geprüft und für den Einsatzzweck zertifiziert.
Eine weitere Lösung bietet der US-Hersteller Cannondale mit der hauseigenen App an: „Durch einen Code am Rad werden in der App die zu tauschenden Teile in 3D direkt in Echtzeit gezeigt. So wissen Händler und Endkunden sofort, welches Teil am Rad als Ersatz verbaut werden darf, anstatt stundenlang im Katalog blättern zu müssen“, erklärt Andreas Krajewski von Cannondale die Vorteile.
Rechtliche Grauzone bleibt bestehen
Während diese Lösungen in die Zukunft blicken, bleibt ein Problem der Vergangenheit bestehen: Kommt ein E‑Bike in die Jahre, kann es sein, dass die benötigten Ersatzteile nicht mehr verfügbar sind. Durch strenge Vorgaben für den Austausch stehen Kunden auf einmal mit einem unfahrbaren Rad da. Um hier nachhaltige und ressourcenschonende Lösungen zu haben, werden viele Reparaturen in einer rechtlichen Grauzone passieren – und Nachfragen bei Herstellern und Versicherern über die Erlaubnis zum alternativen Teileaustausch zunehmen. Eine Einzelabnahme individueller Umbauten durch ein Prüfinstitut, wie es der TÜV bei Autos bekanntlich macht, wird es weiterhin nur für S‑Pedelecs geben.
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