Stevan Paul denkt sich hauptberuflich Rezepte aus. Hier seine Tipps für diese schwierigen Zeiten. Er sagt auch, dass Kochen keine Arbeit ist, sondern eine Form sinnstiftender Erholung.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Stuttgart - Mahlzeiten geben dem Tag Struktur. Derzeit fragen sich viele: Was kochen wir heute? Der Kochbuchautor Stevan Paul hat Tipps für Rezepte und was man daheim haben sollte. Und er weiß, dass Kochen eine gute Ablenkung ist.

 

Herr Paul, haben Sie einen Plan gemacht, was Sie die kommenden Tage und Woche essen werden?

Nicht konkret. Als sich abzeichnete, dass Zuhause bleiben eine gute Idee wäre, bin ich die Trocken-Vorräte in den Küchenschränken durchgegangen, Reis, Bohnen, Linsen und Pasta, auch Knoblauch, Olivenöl Dosentomaten – und habe festgestellt, das reicht für eine Weile. Es sammelt sich ja mit der Zeit doch echt was an, jetzt kann man das mal alles wegkochen!

Was haben Sie dann als erstes gekauft für die Zeit Zuhause?

Ich habe nach dem ersten Schreck erst mal ein riesiges Stück Parmesan gekauft. Mit Parmesan schmeckt einfach alles besser, Reisgerichte, Pasta, Gemüse, selbst eine gute Linsensuppe bekommt noch einen Extra-Geschmack-Kick. Außerdem habe ein bisschen Gemüse eingekauft, Zwiebeln, Eier – und das war’s. Kurze Zeit später gab es ja sowieso Entwarnung durch Angela Merkel selbst: die Lebensmittelversorgung in Deutschland ist gesichert. Niemand muss hamstern.

Ihre Rezepte zeichnen sich dadurch aus, dass sie leicht nachzukochen sind. Wie schafft man es, sich abwechslungsreich und gesund zu ernähren?

Stärkende und sättigende Kombinationen aus pflanzlichen Proteinen und kohlehydratreicher Kost lassen sich besonders gut aus dem Vorratsschrank erkochen. Eier sind auch echtes Powerfood mit reichlich Vitaminen und Mineralstoffen – sie sind zudem lange haltbar! Da wir uns aber im Homeoffice nur wenig bewegen, können wir jetzt vor allem weniger, bewusster und auch leichter essen! Darum sollte man von den Einkaufsexpedition auch immer viel Gemüse und Obst mitbringen, dass sich dann kreativ mit den Trockenvorräten kombinieren lässt!

Ist Kochen in Krisenzeiten eine gute Ablenkung?

Großartig! Das ist echt eine Chance, dass wir im Homeoffice endlich ganz ohne Ablenkung und Zeitdruck erfahren können, dass Kochen keine Arbeit ist, sondern eine Form sinnstiftender Erholung! Schon die Vorbereitungen können eine herrlich meditative Angelegenheit sein, wenn man sie als solche versteht. Noch besser gelingt die Übung mit Lieblingsmusik und einem guten Glas Wein. Und am Ende steht zur Belohnung ein gutes Essen auf dem Tisch – das schafft doch kein Yoga-Kurs!

Verkaufsschlager waren in den vergangenen Wochen vor allem Nudeln, Mehl, Tomaten in Dosen und Hefe. Wie erklären Sie sich das?

Ich denke, diese sogenannten Grundnahrungsmittel waren die erste Idee der Leute, angesichts einer anfangs doch auch echt unklaren Situation. Wobei die Hefe-Hamsterei wirklich Quatsch ist. Ich habe mich darüber mit dem Brotback-Experten Lutz Geissler unterhalten, er sagt, normalerweise kommen 10 g Hefe auf 1 kg Mehl. Mit einem Würfel lassen sich also 4 kg Mehl verbacken, das entspricht 6 bis 8 Kilogramm Brot! Gerade jetzt wo Zeit ist, kann man Teig mit wenig Hefe ansetzten und lange in Ruhe reifen lassen. Das schafft Aroma und Textur, lange Zeit gereifte Teige ergeben zudem ein wesentlich bekömmlicheres Brot.

Was würden Sie mit einer Packung Nudeln machen?

Das wiederum war eine gute erste Idee (lacht). Nudeln sind wirklich extrem wandlungsfähig und ergeben immer ein gutes, sättigendes Essen, das wirklich allen schmeckt. Olivenöl, Knoblauch und Parmesan reichen, oder ein bisschen Pesto, frische Kräuter, eine schnelle Tomatensauce, ein Schwupps Sahne. Nudeln lassen sich mit beinahe allem kombinieren, sie passen auch in Eintöpfe und Suppen, geben Aufläufen Struktur. Die Regale waren übrigens auch zum letzten Wochenende wieder aufgefüllt.

Es geht um Vorratshaltung, nicht um Hamsterei. Was sollte man denn nun wirklich Zuhause haben?

Als Grundstock für eine ständige Küchenbevorratung empfehle ich Salz, Speise- und Olivenöl, Mehl, Grieß, Reis und Nudeln, Linsen und Bohnen, trocken oder Dose, Tomatenkonserven, Kaffee und Kaffeetüten, H-Milch und laktosefreie Milch, Brühe, Brühpulver, Zwiebeln, Knoblauch, Parmesan am Stück, Eier, Gewürze, Butter, Zucker, Nüsse, Kerne, Knabbereien und Schokolade, Limonaden, Säfte, Tee, Bier und Wein.

Es hilft viel, erst einmal die Küchenschränke aufzuräumen. Welche Gewürze sind Ihre wichtigsten?

Gewürze sind eine individuelle Angelegenheit, bei mir besteht der viel gebrauchte Grundstock aus Paprikapulver, Kümmel, Senfsaat, Currypulver und fruchtigem Piment d’Espelette zu Schärfen. Damit kommt man ziemlich weit. Ich gönne mir dazu noch Ras el hanout und Garam Masala als stets vorrätige Gewürzmischungen. Echte Geschmacks-Geheimwaffen sind Sojasauce und Miso-Paste, damit wird alles besser. Ein Spritzer Sojasauce verleiht auch Gerichten aus der Heimat-Küche Tiefe und Komplexität, etwas Suppen, dunklen Saucen und Schmorgerichten. Auch Miso-Paste hebt die Aromatik von Speisen subtil, aber trefflich. Miso bleibt übrigens auch im Tiefkühler stets streichfähig portionierbar und hält ewig!

Und wenn man eine Zutat für ein Rezept nicht Zuhause hat, ist das denn schlimm?

Gar nicht! Kochen ist Kreativität, ist Improvisation. Es geht erst mal nur um ihren eigenen Geschmack. Lassen Sie sich von Rezepten inspirierten, probieren Sie aber auch mutig Sachen aus, experimentieren Sie. Allzu viel kann nicht schiefgehen. Kochen bedeutet die Summe der Möglichkeiten. Kochen ist echte Freiheit.

Hier sind seine Rezepttipps, die als Inspiration gedacht sind. Variieren Sie gerne mit den Zutaten, die Sie zuhause haben.

Paprika-Tomaten-Bulgur · Dill-Joghurt mit Feta · Spiegelei (für 4 Personen)

Luftig lockerer Bulgur, mit Safran, Curry und Paprika kräftig gewürzt und mit Tomaten geschmort, ein paar Backpflaumen geben eine spannende Süße. Dazu gibt es Salzmandeln und salzigen Fetakäse, Dill-Joghurt-Sauce und Spiegelei – ein Festessen des Alltags, inspiriert von der Küche des östlichen Mittelmeeres.

(1) Paprika-Tomaten-Bulgur

ca. 35 Minuten

400 g rote Paprika

200 g Zwiebeln

1 Knoblauchzehe

Salz

4 EL Olivenöl

300 g Tomaten

150 g Bulgur („7-Minuten-Bulgur“),

0,5 EL Paprikapulver edelsüß

1 Döschen gemahlener Safran (0,1 g, optional),

1–2 TL mildes Curry

500 ml Gemüsebrühe

Piment d’Espelette (wahlweise anderes Chili)

8 Backpflaumen

20 g Butter

Paprika achteln und fein würfeln. Zwiebeln und Knoblauch pellen und würfeln. Die Gemüse salzen und in einem Topf im heißen Öl bei mittlerer Hitze 5 Minuten farblos weich dünsten. Nebenbei die Tomaten entstrunken und würfeln. Bulgur unter das Gemüse rühren, mit Paprikapulver, Safran und Curry bestäuben, unterrühren. Die gewürfelten Tomaten mit dem ausgetretenen Saft zum Gemüse geben, mit Brühe auffüllen und aufkochen. Mit Salz und einem Hauch Piment d’Espelette würzen. Die Backpflaumen würfeln und unterrühren. Den Deckel auf den Topf setzen, vom Herd ziehen und das Gericht 10 Minuten ziehen lassen, Butter zugeben und weitere 5 Minuten zugedeckt ziehen lassen.

(2) Dill-Joghurt mit Feta

ca. 8 Minuten

150 g Fetakäse

200 ml Joghurt

4 Zweige Dill

1 Spritzer Zitronensaft

Salz

40 g Feta fein reiben und mit dem Joghurt glatt rühren. Dill zupfen, fein schneiden und unterrühren. Mit Zitronensaft und wenig Salz abschmecken. Übrigen Fetakäse bröseln und beiseitestellen.

(3) Spiegeleier

ca. 8 Minuten

4 EL Öl

4–8 Eier (S oder M)

Salz

Öl in einer großen Pfanne erhitzen, die Eier hineinschlagen und bei mittlerer Hitze in 6–8 Minuten braten. Mit Salz würzen.

Anrichten

4 EL gesalzene Mandeln/Erdnüsse, gemischt,

1 Frühlingszwiebel

einige Blättchen Basilikum

Nüsse unter einem schweren Topf oder mit dem Nudelholzgrob zerdrücken. Frühlingszwiebel in Ringe schneiden, Basilikum zupfen. Bulgur mit Gabeln lockern und mit Spiegelei auf gewärmten Tellern anrichten. Mit etwas Dill-Joghurt und dem übrigen Fetakäse sowie den übrigen Zutaten bestreut servieren.

Dosen-Sardinen · Wildkräutersalat (2 bis 4 Personen)

Verächtlich von Dosenfisch spricht nur, wer noch nie französische Jahrgangssardinen („sardine millesime“) probiert hat. Die handverlesenen Fische reifen über Jahre in schicken Dosen und entwickeln dabei ihr komplexes Aroma. Auch eine Dose gute portugiesische Sardinen ist eine delikate Angelegenheit, ein schnelles Abendessen mit knusprigem Brot, dazu ein Glas kühler, trockener Fino-Sherry – mehr muss es manchmal nicht sein. Dieses schnelle Rezept fügt dem Fisch noch die Würze wilder Kräuter hinzu, eine leichte Vinaigrette mit Weinessig und Zitronen belebt die zarten Sardinen und macht den Dosenfisch endlich salontauglich.

2–4 Dosen portugiesische oder französische Sardinen in Öl

2 Handvoll gemischte Gewürzsalate und Wildkräuter

4 EL Weißweinessig

0,5 TL abgeriebene unbehandelte Zitronenschale

2 EL Zitronensaft

1 TL Dijon-Senf

1 EL Honig

4 EL Olivenöl

Salz

schwarzer Pfeffer aus der Mühle

1 (rote) Schalotte

Die Dosen öffnen und die Fische abgetropft auf Tellern anrichten. Gewürzsalat und Wildkräuter mundgerechtzupfen, kurz waschen und trockenschleudern. Aus Weißweinessig, Zitronenabrieb und -saft, Senf, Honig und Olivenöl eine Vinaigrette anrühren. Mit Salz und Pfeffer würzen. Die Schalotte schälen, einwürfeln und unterrühren. Die Sardinen mit der Vinaigrette beschöpfen, mit den Kräutern toppen und mit Baguette servieren.

Früchtebrot · Blauschimmelkäse · geschmolzene Pflaumen · Honig-Bourbon-Sahne (für 4 Personen, Früchtebrot für 8 Personen)

Das Früchtebrot ist allein für sich schon eine Attraktion. Als Käse-Dessert mit beschwipsten und gepfefferten Pflaumen, cremigem Blauschimmelkäse und einer Honig-Sahne mit Bourbon-Whiskey hat es seinen ganz großen Auftritt!

Tipp: Früchtebrot sollte nach dem Backen ausgekühlt und in Klarsichtfolie geschlagen mindestens 2 Tage ruhen, dann ist es besonders saftig – backen Sie also mit genügend Vorlauf! Ungekühlt hält Früchtebrot, in Klarsichtfolie gewickelt und trocken gelagert, mindestens 4 Wochen.

(1) Früchtebrot

ca. 30 Minuten (und halber Tag für das marinierte Obst, insgesamt 85 Minuten für die Teigreife, 1 Stunde Backzeit)

6–8 Personen

600 g gemischtes Backobst

100 g getrocknete Cranberrys

100 g gehackte Walnusskerne

150 ml Apfelsaft

50 ml brauner Rum

100 g flüssiger Honig,

250 ml Milch

40 g Ingwer

250 g Dinkelmehl (Type 630)

250 g Mehl (Type 405) und Mehl für die Arbeitsfläche

1 TL abgeriebene unbehandelte Orangenschale

2 TL Lebkuchen-Gewürzmischung

0,5 Würfel frische Hefe

50 g brauner Zucker

50 g weiche Butter

1 Ei (M)

1 Prise Salz

Backobst stückig klein schneiden, mit Cranberrys und Walnüssen mischen. Apfelsaft, Rum und Honig dampfend erwärmen und mit dem Backobst mischen. Zugedeckt einen halben Tag ziehen lassen, ab und an umrühren. Für den Teig die Milch leicht erwärmen. Ingwer schälen und fein reiben. Die Mehlsorten in einer Schüssel mit Ingwer, Orangenschale und Lebkuchengewürz mischen, in der Mitte eine Mulde formen. Hefe hineinbröckeln und mit 3 EL von der Milch, 10 g braunem Zucker und Mehl vom Rand zu Vorteig verrühren. Mit einem Küchentuch bedeckt an einem warmen Ort 20 Minuten gehen lassen.

Restliche Milch und restlichen Zucker, Butter, Ei und Salz zugeben. Mit den Knethaken des Handrührgerätes zu einem glatten Teig verarbeiten. Auf einer bemehlten Flache mit den Händen 2 Minuten kräftig kneten. In 1/3 und 2/3 teilen und die Teigteile separat voneinander in Schüsseln, mit Küchentüchern bedeckt, an einem warmen Ort 45 Minuten gehen lassen.

Die größere Menge Teig gründlich mit dem geweichten Backobst und den Walnusskernen verkneten. Die Menge der Einlage ist größer als die Menge des Teiges, das ist richtig, der Teig soll die Einlage nur gerade binden. Die kleinere Teigmenge auf einer bemehlten Arbeitsfläche zu einem Rechteck von 30 x 45 cm ausrollen. Die Backobst-Teig-Mischung zu einem Laib formen und locker in den Teig einschlagen. Die Enden zudrücken und umschlagen, das Brot mit der Nahtstelle nach unten auf ein Blech mit Backpapier setzen. Die Oberfläche des Brotes mit den Zinken einer Gabel mehrfach einstechen. Das Brot nochmals 20 Minuten mit Küchentuch bedeckt ruhen lassen. Den Ofen auf 160 Grad heizen. Das Brot hineinschieben und 1 Stunde backen. Im ausgeschalteten Ofen bei geöffneter Tür langsam erkalten lassen.

(2) Geschmolzene Pflaumen

ca. 10 Minuten (und 30 Minuten zum Marinieren der Früchte)

600 g Pflaumen oder Zwetschgen

2 EL brauner Zucker

2 EL Honig

4 cl Bourbon-Whiskey

2 Anissterne,

1 winzige Prise Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle

Pflaumen halbieren, Kerne entfernen. Die Früchte mit Zucker, Honig und Whiskey marinieren und 30 Minuten ziehen lassen, dabei zweimal umrühren. Die marinierten Früchte mit den Anissternen in einen Topf geben, aufkochen und offen 5 Minuten weich schmoren. Mit Salz und einem Hauch Pfeffer abschmecken.

(3) Honig-Bourbon-Sahne

ca. 10 Minuten

8 cl Bourbon Whiskey

4 EL Honig

150 ml Sahne,

50 g Schmand

Whiskey mit Honig aufkochen und rasch erkaltenlassen. Sahne mit dem Handrührgerät dicklich cremig schlagen. Schmand mit dem kalten Honig-Whiskey glatt rühren, die Sahne unterrühren. Kaltstellen.

Anrichten

60–120 g Blauschimmelkäse pro Person

Je 1 Scheibe Früchtebrot halbieren und mit Blauschimmelkäse und lauwarmen Pflaumen anrichten, mit der Sahne toppen.