Bis vor einem Jahr haben Langzeitarbeitslose Stuttgarter Privathaushalte beim Stromsparen beraten. Dann fehlte das Personal, der Dienst wurde eingestellt. Doch Stadt und Jobcenter beraten über eine Neuauflage.

Steigende Energiepreise sind derzeit in aller Munde und spätestens bei der Jahresabrechnung für Menschen in prekärer Situation ein großes Problem. Während Gutsituierte auf allerlei Subventionen für energiesparende Alternativen bauen können, haben Haushalte mit niederen Einkommen weitaus weniger Möglichkeiten, ihren Energieverbrauch einzuschränken. Der Caritasverband hat ihnen bisher mit einem kostenlosen Stromspar-Check unter die Arme gegriffen. Doch ausgerechnet jetzt, da in Anbetracht des Kriegs in der Ukraine und der erpresserischen Drohungen aus Russland das Energiesparen ein Muss ist, gibt es das Angebot nicht mehr.

 

Angebot eingestellt

Andrea Bartsch, die Bereichsleiterin Arbeit des Caritasverbands für Stuttgart, bedauert: „Der Stromspar-Check wurde komplett von Menschen in sogenannten Arbeitsgelegenheiten getragen. Während Corona konnten und durften wir keine Hausbesuche durchführen und mussten den Dienst damals einstellen. Nach Corona hatten wir keine Beschäftigten mehr.“ Von 15 AGH-Plätzen seien damals maximal ein bis zwei belegt gewesen, während die Kosten für die Organisation, die Mieträume und Ähnliches weitergelaufen seien. „Wir mussten uns 2021 deshalb davon verabschieden“, so Andrea Bartsch.

Das Angebot ist still und leise eingestellt worden. Selbst das Energieberatungszentrum Stuttgart war ob unserer Anfrage überrascht. „Wir haben die Leute, die als Stromspar-Checker in den Haushalten von Leistungsempfängern im Einsatz waren, geschult. Dass es sie nun gar nicht mehr gibt, erfahre ich erst jetzt“, sagt Geschäftsführer Ulrich König. Das mag an der Flut von Anfragen liegen, die dort zurzeit eingehen: „Die Nachfrage nach Informationen darüber, wie man vom Gas wegkommt, wie man auf Wärmepumpen und Photovoltaik umstellt, ist zurzeit riesig; wir haben leider nicht die Kapazität, um den ganzen individuellen Informationsbedarf zu decken, und müssen mit Multiplikatoren und Infos auf unserer Homepage arbeiten.“

Hilfreiche Mitbringsel

Das große Rad beim Energiesparen können Bedürftige nicht drehen, aber sie können zumindest ihre Belastung verkleinern. Der Stromspar-Check hat sich an mehr als 150 Standorten in der Republik als ein kostenfreies Angebot für Bezieher von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Wohngeld etabliert und finanziert sich über die Klimaschutzinitiative des Bundes. In Stuttgart sind Mittel geflossen über die Maßnahme „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ und den jährlichen Zuschuss in Höhe von 40 000 Euro vom Amt für Umweltschutz.

Die Gegenleistung: Die Stromsparhelfer und -helferinnen messen in den betreffenden Haushalten die Verbrauchswerte von Waschmaschinen, Elektroherden, Kühlschränken, Lampen, Computern, Warmwasserbereitern oder Fernsehgeräten. Danach geben sie Tipps, wie sich der Verbrauch mit einfachen Mitteln senken lässt. Bei ihrem zweiten Besuch bauen die Stromspar-Checker kostenlos unter anderem LEDs, Wasserstrahlregler, Wassersparduschköpfe, WC-Stoppgewichte oder schaltbare Steckdosenleisten ein. Am Ende sollen die Haushalte dadurch rund 15 Prozent der Stromkosten einsparen und dementsprechend weniger CO2 verbrauchen.

Nach Angaben der Caritas haben zwischen 2009 und 2019 bundesweit rund 350 000 Haushalte mit geringem Einkommen am Stromspar-Check teilgenommen und dabei ihre Energiekosten um durchschnittlich 172 Euro pro Jahr reduziert. Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten die Haushalte einen Wertgutschein für einen neuen Kühlschrank, der nicht auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet wird. „Allerdings fehlte bei einigen einkommensschwachen Haushalten nach erfolgtem Stromspar-Check die wirtschaftliche Möglichkeit, ineffiziente Altgeräte durch neue, energiesparende Geräte auszutauschen“, teilt die Pressestelle der Stadt Stuttgart mit.

Erlebt das Programm eine Neuauflage?

Ohne Förderung der Mitarbeiter durch das Jobcenter sei der Dienst nicht finanzierbar, heißt es bei Caritas Deutschland, die Finanzierung des Wirtschaftsministeriums sei nicht auskömmlich. Der Regionalkoordinator Christian Müller hat „Anfragen von Kommunen von überallher bis unters Dach, aber landauf, landab sind die Stellen nur schwer zu besetzen“, bestätigt er. Spenden, Sponsoren oder Stromspar-Checker im Ehrenamt – er hält jedes Modell für denkbar. „Wir haben die Struktur, ihr müsst nur die Stellen finanzieren.“

Es scheint, als könnte das Projekt in Stuttgart doch noch wiederbelebt werden. „Das Jobcenter hat intern bereits Überlegungen bezüglich einer Neuauflage angestellt. Im Herbst soll besprochen werden, ob es zu einer Neuauflage kommt. Die bisherigen Förderinstrumente könnten auch bei einer Wiederaufnahme des Stromspar-Checks grundsätzlich eingesetzt werden. Sollte es Finanzierungslücken geben, müssten weitere Zuschussmöglichkeiten geprüft werden“, heißt es in der Antwort der Stadt auf die Anfrage unserer Zeitung.

Nicht nur für Bedürftige, sondern für alle Stuttgarterinnen und Stuttgarter fördert das Amt für Umweltschutz den Gerätetausch alter Haushaltsgeräte wie Kühlschrank, Wasch- und Spülmaschinen mit einem Zuschuss bis zu 150 Euro pro Gerät.