Qianhong Gotsch spielt seit 2003 für die SV Böblingen und ist noch immer die beste Spielerin in der Tischtennis- Bundesliga. Ein Karriereende ist vor dem Heimspiel-Saisonauftakt am Sonntag auch mit 51 Jahren nicht in Sicht.

Böblingen - Sie ist eine, die immer lacht. Selbst wenn sie an der Platte steht wie an diesem Dienstagvormittag, an dem sie sich ein Duell mit der neuen Teamkollegin Mitsuki Yoshida liefert, die das Bundesliga-Team der SV Böblingenverstärken soll. Wenn Qianhong Gotsch Tischtennis spielt, dann hat sie einfach nur Spaß. Sie strahlt eine Gelassenheit aus, weil sie anders als die jungen Spielerinnen ohne Druck spielt und es einfach immer noch unfassbar gut läuft für sie.

 

Drei bis vier Einheiten die Woche reichen der 51-Jährigen aus, um sich auf einem national konstant guten Niveau zu halten und Jahr für Jahr in der Bundesliga die beste Bilanz aller Spielerinnen abzuliefern. Andere müssen zweimal täglich ran, sonst geht gar nichts. Aber Gotsch ist eben eine Ausnahme-Athletin. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie immer mit Männern trainiert hat. Es sind Dritt- und Zweitligaspieler aus der Umgebung, mit denen sie sich trifft.

Unangenehme Spielweise

Noch immer haben die jungen Spielerinnen den Code nicht geknackt, noch immer kann Gotsch ihre Gegnerinnen verwirren mit ihren Schnittwechseln – oder wenn sie spontan vom Abwehrmodus in die Angriffsposition umschaltet. Ihre Spielweise zählt zu den unangenehmsten, die man sich vorstellen kann, weil sie viele Angriffe einstreut. Dann kann sie den Ball quasi aus dem Nichts beschleunigen, und er landet dann auch da, wo sie ihn hinhaben will.

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Sicher, ihre Beine sind nicht mehr die schnellsten, aber nach wie vor antizipiert kaum eine besser, wohin die Bälle fliegen. „Ich bin eben immer noch unberechenbar, und die Jungen sind da manchmal einfach überfordert“, sagt Gotsch. Sie meint das nicht überheblich. Es ist ein Fakt. Funktioniert Plan A an der Platte nicht, setzt sie eben Plan B ein. Erfahrung kann man einfach nicht lernen. Mit 51 Jahren ist sie längst in einem für eine Aktive fast schon biblischen Alter angekommen – Annett Kaufmann, mit 13 Jahren die jüngste im SVB-Ensemble, könnte locker ihre Tochter sein.

Prägende Figur in Deutschland

Der Ball, die Regeln und das System haben sich im Lauf der Jahre verändert im Tischtennis – aber die Frau mit dem Pferdeschwanz ist immer noch da. „Ich habe mich immer irgendwie angepasst und das Beste daraus gemacht“, sagt die zweifache Mutter. Sie kann es sich selbst nicht so richtig erklären, dass sie immer noch eine prägende Figur in ihrem geliebten Sport in Deutschland ist.

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Im Jahr 2000 ist die gebürtige Chinesin im deutschen Nationaltrikot in Bremen vor 5000 Zuschauern Tischtennis-Europameisterin geworden, da waren viele ihrer heutigen Gegnerinnen noch nicht mal auf der Welt. Sie war sogar so gut, dass sie 2004 alle Möglichkeiten besaß, Gold bei den Olympischen Sommerspielen in Athen zu gewinnen, aber sie beendete ihre internationale Karriere nach den Spielen in Sydney 2000 im Alter von 32 Jahren. Sie wurde bald Mutter. Erst kam Timo, zwei Jahre später Hannah.

„Hongi“ fühlt sich nicht unvollendet

Gotsch hätte Chancen gehabt, eine Medaille, wenn nicht sogar Gold in Athen zu gewinnen. Dennoch fühlt sich „Hongi“, wie sie von ihren Teamkolleginnen gerufen wird, nicht als Unvollendete. Für sie gab es damals Wichtigeres im Leben, als mit einem kleinen Schläger kleine Bälle zu schmettern – den Kinderwunsch eben.

Neben dem Sport ist die Politik inzwischen ihre zweite Leidenschaft. Kürzlich wurde sie für die CDU zum zweiten Mal in den Gemeinderat ihres Wohnortes Gärtringen gewählt. „Ich habe meine Stimmenzahl sogar verdoppelt“, sagt sie stolz. Fast 3000 hat sie bekommen und kümmert sich weiter um Themen wie Kindergarten und Schule. Zudem sitzt sie im Verwaltungsausschuss. „Ich bin seit 28 Jahren in Deutschland, fühle mich sehr wohl und wollte was zurückgeben“, begründet sie ihr Engagement.

Sonntag gegen TSV Langstadt

Parallel dazu steht jetzt das Unternehmen Klassenerhalt an. Das erste Spiel in der Liga ging gegen den SV DJK Kolbermoor mit 2:6 verloren. Gotsch gewann beide Einzel. An diesem Sonntag (10.30 Uhr) kommt der TSV Langstadt zur Saisonheimpremiere nach Böblingen. Da soll es für das ganze Team besser laufen. Ein Karriereende ist nicht in Sicht. Doch vielleicht kann auch alles mal ganz schnell vorbei sein. „Deshalb freue ich mich über jedes Spiel und natürlich auch über jeden Sieg“, sagt Qianhong Gotsch und schiebt ein Lachen hinterher.