Stuttgart will die Adelung der Le-Corbusier-Häuser nutzen, um noch mehr Gäste und Übernachtungen zu bekommen. Erfahrungen andernorts zeigen, dass die Aufnahme in die Welterbe-Liste der Unesco positive Auswirkungen hat.

Stuttgart - Die Verantwortlichen für die touristische Vermarktung von Stadt und Region Stuttgart reiben sich schon die Hände. Steigende Übernachtungszahlen belegen seit Jahren einen anhaltenden Aufwärtstrend – und die Anerkennung der Stuttgarter Le-Corbusier-Häuser als Welterbe der Menschheit durch die Unesco dürfte eine Festigung, wenn nicht sogar Stärkung des Aufwärtstrends nach sich ziehen.

 

„Der neue Titel wird Stuttgarts Ruf weiter stärken und noch mehr Touristen anziehen“, sagt Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart, der eines der Gebäude gehört. Es ist das Doppelhaus Rathenaustraße 1-3, in dem das Weissenhofmuseum untergebracht ist, das in knapp zehn Jahren Bestehen schon insgesamt rund 250 000 Besucher anzog. Die Stadt hatte es 2002 für 620 000 Euro gekauft und für die Museumsgestaltung weitere 530 000 Euro ausgegeben. Die ähnlich teure Instandsetzung hatte die Wüstenrot-Stiftung übernommen. Betreut wird das Museum vom Verein Freunde der Weissenhofsiedlung. Das zweite Le-Corbusier-Haus in Stuttgart, das zusammen mit 15 anderen Le-Corbusier-Häusern auf drei Kontinenten nun zum Welterbe erklärt wurde, hat die Adresse Bruckmannweg 2. Es gehört wie fast die komplette Weissenhofsiedlung dem Bund und ist vermietet.

Um Häuser herum könnten Reiserouten entworfen werden

„Man wird nicht sagen können, dass wegen des Titels ein großer Besucherstrom einsetzen und nie mehr abreißen wird“, meint Andrea Gehrlach, Prokuristin bei der Stuttgart-Marketing GmbH, die für Stuttgarts Stadtwerbung zuständig ist. „Die Entscheidung eröffnet uns aber tolle Möglichkeiten bei unseren Marketingaktivitäten“, sagt Gehrlach aber auch. Um die Welterbe-Häuser in der Stuttgarter Weissenhofsiedlung herum könne man „schöne Reiserouten“ für interessierte Gäste in Stuttgart und der Region aufbauen. In dem Zusammenhang könne Stuttgart als Zugpferd eingesetzt werden, um auch zu anderen Attraktionen in der Region oder im Land zusätzliche Besucher zu bringen, beispielsweise zu den vier anderen Welterbestätten, die es schon länger gibt: Limes, Kloster Maulbronn, Klosterinsel Reichenau sowie die prähistorischen Pfahlbauten in Uhldingen am Bodensee.

Mehr Ausstrahlung als Stadt der Architektur?

Das Prädikat Welterbe für die Stuttgarter Le-Corbusier-Häuser (und für weitere Häuser vom Reißbrett des französischen Architekten in Frankreich, Argentinien, Belgien, Japan, der Schweiz und Indien) biete die große Gelegenheit, Stuttgarts Profil als Stadt der Architektur „noch einmal zu schärfen“, meint Gehrlach. Die Basis sei vorhanden, weil Stuttgart schon lang für besondere Architektur, gerade auch fortschrittliche Architektur, stehe.

Wer sich durch den neuen Titel zu den beiden Häusern locken lässt, wird nicht nur an anderen Stellen im Land, sondern auch im direkten Umfeld noch reicher fündig. Denn die Le-Corbusier-Häuser und die Werkbundsiedlung, die von 1927 an für die Ausstellung „Die Wohnung“ errichtet wurde, sind untrennbar miteinander verbunden – und allesamt werden sie gern als Ikonen der modernen Architektur bezeichnet. 21 in kurzer Zeit erbaute Häuser, die den bald regierenden Nationalsozialsten ein Dorn im Auge waren und von Ignoranten in Stuttgart als „Araberdorf“ verunglimpft wurden, die nur knapp dem Abriss entgingen.

Stuttgart als Vereinsmitglied gefragt

Ein herzliches Willkommen im Club der deutschen Welterbestätten ist Stuttgart übrigens sicher. Genauer gesagt: im Verein Unesco-Welterbestätten Deutschland, dessen Geschäftsstelle in Quedlinburg in Sachsen-Anhalt sitzt. Die ehrenamtliche Vorsitzende Claudia Schwarz sagt: „Bisher sind wir 40, weil es auch 40 Welterbestätten in Deutschland gab. Ich hoffe, dass wir mit Stuttgart bald 41 Mitglieder haben werden.“

Der Verein ist in erster Linie eine touristische Marketingorganisation und ein Netzwerk, um zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Welterbestätten zu ziehen. Wer das Prädikat bekommt, genieße automatisch „wesentlich höhere Aufmerksamkeit und ein stärkeres Medieninteresse“. Aus Erfahrung wisse man zudem, dass es noch sehr viele andere Nebeneffekte gebe. Der Stolz auf die ausgezeichneten Denkmale greife um sich. Die Verantwortlichen würden sich „viel intensiver damit befassen“. Für weniger bekannte Städte und Regionen wie das Obere Mittelrheintal sei die Anerkennung als Welterbe ein Segen gewesen, sagt Claudia Schwarz. Stuttgart sei natürlich schon vorher bekannt und attraktiv gewesen, hier sei „der Unesco-Welterbetitel aber das Sahnehäubchen oben drauf“.

Tourismuswerbung kann nachlegen

Der Verein bemüht sich selbst nach Kräften, mit regionalen Routenvorschlägen Besucher beispielsweise zu den Unesco-Favoriten zwischen der Nordsee und der Ostseeküste an der deutsch-polnischen Grenze, oder zwischen dem bayerischen Pfaffenwinkel und dem Bodenseestrand zu ziehen. Die Welterbestätten ziehen aber auch Nutzen aus Aktionen wie jener, die die Deutsche Zentrale für Tourismus 2014 entfaltete. Sie warb mit diesen Aushängeschildern weltweit dafür, dass ausländische Touristen nach Deutschland reisen. „Davon profitieren wir heute noch“, sagt Claudia Schwarz.

Auch Stuttgarts Tourismuswerber werden sich die Zusatzchancen beim Marketing via Verein nicht entgehen lassen. Man habe noch nichts in Richtung Beitritt unternommen, sagt Andrea Gehrlach, „aber wir werden da mitziehen“. Nur müsse man sich noch abstimmen, ob Stuttgart-Marketing beitrete oder die Stadt Stuttgart.