Im Tobi’s serviert Tobias Meyer seit 17 Jahren deutsche Lieblingsspeisen. Aus dem Restaurant in der Innenstadt sollte eine Franchise-Kette werden. Aber während der Corona-Pandemie hat der Gastronom seine Aktivitäten nach Degerloch verlagert – aus gutem Grund.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Sein neues Restaurant hält Tobias Meyer für „eines der interessantesten Projekte des Jahres“. Der Gastronom hat in Degerloch den Kiosk Waldauerle und das Restaurant „Die Waldauerin“ eröffnet. Er sieht die Zukunft der Gastronomie in den Stadtteilen und die Innenstadt als „eine große Gefahr für uns Unternehmer“.

 

Herr Meyer, haben Sie keine Lust mehr auf die Innenstadt?

Die Innenstädte sind eine große Gefahr für uns Unternehmer. Die Frequenz dort ist extrem rückläufig, weil die Menschen nach wie vor im Homeoffice arbeiten, und gleichzeitig sind die Mieten extrem hoch und steigen weiter. Innenstädte sind einfach zu teuer und zu unattraktiv. In der Politik wird viel geredet, aber wenig gemacht. In der Situation muss man selbst die Entscheidung treffen. Deshalb gehen wir dorthin, wo die Menschen zu Hause sind, wo sie Sport treiben und ihre Familien und Freunde sind – auf der Waldau zum Beispiel.

Was gefällt Ihnen denn nicht an der Innenstadt – neben den Mieten und der Frequenz?

Wir zahlen die Zeche dafür, dass die Innenstädte kaputt gemacht wurden und werden. Ein Grund sind die Krawalle, die wir in Stuttgart hatten, und die nächtlichen Übergriffe und Angriffe, ein anderer sind die vielen Demonstrationen. Schlimm ist die Uniformität der Innenstädte, eine Folge der hohen Mieten. Dann kam die Pandemie noch oben drauf. Doch schon vorher gingen die Umsätze in der Gastronomie zurück. Jetzt explodieren noch die Kosten. Wie soll das funktionieren?

Haben Sie bereits Konsequenzen für Ihre Innenstadt-Locations gezogen?

Ja, unseren Tobi’s Snack im Einkaufszentrum Milaneo haben wir geschlossen. Vor der Pandemie war der Plan, drei weitere Snacks zu eröffnen, den Plan haben wir auf Eis gelegt. Unsere zwei in der Innenstadt verbleibenden Lokale beobachten wir scharf. Ich bin ein Unternehmer, ich darf nicht in die Verlustzone kommen. Aber Tobi’s ist eine Institution, wir sind seit 17 Jahren in der Innenstadt, das Restaurant stelle ich eigentlich nicht in Frage.

Vielleicht liegt es am Konzept und die Kundschaft will keine „deutschen Lieblingsspeisen“ mehr, sondern vegane Bowls?

Wir müssen das Konzept durchleuchten. Die deutsche Küche ist in der Tat schwer. Pokebowls und dergleichen nehmen uns sicher etwas. Das Thema leichte Küche werden wir in Angriff nehmen, um dem Zeitgeist zu zollen. Es wird aber nicht den großen Schlag tun und plötzlich 30 Prozent mehr Gäste bringen. Bei Currywurst und Pommes gibt es übrigens null Prozent Rückgang, nach den Lockdowns hat meine Currywurst sogar wieder angezogen. Wir haben außerdem einen extrem hohen Stammgästeanteil, und die Stammgäste sagen, dass bitte alles bleiben soll, wie es ist.

Wird im Winter für die Gastronomie auch in diesem Jahr wieder alles noch schlimmer?

Corona wird das kleinste Problem sein. Wegen einer Maskenpflicht käme kein Gast weniger. Wir kämpfen allerdings schon jetzt mit extremen Krankenständen beim Personal. Aber wir werden einen Arbeitgeberarbeitsmarkt bekommen. Man wird also bald wieder genügend Mitarbeiter finden. Denn in der Gastronomie wird es viele Schließungen geben. Das ist unausweichlich, weil zu den Nachwirkungen der Pandemie nun Kostensteigerungen und hohe Zinsen kommen. Die Weltwirtschaftskrise wird viele dahinraffen. Die meisten Menschen wollen diese Entwicklung nicht wahr haben, weil es uns noch gut geht. Aber den Kopf in den Sand zu stecken, bringt nichts.

Wie wappnen Sie sich für die Krise?

Wir schauen auf die Details, versuchen, die Strukturen zu optimieren, passen beispielsweise die Öffnungszeiten an, straffen die Arbeitsabläufe, gestalten die Speisekarte flexibler je nach Einkaufspreisen.

Und Sie ziehen nach Degerloch.

Genau. Vor Corona war für uns Gastronomen die Mittagszeit die Cashcow, die wird nicht wieder kommen. Jetzt muss man sich auf abends und die Wochenenden konzentrieren. Und die Menschen gehen in ihren Stadtteilen weg, weil sie sich dort auskennen und wohl fühlen. Ich bin dafür belohnt worden, dass ich mitten in der Pandemie in Degerloch zwei Lokale eröffnet habe. Wir wurden in beiden Fällen überrannt. Erst im Waldauerle, das nur eine große Außenterrasse hat, der Erfolg hat sich trotz leisem Start dann auf „Die Waldauerin“ übertragen. In dem Restaurant können Sie in ein Urlaubsgefühl eintauchen, als wären Sie in den Alpen. Wenn ich nicht meine beiden Waldauer hätte, wäre ich vielleicht schon in tiefe Depressionen verfallen.

Ein Herzensprojekt

Gastronom
Tobias Meyer (49) hat vor 17 Jahren mit seiner Frau Julia die Idee gehabt, regionale und deutsche Lieblingsgerichte in einem zeitgemäßen, modernen Gastronomiekonzept anzubieten. Serviert werden bei Tobi’s Maultaschen und Linsen aus Württemberg ebenso wie Leberkäse und Kässpätzle aus Bayern sowie Curry-Wurst. Das Restaurant befindet sich in der Bolzstraße 7, ein Snack in den Königsbau-Passagen.

Eröffnungen
Auf der Waldau haben Tobias und Julia Meyer den Kiosk Waldauerle eröffnet, wo es vor allem Dinnete gibt. Seit Ende Juli 2022 sind sie auch mit „Die Waldauerin“ am Start: Die ehemalige Vereinsgaststätte ist jetzt die „Tus Alm“. Tobias Meyer bezeichnet das Restaurant als „Herzensprojekt“ von sich und seiner Frau. In ihrem Familienunternehmen sind 60 Mitarbeiter beschäftigt.