Berlin - Ihr Urlaub, der in einem Alptraum enden wird, beginnt in traumhafter Kulisse. Das Fünf-Sterne-Hotel Melia Internacional liegt auf der kubanischen Landzunge Varadero, die in die tiefblaue Karibik hineinragt. Die Bundestagsabgeordnete Karin Strenz und ihr Mann haben sich den besonders edlen Service im Bereich „The Level“ gegönnt, wie ein Mitglied der Reisegruppe aus Deutschland unserer Zeitung berichtet hat. Wie ein Hotelgast der „Bild“-Zeitung erzählt hat, soll die Parlamentarierin die ersten Tage auch durchaus genossen – und an der Bar gefeiert haben: „Sie präsentierte anderen Hotelgästen Fotos von sich und ihrer Freundin Angela und strich ihre politische Bedeutung für unser Land heraus.“ Gemeint ist Bundeskanzlerin Merkel, die wie Strenz im Bundestag der nur sechsköpfigen CDU-Landesgruppe aus Mecklenburg-Vorpommern angehört.
Aus bisher unbekannten Gründen muss sich der Gesundheitszustand der 53-jährigen Parlamentarierin in den darauffolgenden Tagen massiv verschlechtert haben. Eine Augenzeugin, die sich bei unserer Zeitung gemeldet hat, berichtet, dass Strenz‘ Mann für den Weg zum Flieger nach Frankfurt am Abend des 20. März einen Rollstuhl organisieren musste. Die schlechte Verfassung seiner Frau fiel demnach nicht nur den Mitreisenden auf, sondern auch einem der sogenannten Sky Marshalls, die für die Sicherheit an Bord zuständig sind. Er soll die elfköpfige Crew des Condor-Fluges DE-2199 informiert haben, sie müssten wegen der Passagierin möglicherweise mit Problemen rechnen.
In schlechtem Zustand schon vor dem Start
Was vor dem Abheben vom Juan Gualberto Gómez International Airport in Varadero genau geschehen ist – darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Dem Mitreisenden zufolge, der mit der „Bild“ gesprochen hat, ist Strenz das Risiko der Reise in vollem Bewusstsein eingegangen. Im Abflugterminal auf ihren Zustand angesprochen, habe sie sogar geantwortet: „Wenn ich auf dem Rückflug sterbe, dann ist das eben so.“ Die andere Augenzeugin berichtet dagegen von Gesprächen unter den 172 Passagieren, dass die Abgeordnete den Flug überhaupt nicht habe antreten wollen – es sei darüber zu einem lauten Streit mit ihrem Mann gekommen, der sie schließlich doch überzeugt habe.
Nach der Rückkehr erwarten die Christdemokratin zu diesem Zeitpunkt weitere Ermittlungen in der Aserbaidschan-Affäre. Erst am 4. März hat das Bundeskriminalamt nach Beweisen dafür gesucht, dass sie als Mitglied des Europarats und Wahlbeobachterin in Aserbaidschan gegen Bezahlung gemeinsame Sache mit dem Regime in Baku gemacht habe. Geld ist tatsächlich geflossen – von einer Firma des ehemaligen CSU-Abgeordneten Eduard Lintner. Während sie stets bestritten hat, dass es für Wohlverhalten im Sinne Aserbaidschans gedacht gewesen sei, gab sie die Nebeneinkünfte gegenüber der Bundestagsverwaltung zu spät an und musste das höchstmögliche Ordnungsgeld zahlen. Mit der jüngsten Razzia und den anderen Bereicherungsfällen in der Unionsfraktion rückte auch Karin Strenz wieder in den Fokus . Viele Kollegen sollen sie geschnitten haben aus Verärgerung, da sie nicht längst ihr Mandat niedergelegt hatte. Sie sei an all dem „zerbrochen“, heißt es in der Fraktion.
An Bord der Boeing 767 sitzen Karin Strenz und ihr Mann auf dem Rückflug nach Deutschland in der siebten Reihe. Die Maschine ist noch eine gute Flugstunde von der irischen Küste entfernt. Die Augenzeugin ist ebenfalls im vorderen Teil der Maschine anwesend. Die ihr bis dato unbekannte Bundestagsabgeordnete verlangt demnach Sauerstoff, als ihr Mann gerade nicht am Platz ist. Eine Stewardess geht ins Cockpit und informiert kurz darauf das Ehepaar, dass sie über Lautsprecher nach Medizinern unter den Passagieren fragen wird. Laut der Augenzeugin, die sich unserer Zeitung anvertraut hat, hält Karin Strenz‘ Ehemann medizinische Hilfe im ersten Augenblick nicht für nötig.
Die Crew sieht das anders – auf ihre Durchsage hin melden sich ein Arzt, zwei Krankenschwestern und ein Medizinstudent. Sie betreuen fortan als Team die inzwischen ohnmächtige Parlamentarierin, legen sie im Bereich des Flugpersonals auf den Boden. Sie schaffen es, dass ihre Patientin bei der mittlerweile eingeleiteten Zwischenlandung in Irland noch lebt. Das Bewusstsein erlangt Karin Strenz aber nicht mehr wieder. Sie stirbt kurz darauf in der Uniklinik von Limerick.
Die Ermittlungsbehörden sagen bisher nicht viel
Von offizieller Seite sind bisher nur sehr wenige Informationen bestätigt. „Wir können bestätigen, dass der Flug DE2199 auf dem Weg von Varadero (Kuba) nach Frankfurt (Deutschland) am 21. März 2021 aufgrund eines medizinischen Notfalls in Shannon (Irland) außerplanmäßig gelandet ist“, teilt die Fluggesellschaft Condor mit: „Die betroffene Person wurde dort den Gesundheitsbehörden übergeben.“ Die irische Polizei hat eine Obduktion angeordnet, über das Ergebnis ist nichts bekannt, bei Anfragen wird auf die deutschen Behörden verwiesen.
Die Staatsanwaltschaft Schwerin, die als Voraussetzung für internationale Rechtshilfe ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet hat, ist noch nicht mit Informationen aus Dublin versorgt worden. Sie rechnet erst im Laufe des April damit. Den Angaben zufolge stellt sie bisher auch keine eigenen Nachforschungen auf deutschem Boden an. Wegen ihres Todes wurden die Münchner Ermittlungen gegen Karin Strenz wegen Bestechlichkeit eingestellt. „Über ihrem politischen Wirken lag ein Schatten“, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) kürzlich im Plenum des Parlaments über sie: „Von uns gegangen ist ein Mensch“.