Tod einer Frau in Rudersberg Gutachter geht von depressiver Entgleisung aus

Der psychiatrische Sachverständige wertet die Bluttat vor Gericht als einen versuchten erweiterten Suizid. Ein 53-Jähriger soll im März in Rudersberg seine Lebenspartnerin erstochen haben.
Stuttgart/Rudersberg - Peter Winckler ist nicht leicht zu beeindrucken. Seit mehr als 30 Jahren ist der forensische Psychiater im Auftrag der Justiz tätig. Doch dieser Prozess am Stuttgarter Landgericht ist auch für den erfahrenen Gutachter kein Routinefall. „Wenn ich eine Hitliste der ungewöhnlichen Tötungsdelikte führen würde, bekäme dieses einen Spitzenplatz“, sagt der Facharzt.
In den frühen Morgenstunden des 4. März soll ein heute 53-jähriger Mann in dem Schlafzimmer des gemeinsamen Wohnhauses in einem Rudersberger Teilort mit einem Klappmesser seine drei Jahre ältere Lebenspartnerin erstochen und danach den Versuch unternommen haben, sich auf gleiche Weise selbst das Leben zu nehmen. Niemand im Umfeld des Angeklagten scheint für die Tat eine Erklärung zu haben, das ist während des Prozesses vor der Ersten Strafkammer deutlich geworden, niemand hat sie auch nur ansatzweise kommen sehen.
Nicht die kleinste Auffälligkeit entdeckt
In dem Leben oder Verhalten des Angeklagten finde sich nicht die kleinste Auffälligkeit, konstatiert Peter Winckler vor Gericht. Der Mann habe geradezu „ungewöhnlich sozialunauffällig“ gelebt, offenkundig eine liebevolle, fürsorgliche Partnerschaft mit seiner Lebensgefährtin gepflegt, er sei beruflich und vereinsmäßig engagiert und gut integriert gewesen. Das hätten alle Zeugen vor Gericht bestätigt. Es habe allem Anschein nach keine Kränkungen, keine Zerwürfnisse, keine finanziellen Sorgen, keine Eifersüchteleien, keinen Seitensprung gegeben – kurz: „Es gab auch nicht das kleinste klassische Tatmotiv“, sagt Winckler. Natürlich habe er sich im Verlauf des Prozesses immer wieder gefragt, ob es nicht doch ein dunkles Geheimnis gebe, das der Angeklagte verberge: „Bitte korrigieren Sie mich“, sagte er an den Vorsitzenden Richter gewandt, „aber ich habe keines gefunden.“
„Pillepalle“ wird zu unlösbarem Problem
Der Gutachter geht deshalb davon aus, dass die Tat als eine sogenannte Mitnahmetötung, als ein versuchter erweiterter Suizid zu werten ist. Zuvor habe eine, wenn auch atypische, aber heftige depressive Entgleisung bei dem 53-Jährigen das Gefühl erzeugt, dass ihm der Boden unter den Füßen weggezogen worden sei. In ungewöhnlich hoher Dynamik und ohne erkennbare Anzeichen hätten für ihn Dinge, die Außenstehende objektiv als „Pillepalle“ angesehen hätten, ein riesenhaftes, nicht mehr bewältigbares Ausmaß angenommen: vor dem Haus abgeladene Steine, die er wegen eines Infekts nicht gleich zu einer Mauer verarbeiten, oder Baumschnitt-Aufträge, die er aus gleichen Gründen nicht wie versprochen hatte erledigen können. Diese kurzzeitige und bisher wohl auch einmalige krankhafte seelische Störung habe ihn aller Voraussicht nach in den Selbstmordversuch getrieben. Der sei nicht vorgetäuscht, um etwa einen heimtückischen Mord zu kaschieren. Winckler: „Die Selbsttötungsabsicht war hundertprozentig ernsthaft.“
Unsere Empfehlung für Sie

Doppelmord in Allmersbach Die Noch-Ehefrau hat Angst vor dem Angeklagten
Wichtige Zeugenaussage im Doppelmordprozess: Die vom Angeklagten getrennt lebende Gattin wäre wohl fast selbst zum Opfer des Mannes geworden, nachdem dieser seine Exfreundin und deren Kind getötet hatte.

Coronastatistik im Rems-Murr-Kreis Weniger Neuinfektionen – aber viele Tote
Im Rems-Murr-Kreis sinkt zwar die Sieben-Tage-Inzidenz am Wochenende unter 90. Allerdings bleibt die Zahl der an oder mit Covid-19-Verstorbenen hoch – ein statistischer Überblick.

Doppelmord in Allmersbach Die Getötete hatte Angst um die Tochter
Im Prozess um einen Doppelmord in Allmersbach hat die erste Zeugin aus dem Umfeld des Opfers ausgesagt. Sie beschreibt den Angeklagten als eigen und sehr ich-bezogen.

Verbot für Trainingszelt in Weinstadt Mit dem Kopf durch die Zeltwand
Ein Weinstädter Fitnesstrainer weigert sich, sein Trainingszelt am Kalkofen zu schließen. Er sieht sich als Wohltäter an der Gesundheit der Menschen und findet die Einwände des Ordnungsamtes kleinkariert. Dieses aber hält das Zelt für nicht coronakonform.

Landtagswahl 2021 im Rems-Murr-Kreis So soll der Corona-Wahlkampf funktionieren
Livestreams, Videoserien und Instagram-Profile: Die Parteien in den Wahlkreisen Waiblingen, Schorndorf und Backnang blasen zum Wahlkampf. Dieser wird 2021 komplett anders ablaufen als bei den Wahlen zuvor.

Stadtbahn in Fellbach Wenn die Haltestelle zu kurz wird
Bei der Umgestaltung der U1-Endhaltestelle Lutherkirche drängt die Zeit. Für die künftigen 80-Meter-Stadtbahnzüge muss das gesamte Areal womöglich komplett neu gedacht werden.