Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Ulrich Matthes’ zögerliches Erwidern der Umarmung zeigt, dass er sich über die Geste freut, aber nicht nachvollziehen kann, was Biff redet. Er beharrt darauf: „Dieser Junge wird etwas Großartiges werden!“ Ulrich Matthes spielt Willy als müden, harten Hund. Sein Westernhemd unter dem Jackett zeigt an, er ist ein Kerl alter Schule: erschöpft, aber beseelt vom Geist der Eroberer, der starken Männer, die in der rauen Welt zu bestehen versuchen. So ein Cowboy kann sich natürlich auch nicht die Blöße geben, für einen gutmütigen Bürohengst wie Charley (Harald Baumgartner) zu arbeiten. In seiner Eitelkeit und in seinem kindlichen Trotz, nicht zu sehen, was alles verloren ist, ist dieser Willy Loman anrührend.

 

Lachen im Weinen, davon ist der gut eineinhalbstündige Abend getragen. Manchmal ist er von ironischer Leichtigkeit durchweht. Bastian Kraft, der in Stuttgart Schnitzers „Reigen“ mit Edgar Selge und Franziska Walser inszeniert hat, liest den Text genau. Biff und Bruder Happy schwadronieren darüber, dass sie eine Frau „mit Charakter“ suchen sollten, doch ihr „eine wie Mama“ klingt ziemlich sarkastisch. Ebenso wie Ulrich Matthes’ stoßseufzerhaftes: „Näääh!!!!“ als zustimmende Antwort auf Bernards Gemeinplatz, kein Meister falle vom Himmel. Was in Matthes’ Ton mitschwingt, ist die Anmaßung Willys, er selbst sei durch harte Arbeit sehr wohl ein Meister geworden und sein Biff werde das schon auch noch schaffen. Ein hinreißend kläglicher Versuch, vor Freunden und Nachbarn das Gesicht zu wahren. So erzählt die Inszenierung des fast 70 Jahre alten, brandneu wirkenden Stückes mehr als nur vom American Dream, sie atmet die German Angst der unteren Mittelschicht vor dem Absturz.

Die nächsten Termine: 23., 30. März, 8. ,16. , 29. April. Karten: 030 / 28 44 12 21

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-mit-dem-schauspieler-ulrich-matthes-wo-sind-nur-die-buhs-geblieben.a146f417-0b3f-4a16-8c68-1fd5f16913f6.html http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.schnitzlers-reigen-im-schauspiel-stuttgart-oh-ich-bin-der-schoene-engel.b9742699-3951-4ef2-892e-934a5fcedc6f.html