Die Justizverwaltung muss sich einige Versäumnisse vorwerfen lassen. Das legt der Bericht nahe, den der Justizminister des Landes, Rainer Stickelberger (SPD) auf Antrag der CDU über den Fall des im Bruchsaler Gefängnis zu Tode gekommenen Häftlings abgab.

Stuttgart - Hat die baden-württembergische Justizverwaltung geschlampt und damit den Tod eines Strafgefangenen zugelassen? Diese Frage stellt sich nach der Sichtung der Umstände und wird wohl auch im Landtag eine Rolle spielen.

 

Der in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal im August verstorbene Strafgefangene war psychiatrisch behandlungsbedürftig. Das hat bereits Ende Januar ein Psychiater festgestellt und dem damaligen Leiter des Gefängnisses mitgeteilt. Der Mann „wäre mit Medikamenten gut einstellbar“, erklärte der Anstaltsleiter gegenüber dem Justizministerium noch im Juli. Er ist aber nicht behandelt worden. Der aus Burkina Faso stammende, gut deutsch sprechende Mann sei nicht bereit gewesen, sich behandeln zu lassen. Die Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung seien freilich nicht gegeben gewesen. An seiner Physis hätten Bedienstete des Bruchsaler Krankenreviers keine Auffälligkeiten feststellen können.

Versäumnisse offenbart

Das geht aus einem 16 Seiten umfassenden Bericht vor, den der Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) jetzt auf Antrag der CDU-Fraktion vorgelegt hat. Der Frage, ob ausreichend geprüft wurde, ob und wie auf das Verhalten des Gefangenen zu reagieren sei, geht jetzt die Staatsanwaltschaft nach. Sie untersucht auch, ob dessen Verlegung in ein Vollzugskrankenhaus erforderlich gewesen wäre. Man wolle diesen Ermittlungen nicht vorgreifen, heißt es im Justizministerium.

In dem Bericht wird gemutmaßt, dass der Häftling Wahnvorstellungen hatte und befürchtete, die Anstaltskost sei vergiftet oder verunreinigt. Er weigerte sich, sie zu sich zu nehmen. Zuletzt wog er noch 57 Kilo bei einer Körpergröße von 1,85 Meter.

Der Bericht offenbart einige Versäumnisse. Er zeichnet das Bild eines hoch aggressiven Menschen, der zwischen Justizvollzugsanstalten im Land hin- und hergeschoben wurde. Seit Februar schon „verweigerte der Gefangene nahezu täglich die Annahme der Anstaltskost“, schreibt Stickelberger. Er habe sich von Früchte-, Trauben-Nuß- oder Schokomüsli ernährt, das er im Gefangeneneinkauf erwarb. Nach seinem Tod hat man in der Zelle noch drei Packungen davon gefunden.

Zwei Jahre Einzelhaft

Im Justizministerium kannte man die Besonderheiten dieses Fall. Es muss unterrichtet werden, wenn ein Häftling länger als eine Woche die Anstaltsverpflegung zurückweist. Es muss genehmigen, wenn ein Gefangener länger als drei Monate in Einzelhaft untergebracht werden soll.

Der wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu elf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilte Mann hatte zuletzt zwei Jahre in Einzelhaft verbracht. In dem Bericht wird penibel aufgelistet, wann das Ministerium die Fortdauer der Einzelhaft jeweils genehmigt hat – zuletzt im Januar 2014. „Weitere Anträge auf Zustimmung zur Einzelhaft legte die Justizvollzugsanstalt Bruchsal nicht vor.“ Der Häftling blieb allerdings isoliert.

Der Kontakt zu ihm erfolgte „nahezu ausschließlich über die sogenannte Kommunikationsklappe in der Haftraumtüre“. Aus Stickelbergers Bericht ist aber nicht ersichtlich, ob und wie sein Haus in Sachen Nahrungsverweigerung oder Einzelhaft in Bruchsal nachgefasst hat.

CDU rügt Fehler im Ministerium

Womöglich hatte der dortige Gefängnischef gehofft, den missliebigen Häftling loszuwerden. Es sei vereinbart worden, dass seine Einrichtung nur ein Jahr „mit dem Gefangenen belastet“ werde, mahnte er die Ministerialen im Sommer. Dieser war aus Freiburg nach Bruchsal überstellt worden, weil er in Freiburg einen JVA-Bediensteten angegriffen hatte. Nach Freiburg war er gekommen, weil er zuvor in Offenburg schon einen Justizangestellten attackiert und schwer verletzt hatte.

In Freiburg konnte man sich nicht daran erinnern, dass die Überstellung begrenzt sein sollte. Man war aber bereit, den Häftling zurückzunehmen. „Aufgrund des massiven Widerstands der Bediensteten“ der Freiburger Anstalt kam es dann doch anders: Er sollte „bis auf Weiteres“ in Bruchsal bleiben. Das wurde am 5. August vereinbart. Am 9. August war der Gefangene tot.

Der CDU-Rechtspolitiker Bernhard Lasotta sieht darin nicht nur „organisatorische Mängel in der Justizverwaltung“. Es seien auch „gravierende Fehler im Justizministerium zu vermuten“. Es gelte, die „voll umfänglich aufzuklären“.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt

Die Staatsanwaltschaft ermittelt im Fall des verstorbenen Häftlings gegen den suspendierten Anstaltsleiter und eine mit der medizinischen Betreuung des Gefangenen befasste Ärztin wegen fahrlässiger Tötung; das teilte die Behörde am Freitag mit. Die Rechtsmedizin komme zu dem Ergebnis, dass der Gefangene wegen einer Mangel- oder Unterernährung gestorben sei. Es sei möglich, dass die Verantwortlichen der Anstalt es fahrlässig unterlassen hätten, dem Mann die notwendige medizinische Versorgung zukommen zu lassen.