Der neue Tatort greift den Fall des 2005 in Dessau verbrannten Flüchtlings Oury Jalloh auf. Am Mittwoch ist er auch in Stuttgart vorab im Kino zu sehen.

Stuttgart - Völlig verkohlte Überreste auf einer ebenso verkohlten Matratze sind alles, was von Gibril Bali übrig ist. Der Asylbewerber aus Mali war mit Händen und Füßen an eine Pritsche gefesselt, als in seiner Polizeizelle ein Feuer ausbrach.

 

Im neuen Tatort „Verbrannt“ ist genau das der Anblick, der sich Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) ergibt – nichts für schwache Nerven. Schnell heißt es in dem TV-Krimi, Bali habe sich mit einem Feuerzeug selbst angezündet – und das, obwohl er vorher durchsucht und dann gefesselt worden war.

Der Fall des Oury Jalloh

Was wie die grausige Fantasie eines Drehbuchautors klingt, basiert tatsächlich auf einer wahren Begebenheit: Im Jahr 2005 verbrannte Oury Jalloh in einer Zelle in Dessau, auch er war zu dem Zeitpunkt gefesselt. Als einen Doku-Krimi will Tatort-Drehbuchautor Stefan Kolditz „Verbrannt“ aber trotzdem nicht verstanden wissen. „Wir unterscheiden uns in vielen Punkten vom realen Geschehen“, sagt er.

Der Tod von Oury Jalloh hatte vor zehn Jahren für Aufsehen gesorgt. Der 23-Jährige aus Sierra Leone war am Morgen des 7. Januar 2005 von der Polizei in Dessau festgenommen worden, zwei Frauen hatten sich von ihm belästigt gefühlt. Der betrunkene junge Mann soll sich gegen die Beamten gewehrt haben, deshalb wurde er in der Gewahrsamszelle mit Händen und Füßen an eine Pritsche gefesselt.

Kurz darauf geriet der Schaumstoff in der mit einem schwer entflammbaren Überzug versehenen Matratze in Brand. Der Rauchmelder der Zelle schrillte los und alarmierte den damaligen Dienstgruppenleiter Andreas S., der den Warnton allerdings zunächst ausstellte, wie er später angab. Es habe zuvor häufig Fehlalarme gegeben, Hilfeschreie aus der Gegensprechanlage will S. nicht gehört haben, eine Videoüberwachung gab es nicht.

Währenddessen stieg die Hitze in der Zelle unaufhörlich an. Jalloh starb schließlich an einem Hitzeschock, weil er zu viel heiße Luft eingeatmet hatte. Als der Polizist Andreas S. schließlich doch in den verqualmten Keller der Polizeistation hinunterstieg, kam für Jalloh jede Hilfe zu spät.

Prozess gegen zwei Polizisten

Am 27. März 2007 begann der Prozess vor dem Landgericht Dessau-Roßlau. Angeklagt waren Dienstgruppenleiter Andreas S. und Hans-Ulrich M., einer der Streifenbeamten, die Jalloh am Morgen des 7. Januar 2005 festnahmen und durchsuchten und der dabei fatalerweise das Feuerzeug übersehen haben soll. Im Dezember 2008 fällte das Gericht sein Urteil: Freispruch für beide Beamten. Die Richter gingen davon aus, dass Jalloh den Brand selbst entfacht hatte und S. ihn nicht hätte retten können, auch wenn er sofort nach Einsetzen des Feueralarms nach Jalloh gesehen hätte. Im Gerichtssaal kam es nach der Urteilsverkündung zu tumultartigen Szenen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob das Urteil gegen Andreas S. später auf, Ende 2012 verurteilte ihn das Landgericht Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von insgesamt 10 800 Euro. Die Begründung: Andreas S. hätte Jalloh sorgfältiger überwachen müssen. Auch bei diesem Urteil gingen die Richter weiterhin davon aus, dass Jalloh die Matratze selbst angezündet hatte. „Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden hat es nicht gegeben“, sagte ein Sprecher des Magdeburger Landgerichts. 2014 bestätigte der BGH dieses Urteil.

„Mir stellen sich die Nackenhaare auf“

Tatort-Drehbuchautor Stefan Kolditz hat die gerichtliche Aufarbeitung des Falles Jalloh noch gut im Gedächtnis. „Ich habe die Prozesse verfolgt und am Ende erleben müssen, wie die Beamten zu obszön lächerlichen Strafen verurteilt wurden“, erinnert er sich. „Man muss sich nur die langen Minuten seines (Oury Jallohs, Anm. d. Redaktion) Sterbens vorstellen. Wenn ich dann lese, wie sich die Beamten verhalten haben, und ihre Ausflüchte höre, warum sie den Mann nicht gerettet haben, packt mich wirklich die kalte Wut.“ Auch deshalb war er sofort an dem Stoff interessiert, als ihn der NDR darauf ansprach.

Auch für Regisseur Thomas Stuber war die Arbeit an „Verbrannt“ eine emotionale Herausforderung. „Allein wenn ich jetzt wieder über Jallohs Tod rede, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Ich möchte, dass sich dieses Empfinden auf den Zuschauer überträgt.“

„Verbrannt“ läuft am Sonntag, 11. Oktober, um 20.15 Uhr in der ARD. Wer ihn schon vorher ansehen möchte, hat bereits am Mittwoch, 30. September, die Chance dazu, denn dann wird der neue Tatort in 170 Kinos bundesweit vorab gezeigt. In der Region Stuttgart läuft er im Cinemaxx in der Liederhalle und im Cinemaxx in Sindelfingen.