Nach dem Tod zweiter Menschen in der Alkohol-Ambulanz der Stuttgarter Polizei stellt sich heraus, dass dort der Pflegedienst eingespart worden ist. Eine falsche Entscheidung, meint unser Redakteur Wolf-Dieter Obst.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Manchmal ist die Lebensuhr einfach abgelaufen. Manchmal nutzt keine noch so hohe medizinische Versorgung, um gesundheitliche Komplikationen gänzlich auszuschließen. Ob der Tod zweier alkoholkranker Männer binnen kurzer Zeit im Polizeigewahrsam irgendwie doch hätte verhindert werden können – niemand weiß es. Es sei denn, Gerichtsmediziner würden noch andere Befunde zutage fördern.

 

Allerdings ist es unvermeidlich, nach den beiden Todesfällen die Frage nach dem System zu stellen. Beim Start der Zentralen Ausnüchterungseinheit bei der Stuttgarter Polizei im Jahr 2001 hatte es sich das Innenministerium in Person eines Ministerialdirektors nicht nehmen lassen, Präsenz zu zeigen und die Leuchtturmfunktion der bundesweit einmaligen Einrichtung hervorzuheben. Ein Arzt und Pflegepersonal sollten nachts den medizinischen Teil sicherstellen, den man Polizisten als medizinische Laien nicht zumuten könne.

Eigentlich ist das eine politische Frage

Nun aber wurde bekannt, dass auf dieses ursprünglich hochgelobte Pflegepersonal seit mehr als drei Jahren verzichtet wird. Offenbar haben sich die Verantwortlichen von der Erfahrung leiten lassen, dass seit vielen Jahren nichts mehr passiert ist – und dass ein Pflegedienst letztlich hohe Kosten verursacht. Nun kann zwar niemand behaupten, dass mit einem professionellen Pflegedienst die beiden Todesfälle auf alle Fälle hätten verhindert werden können – eine mögliche Sicherheitslücke ist der Verzicht allemal.

Diesmal ist vom Innenministerium nichts dazu zu hören. Man verweist entsprechende Anfragen auf das betroffene Polizeipräsidium. Dabei handelt es sich doch vor allem um eine politische Frage: Wie viel ist uns eine saubere, gute medizinische Versorgung von hilfebedürftigen Menschen in Notsituationen wert? Vor 18 Jahren hatte man darauf eine andere Antwort – sie wäre auch heute noch richtig.

wolf-dieter.obst@stzn.de